Unmut der Filmfrauen

Bettina Schoeller-Bouju, Barbara Rohm, Tatjana Turanskyj, Annette Ernst, Nathalie Percillier, Nina Groose (oben), Imoge Kimmel, Esther Gronenborn, Katinka Feistl, Maria Mohr, Margrét Rún, Connie Walther (unten) engagieren sich im Vorstand von Pro Quote Regie Foto: Birgit Guðjónsdóttir

Benachteiligung bei Filmförderung und Sender-Budgets

Das Internationale Frauenfilmfestival (IFFF), das vom 14. bis 19. April in Dortmund stattfand, war auch in eigener Sache aktiv. 1987 hatte es sich aufgrund der ständigen Benachteiligung der Frauen in der Branche gegründet. Nun ist die Debatte um Gleichstellung in der Filmindustrie wieder aufgeflammt. Vertreterinnen von „Pro Quote Regie“, eines Zusammenschlusses von etwa 300 Regisseurinnen, forderten in Dortmund ein Ende der Ungerechtigkeiten.

Logo Pro Quote RegieUnruhe war unter den Filmfrauen bereits bei den Festspielen in Cannes 2012 entstanden. Die waren vor allem in die Kritik geraten, weil im Wettbewerb kein Film einer Regisseurin nominiert wurde. Nun macht sich auch unter deutschen Regisseurinnen zunehmend Unmut breit. Rund 85 Prozent der deutschen Kino- und Fernsehfilme werden von Männern inszeniert. Dies betreffe nicht nur die unbefriedigende Arbeitssituation von Regisseurinnen, sondern es bedürfe dringend eines kulturellen und gesellschaftspolitischen Wandels, um die demokratische Meinungsvielfalt zu erhalten, konstatierte die Festivalleiterin des IFFF Silke Räbiger.
„Unterrepräsentiert, aber von hoher Qualität“ seien Filme von Regisseurinnen, referierte in Dortmund Skadi Loist, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Medienforschung der Universität Rostock. „Nur jeder fünfte deutsche Spielfilm der Jahre 2009 bis 2013 wurde von einer Frau inszeniert“, fasste sie die Ergebnisse einer neuen Studie zusammen, die das Institut unter dem Titel: „Wer dreht deutsche Kinofilme“ kürzlich publiziert hat. Die Filmfrauen seien schlechter finanziert als ihre männlichen Kollegen; erhielten weniger Filmförderung und ein geringeres Budget. Von Frauen inszenierte Spielfilme bekämen im Schnitt nur ca. 65 Prozent der Fördersumme, die Männer für ihre Projekte in Anspruch nehmen können. Dabei seien von Frauen inszenierte Filme von Kritik und Jurys durchaus geschätzt, erhielten häufiger Filmpreise, liefen erfolgreicher auf Festivals. Mitunter gingen sie bei Förderungen jedoch sogar gänzlich unter. Die im August 2012 seitens der Film-Förderanstalt vergebenen 4,5 Millionen Euro für 17 Kinofilme gingen komplett an männliche Regisseure. Auch die Filmstiftung NRW förderte in dem Monat mit 5,4 Millionen Euro 30 Projekte, bei denen ausschließlich Männer Regie führten, hatte das Branchenmagazin „Blackbox“ publiziert.
Dennoch erfreut sich selbst unter Frauen die Idee, Regieaufträge und Förderungen nach Quote zu besetzen, mitunter nicht allzu großer Beliebtheit. Dem Begriff „Quotenfrau“ hänge Abschätziges an. Viele befürchten Anzweifelungen: Sie hat den Auftrag nur aufgrund der Verteilungsgerechtigkeit bekommen. Ob der Frau die Qualifikation fehle? „Mag sein, doch ohne Quote bewegt sich einfach überhaupt nichts, deshalb müssen wir darauf beharren“, erklärte Kate Kinninmont, Vorsitzende der britischen Frauenorganisation „Women in Film und Television“ unter Applaus. Geduld hätten Frauen nun wahrlich lang genug bewiesen, und die Missstände sanft angemahnt: Es dürfe nicht sein, dass Filme in Kino und Fernsehen weiterhin weitgehend in männlicher Regie geführt – und aus deren Perspektive gezeigt würden. Dies führe häufig dazu, dass Rollen so besetzt seien, dass Frauen in Filmen nur visuell präsent seien. „Es wäre aber doch auch schön, wenn Unterhaltungen von Frauen gezeigt werden – und zwar auch solche, die sich nicht nur um Männer drehen“, kommentierte die Britin ironisch.

