Überzeugt uns – nur bedingt

Mit „Überzeugt uns! Der Politikercheck“ hat die ARD gemacht, was allerorten von ihr verlangt wird: ein neues Format ausprobiert. Leider hat sie dabei vergessen, dass auch junge Menschen Interesse an Substanz und politischer Diskussion haben. Immerhin: Unterhaltsam war der Wahlkampf-Talk, die Gäste waren hochkarätig und ein paar Einblicke gab es auch – allerdings eher in die Gedankenwelt der Moderatorin.

„Ich möchte Sie ungern unterbrechen“, sprach Ronja von Rönne, die neben dem Tagesthemen-Mann Ingo Zamperoni durch die Sendung führte, um dann ebendas zu tun, als Ralf Stegner gerade den SPD-Standpunkt in Sachen Rente erläutern wollte. Und weiter: „Diese Show ist eine Sendung für die Generation Y, deren Aufmerksamkeitsspanne ungefähr so lang wie ein Katzen-GIF ist.“ Damit konnten die Zuschauerinnen und Zuschauer schon zu Beginn der Sendung erahnen, in welche Richtung diese gehen und mit welcher Haltung ihrem Publikum und ihren Gästen gegenüber Frau von Rönne zur Tat schreiten würde.

Vorgenommen hatten sich die Programmacherinnen und -macher von der ARD so einiges: „Jungwähler streiten mit Spitzenpolitikerinnen und -politikern, stellen ihre Fragen und nennen ihre Forderungen“, wurde die Live-Sendung in der Presse angekündigt. Was folgte, waren tatsächlich diverse Fragerunden zu verschiedenen Themen – von der Rentenpolitik über Mieten und Wohnungsbau bis hin zu Integration und der Legalisierung von Cannabis, dem offenbar unvermeidlichen Klassiker fürs junge Publikum. Dabei wurden durchaus die unterschiedlichen Vorstellungen der Parteien für die kommende Bundestagswahl deutlich. Was es aber so gut wie gar nicht gab: eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Positionen. Stattdessen ähnelte der Ablauf immer wieder einem gehetzten Frage-Antwort-Spiel. Denn neben den vier im Bundestag vertretenen Fraktionen (CDU/CSU, SPD, Linke, Grüne) waren auch FDP und AfD anwesend. Sieben durchaus redegewandte Spitzenpolitiker_innen also galt es, in dieses Sendeformat zu pressen. Kein leichtes Unterfangen bei dieser Themenfülle.

Es brauchte dann auch nicht lange, bis Jens Spahn von der CDU nach wiederholtem Unterbrechen und Abwürgen seiner Ausführungen der Kragen platzte: „Ihr könnt ja nicht tausend Themen in 90 Sendeminuten abends um 11 pressen!“ Und gleich noch hinterher: „Ich weiß sowieso nicht, wer sich diese Sendezeit ausgedacht hat.“ Dass er auch dem Saalpublikum aus der Seele zu sprechen schien, zeigte der darauf folgende Applaus. Und genauso ordentlich wurde für Katja Kipping von den Linken applaudiert, als es ihr einmal gelang, das Sendekorsett zu durchbrechen. Aufgabe der Gäste war es nämlich, vorgegebene Sätze zu beenden. Als sie erklären sollte, warum Menschen mit niedrigem Einkommen heute verstärkt sowohl die AfD als auch Die Linke wählen, holte sie länger aus als vorgesehen und machte einen klaren Punkt gegen die AfD.

Dass Fragen wie diese tatsächlich interessant und diskussionswürdig sind, daran besteht kein Zweifel. Thematisch war die Sendung also gut vorbereitet. Komplexe Sachverhalte aber mit einem Halbsatz abhandeln zu wollen, das konnte nicht gelingen und nur zu Frust führen. Das „Politiker-Speed-Dating“, bei dem die Gäste dann Zuschauerfragen in maximal 15 Sekunden zu beantworten hatten, steigerte die Idee ins Absurde. Belanglosigkeiten wie „Hat Katja Suding (FDP) schon einmal das Motorrad-Sandbahnrennen in ihrer Heimatstadt Vechta besucht?“ und „Wann hat Jens Spahn das letzte Mal etwas zum ersten Mal getan?“ standen neben keinesfalls einfachen Fragen wie „Ist das deutsche Elektroauto gescheitert?“ an Alexander Dobrindt (CSU) oder „Wie würden Sie die Außenpolitik zur Türkei gestalten?“ an Cem Özdemir (Grüne). Hier hatte der grüne Spitzenkandidat aber schon aufgegeben und seine Antwort in weniger als fünf Sekunden zusammengefasst. Gern hätte man hier mehr erfahren, bietet das Thema doch einige Reibungsfläche.

Bleibt der unvermeidbare Blick auf die Moderation: Zamperoni führte solide und ruhig durch die Sendung, so wie man es von einem Tagesthemen-Anchorman erwarten kann. Jegliche journalistischen Standards aber ließ Ronja von Rönne vermissen. Nach schon wenigen Minuten war klar, dass sie einen Teil ihrer Gäste von tiefstem Herzen ablehnte. So fragte sie etwa Alexander Gauland nach einem Einspieler über eine Fußballmannschaft mit migrantischen Spielern, ob er sich vorstellen könne, dort als „Rechtsaußen“ mitzukicken. Jens Spahn schleuderte sie ein „Dann lernen Sie noch was dazu!“ entgegen, als sich die Diskussion darum drehte, warum der CDU-Politiker ein Problem damit hatte, in Berlin von Kellnern bedient zu werden, die nur Englisch sprechen. Was das Publikum weitgehend wohl als amüsante Frechheit empfand – es gab immerhin Lacher und Applaus –, kann jedoch nicht der Maßstab sein. Denn fragwürdige Standpunkte wie die der AfD werden nicht entlarvt, wenn man sich über seine Gäste lustig macht. Insofern kann das Fazit zur Sendung nur lauten: Unterhaltungswert hoch, Seriosität mittel, Erkenntnisgewinn gering. Ob das im Sinne der Macherinnen und Macher war, müssen diese selbst entscheiden.

 

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