Anspruchsvolle Bewerbung an der Electronic Media School
Als einziger unter den öffentlich-rechtlichen Sendern bildet der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) seine Volontär_innen nicht selbst aus, sondern kooperiert zu diesem Zweck eng mit der Electronic Media School (ems) in Potsdam Babelsberg, deren Gesellschafter er zusammen mit der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) ist. Seit ihrer Gründung 2001 wurden an der ems in 10 Jahrgängen 140 Nachwuchsjournalist_innen ausgebildet, darunter auch Jessy Wellmer, die ab 2017 die ARD Sportschau am Samstag moderieren wird, oder Benjamin Stöwe, aktuell Wettermoderator im ZDF-Morgenmagazin.
Auf ihrer Website beschreibt sich die ems als „eigenständige und unabhängige Journalistenschule”, die eng mit privatwirtschaftlichen Medienunternehmen, dem ZDF und den ARD-Anstalten, insbesondere dem RBB, zusammenarbeite. Für ein Volontariat ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium zwar hilfreich, aber keine notwendige Voraussetzung. Der Nachweis des Abiturs oder der Fachhochschulreife ist ausreichend. Das anspruchsvolle Bewerbungsverfahren gliedert sich in zwei Stufen, von denen die erste neben den üblichen Bewerbungsunterlagen auch eine Online-Reportage oder ein Online-Essay, eine Idee für ein neues Webvideo-Format sowie eine Begründung des Berufswunsches im Videoformat umfasst. Die besten 16 Bewerber_innen, die dann auch die zweite Stufe erfolgreich absolvieren, können sich auf ein multimediales Volontariat freuen, das ab dem kommenden Jahr
20 statt der bisher üblichen 18 Monate dauert. Die Ausbildung beinhaltet 43 Wochen praxisorientierte Trainings in der ems und den schuleigenen Studios sowie 40 Wochen Redaktionstrainings in Medienredaktionen in ganz Deutschland und – wenn möglich auch im Ausland.
Mit den zusätzlichen zwei Monaten trage man der Verdichtung des Lehrplans durch das Hinzukommen neuer Inhalte Rechnung, so ems-Geschäftsführer Sylvio Dahl. Neben den obligatorischen Grundlagen-Trainings in Online, Radio und Fernsehen, die inklusive der Redaktionstrainings 49 Wochen dauern, seien in den letzten Jahren Inhalte wie Datenjournalismus, Strategien der Öffentlichkeitsarbeit zur Vermarktung der eigenen Produkte, aber auch Fotografie getreten. Zudem habe man die Anzahl der Recherchetage erweitern wollen. Dabei stehen der multimediale und der crossmediale Aspekt bei allen Ausbildungsmodulen im Vordergrund. Das Erlernen von Social Media-Strategien gehört längst zu den Grundlagen-Trainings.
Intensivkurs in digitalem Storytelling
In einem fünfwöchigen Multimedia-Modul erhalten die Volontär_innen gegen Ende der Ausbildung einen Intensivkurs in digitalem Storytelling. Während des Volontariats absolvieren die Teilnehmer_innen insgesamt fünf Stationen in verschiedenen Partnerredaktionen beim Fernsehen, beim Radio sowie bei Online-Medien. Die ems arbeitet dafür hauptsächlich mit öffentlich-rechtlichen Partnern, aber auch mit Spiegel Online oder netzpolitik.org zusammen. Die meisten Redaktionsleiter würden dabei im Laufe der Ausbildung auch an die Schule kommen, um sich bei den Volontär_innen vorzustellen, damit die „Erwartungshaltungen nicht grob aneinander vorbeigehen”, so Dahl. Während der ersten drei Stationen bei Online, Radio und Fernsehen werde versucht, den Volontär_innen unter den verschiedenen Kooperationspartnern ihre Wunschstationen zu ermöglichen. Für die letzten zwei Redaktionstrainings könnten die Volos ebenfalls unter diesen Partnern wählen, aber auch eigene Wünsche angeben, von Circus Halligalli bis zu einer Redaktion im Ausland. Die ems versuche auch besondere Wünsche zu erfüllen, so Dahl.
Vergütet wird das ems-Volo mit monatlich 1.000 Euro brutto. Gefragt nach den Beschäftigungsperspektiven der ems-Absolvent_innen, erwidert Dahl:„Bisher ist es eine Praxis beim RBB, dass er jeder Absolventin und jedem Absolventen einen Rahmenvertrag für freie Mitarbeit anbietet.” Den würden die meisten annehmen. Dagmar Bednarek von der RBB-Freienvertretung rbbpro präzisiert, dass es sich dabei nicht um einen Arbeitsvertrag handele. Weder der Sender, noch Freie würden damit Verpflichtungen eingehen. Da schon seit Jahren keine festen Stellen mehr besetzt würden, stünden auch die Chancen auf eine spätere Festanstellung schlecht, sei es beim RBB oder bei einem anderen öffentlich-rechtlichen Sender. Für Volontärsabsolvent_innen bedeutet dies demnach, sich darauf einzustellen, auch langfristig in freier Mitarbeit beschäftigt zu werden. „Hier eine Stelle zu bekommen, ist wirklich wie ein Sechser im Lotto”, sagt Bednarek. Dennoch sei der RBB gerade im Bereich Fernsehen eben doch ein „lukrativer und interessanter Arbeitgeber”.
Auch ein Blick auf die Liste der 140 Absolvent_innen der ems zeigt: Etwa 56 Prozent der ehemaligen Volontär_innen sind aktuell beim RBB und etwa weitere 29 Prozent in einer Redaktion anderer öffentlich-rechtlicher Sender tätig. 15 Prozent der ehemaligen ems-Volos geben hingegen an, hauptsächlich für privatwirtschaftliche Medienunternehmen zu arbeiten.