Ähnlich schätzte auch die Filmschauspielerin Belinde Ruth Stieve die Lage ein: „Ich möchte keine Filme mehr, in denen nur Männer agieren, und Frauen begleiten, lieben und schön aussehen“. Stieve sieht noch einen anderen Aspekt: Rollen für Frauen in Filmen würden aus diesem Grund entsprechend weniger in die Drehbücher hinein geschrieben. Dies bedeute: Schauspielerinnen erhalten weniger und schlechter bezahlte Rollenangebote als Männer; müssten zudem früher als letztere aus dem Beruf ausscheiden; mitunter lange vor Erreichen des Rentenalters. Während Männer noch bis 45 Jahre gefragt seien, sei bei Frauen häufig mit 40 Schluss. Fazit: Sie erhalten weniger Aufträge für weniger Geld und werden früher aus dem Job gekickt. „Wenn wir nicht wollen, dass Frauen insofern weiterhin der Altersarmut ausgesetzt sind, müssen wir jetzt daran etwas ändern“, mahnt Stieve.
Die Regisseurinnen von „Pro Quote Regie“ haben nun einen Aufruf gestartet. Ziel ist, bis 2018 die Vergabe der Regieaufträge an Frauen in öffentlich-rechtlichen Sendern auf 30 Prozent zu erhöhen, 2020 auf 42 Prozent. Denn 42 Prozent aller Filmhochschulabgänger hierzulande sind derzeit Frauen – mit steigender Tendenz. 2025 sollen es dann 50 Prozent sein. Genauso fordern es die Regisseurinnen auch für die bundesweit vergebenen Filmfördermittel, entsprechende Gremien müssten paritätisch mit Männern und Frauen besetzt werden. Ist ihr Ziel erreicht, will sich die Initiative auflösen. Den Aufruf unterstützen keineswegs nur unter Benachteiligung leidende Regisseurinnen, sondern auch Prominente wie Helke Sander, Margarethe von Trotta, Ulrike Folkerts, Veronica Ferres. Auch bekannte Regisseure finden, mit der Benachteiligung muss endlich Schluss sein, unter anderem Michael Ballhaus, Edgar Reitz, Volker Schlöndorff.    

PRO QUOTE REGIE fordert für Deutschland:

  • eine umfassende soziologische Studie zu Werdegang und beruflicher Situation von Regisseurinnen sowie zur Vergabepraxis von Sendern und Fördergremien unter genderspefizischen Gesichtspunkten
  • eine paritätische Besetzung der Entscheidungsgremien aller Filmförderungen
  • eine Quote für die Vergabe von Regieaufträgen im Fernseh- und Filmbereich, und zwar: 30% in 3 Jahren, 42% in 5 Jahren und 50% in 10 Jahren.

Anmerkung der Redaktion:

In M 3. 2015 wurde eine Korrektur des Artikels vorgenommen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Innovatives Arbeiten im Journalismus

Flache Hierarchien, flexible Workflows und rollenbasierte Teamarbeit sind Kernelemente von agilem Arbeiten. Das Konzept stammt aus der Softwareentwicklung und hält inzwischen auch im Journalismus Einzug. Die Studie „Agiles Arbeiten im Journalismus: Einführung, Anwendung und Effekte von agilen Methoden in deutschen Medienhäusern“ untersucht, wie deutsche Medienhäuser agile Arbeitsmethoden in den redaktionellen Arbeitsalltag integrieren.
mehr »

Rundfunkfinanzierung in der Sackgasse

Bisher war Einstimmigkeit gefordert, wenn es um rundfunkpolitische Fragen ging. Die Ministerpräsident*innen der Länder sollen gemeinsam agieren, zum Schutz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Kein einfaches Unterfangen, wenn es um das Thema Rundfunkfinanzierung geht. Dass diese Praxis nun überarbeitet wird, ist Ausdruck einer Krise – wenn nicht der Demokratie, dann doch zumindest der Rundfunkpolitik der Länder.
mehr »

Nachrichtenvermeidung nimmt zu

Der „Reuters Digital News Report“ stellt fest:  Zwei Drittel der Deutschen vermeiden es inzwischen mindestens gelegentlich, sich mit aktuellen Nachrichten zu beschäftigen. Gleichzeitig wollen viele wissen, was los ist. Was da scheinbar nicht zusammenpasst, stellt sich angesichts der Nachrichteninhalte in Teilen nachvollziehbar dar - ein genauerer Blick auf den Bericht.
mehr »

Zeichnen heißt Leben: Safaa Odah

Im politisch aufgeladenen Kontext des Gaza-Krieges ist die Presse- und Meinungsfreiheit eingeschränkt. Umso bemerkenswerter sind die Versuche von Autor*innen, den Fokus mit journalistischen Mitteln auf das Leid der Menschen zu lenken. Neben dem Westjordanland zeichnen auch in Gaza Künstler*innen Cartoons und Karikaturen gegen den Krieg. Zum Beispiel die junge Zeichnerin Safaa Odah. Martin Gerner hat sie online getroffen.
mehr »