Verheerende Konsequenzen

Polizisten und Soldaten behindern Fotografen

Ein schöner, ein sonniger Sonntag. Der richtige Tag für einen Familienausflug. Zum Beispiel zu der Ausstellung „Unser Heer 2003“, die von Frühsommer bis Herbst in 11 deutschen Städten ihre Zelte aufschlug. Explizit waren vor allem Jugendliche eingeladen, die Waffensysteme der Armee kennenzulernen. Pressefotografen waren hingegen offenbar nicht erwünscht.

Dabei hatte der vorletzte von fünf Tagen der Heer-Tour in Frankfurt eigentlich recht harmonisch begonnen. Während sich auf dem Ausstellungsgelände am Ratsweg, nach außen durch einen Stahlzaun als „Militärisches Sperrgebiet“ gekennzeichnet, die Familien zwischen Panzern, Infobussen, Panzerfäusten und Maschinengewehren tummeln, demonstrieren draußen Kriegsgegner friedlich und legal gegen die Veranstaltung. Verkleidete Schauspieler des Antagon-Theaters, die in Camouflageuniformen und als Verletzte geschminkt vor dem Eingangstor die grausame Seite eines Krieges schauspielerisch darstellen, werden sogar von herbeigeeilten Sanitätern der Bundeswehr „behandelt“. Obwohl sie damit bewusst die Performance der Schauspieler stören und dafür schließlich einen Platzverweis des Demoveranstalters erhalten, bleibt die Situation ruhig. „Echte“ und „falsche“ Soldaten plaudern am Eingangstor, nur als die Verkleideten auch auf dem Ausstellungsgelände selbst als Verletzte agieren wollen, werden sie zurückgewiesen.

Soldaten fordern Herausgabe des Films

Plötzlich jedoch gelingt es einem der Demonstranten, auf einen der Panzer zu klettern und dort eine regenbogenbunte PACE-Fahne zu hissen, dabei wird er von dem Fotografen Klaus Malorny abgelichtet. Die Soldaten zeigen Nerven: Sie fordern von Malorny die Herausgabe des Films. Trotz allgemeiner Genehmigung – „so was“ dürfe nicht fotografiert werden. Als Malorny sich weigert, wird er von zwei Polizisten in zivil gepackt, ein Soldat, der sich als Presseoffizier ausgibt, versucht gleichzeitig, ihm die Kamera zu entreißen und bricht dabei das Blitzlicht ab. Neben ihm muss auch S. H., der ebenfalls als Fotograf die Ausstellung besucht, seine Kamera gegen den Zugriff von Uniformierten verteidigen, kann sie nur schützen, indem er sie einer Bekannten am Zaun zur Verwahrung überlässt. Malorny ruft laut um Hilfe und gibt seinerseits im Gedränge seine Kamera an H. weiter. Besucher und Demonstranten sehen, wie der Soldat nunmehr versucht, H. die Kamera aus der Hand zu zerren. Malorny habe sie ihm gegeben, er wolle sie aufbewahren. Hinweise von H., Malorny und einiger Demonstranten, das Verhalten der Soldaten stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die Pressefreiheit dar, werden belächelt und übergangen.

H. und Malorny werden von Feldjägern zur Personalienfeststellung abgeführt, uniformierte Polizisten drohen ihnen mit Anzeigen wegen Hausfriedensbruches, schließlich seien sie friedlich darum gebeten worden, das Ausstellungsgelände zu verlassen. Später werden die Anschuldigungen um Landfriedensbruch erweitert. Nur nach heftigen Diskussionen können beide ihre Kameras behalten.

Derweil räumen Polizei und Soldaten auch unter den Demonstranten vor dem Eingang auf: Kontrolliert wird jeder, der nach Kriegsgegner aussieht, eine junge Frau wird von Polizeibeamten gegen ihren Willen gefilmt und in Gewahrsam genommen, die Hände auf dem Rücken gefesselt.

Schwere Vorwürfe

Knapp zwei Wochen später erhalten S. H. und Klaus Malorny Post vom Polizeipräsidium Frankfurt am Main. Gegen beide habe die Bundeswehr Anzeige erstattet. Ermittlungen seien eingeleitet worden: Wegen Nötigung, schweren Hausfriedensbruchs und „Landfriedensbruch unter Gewaltanwendung“. Auf eine schriftliche Anfrage des hessischen ver.di-Mediensekretärs Manfred Moos nach einer Präzisierung und Begründung der Vorwürfe antwortet der Frankfurter Polizeivizepräsident Daschner, die Beschuldigten hätten gegen das Hausrecht der Veranstalter verstoßen: „Von einer Behinderung journalistischer Tätigkeit kann aufgrund dieses Sachverhalts keine Rede sein“. Seit Ende Juli liegt der Fall bei der Staatsanwaltschaft.

Doch das Schreiben des im Mordfalle von Metzler zu zweifelhafter Berühmtheit gelangten Vize beantwortet die wichtigsten Fragen nicht. Die Freiheit der Berichterstattung endet nach Ansicht von Bundeswehr und Polizei offenbar am Zaun zum „Militärischen Sperrgebiet“.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Länder wollen kein Medienfreiheitsgesetz

Die Bundesländer bleiben bei ihrer Ablehnung gegenüber dem geplanten Europäischen Medienfreiheitsgesetz. Die rheinland-pfälzische Medienstaatssekretärin Heike Raab (SPD), Vertreterin der Rundfunkkommission der Länder, betonte am vergangenen Mittwoch vor dem Kulturausschuss, der Vorschlag für eine Verordnung „zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für Mediendienste im Binnenmarkt“ greife in die Kulturhoheit der Länder ein, Medien seien kein dem EU-Binnenmarkt unterworfenes Wirtschaftsgut.
mehr »

Vorratsdatenspeicherung nicht anwendbar

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe lehnt eine Verfassungsbeschwerde zur Vorratsdatenspeicherung ab. Die Entscheidung des Gerichts unterstreicht aber, dass das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung selbst keine Rechtswirkung mehr entfaltet. Damit schließen sich die Verfassungsrichter dem Europäischen Gerichtshof an. Der hatte die deutsche Regelung bereits im September vergangenen Jahres gekippt.
mehr »

Zusammenschließen statt konkurrieren

Im Zeichen kollektiven Handelns stand der ver.di-Selbstständigentag am 25. März in Leipzig. In den historischen Gewölben der Moritzbastei trafen sich Solo-Selbstständige, um sich nach langer Corona-Zwangspause wieder „in echt“ zu sehen und spannende Themen miteinander zu diskutieren. Der Tag stand unter dem Motto „Kollaboration statt Konkurrenz“ – ein Thema, das auch immer mehr „Einzelkämpfer*innen“ bewegt.
mehr »

Presserat spricht  17 Rügen aus

Der Deutsche Presserat hat wegen Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht und den Opferschutz auf seiner Märzsitzung 17 Rügen ausgesprochen. Acht Rügen betrafen allein „Bild“ und bild.de. Insgesamt wurden 160 Beschwerden behandelt, 65 Beschwerden erachtete das Gremium der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse als unbegründet. Es sprach zudem 32 Missbilligungen und 30 Hinweise aus.
mehr »