Verklungenes jetzt gebunden

Auslandsrundfunk der DDR historisch aufgearbeitet und dokumentiert

Die Geschichte von Radio Berlin International, dem Auslandsrundfunk der DDR, dessen Sendungen mehr als 35 Jahre lang auf fünf Kontinenten zu empfangen waren, wird in einer Neuerscheinung bei Vistas aufbereitet. „Zur Funkstille verurteilt, meldet sich der Sender noch einmal zu Wort.“, meint Autor Heinz Odermann programmatisch.

Im Buch wird akribisch dokumentiert, was den Konkurrenten der „Deutschen Welle“ auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs bis zu dessen Zerfaserung ausmachte: von der ersten Meldung der neuen Station – „Ici Berlin, la vox de la Républic Démocratic Allemande“ – vom 15. April 1955 bis zur letzten Meldung über die Auflösung des Senders vom 25. September 1990. Im wörtlich abgedruckten letzten RBI-Kommentar wird die Botschaft der Solidarität betont, die der Sender „für den algerischen Befreiungskampf, für die Freiheit Chiles, für die Verteidigung Kubas und Nikaraguas, für das Recht auf Selbstbestimmung des arabischen Volkes von Palästina, für den Sieg des Afrikanischen Nationalkongresses … sowie den Kampf der internationalen Bewegung für den Frieden in dieser Zeit publizistisch“ übermittelte. In den Programmen seien „Menschen mit ihrer Weltsicht vorgestellt“ worden, große Namen von Patrice Lumumba über Che Guevara bis Salvator Allende, „die durch die Leidensgeschichte ihrer Völker gegangen sind“. Hörerklubs in Südostasien, Afrika und Lateinamerika, aber auch Hörerpost – durchschnittlich 180 000 Zuschriften p. a. in den 80er Jahren -, Befragungen und zeitweilig ein mehrsprachiges RBI-Journal – all diese Instrumente zur Hörerbindung und zur Analyse stützen Schätzungen, dass der Sender zuletzt weltweit 54 Millionen Zuhörer hatte. Welche technischen Voraussetzungen das ermöglichten, welche Programmplanung und -struktur für den heterogenen Hörerkreis sich entwickelt hatten, welche Prinzipien und Tabus zielgerichteten Sendungen galten oder welche spezifischen Darstellungsweisen angestrebt wurden, all das erörtert Odermann ausführlich oder gibt im Anhang chronologische Überblicksdarstellungen. Den Enthusiasmus und die Arbeit der RBI-Akteure aus 29 Nationen zu würdigen, liegt ihm trotz gebotener Sachlichkeit der Darstellung besonders am Herzen.

Heinz Odermann: Wellen mit tausend Klängen.
Geschichten rund um den Erdball in Sendungen des Auslandsrundfunks der DDR Radio Berlin International.
Vistas Verlag, Berlin 2003,
ISBN 3-89158-372-9, 268 Seiten, 15 Euro.

neh

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Wehrhaft gegen Einschüchterungen

Unternehmen oder ressourcenstarke Einzelpersonen, die unliebsame Stimmen mittels Abmahnungen bis hin zu langwierigen, teuren Prozessen einzuschüchtern und so eine kritische Öffentlichkeit für einen Sachverhalt zu verhindern suchen. Viele Journalist*innen, Forschende oder Umweltaktivist*innen kennen dieses Phänomen unter dem Begriff SLAPP. Eine neue Anlaufstelle in Berlin will für Betroffene Abhilfe schaffen.
mehr »

Neue Anlaufstelle: Erste Hilfe bei SLAPPs

Was tun, wenn man geslappt wird? Ab dem 16. Mai gibt es eine Anlaufstelle für SLAPP -Betroffene. SLAPPs sind unbegründete Einschüchterungsklagen oder missbräuchliche Gerichtsverfahren. Gegen die hat die EU eine Anti-SLAPP-Richtlinie verabschiedet. Binnen zwei Jahren müssen die Mitgliedsstaaten nun die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Hinter der von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Anlaufstelle steht ein breites Bündnis; Ansprechpartner ist Philipp Wissing.
mehr »

KI-Film über düstere deutsche Zukunft

Das dreiminütiges Science-Fiction-Video „Oma, was war nochmal dieses Deutschland?“ hat ein enormes Medienecho ausgelöst. Darin zeigt der Produzent und Podcaster Andreas Loff eine Dystopie aus dem Jahr 2060: eine fiktive rechtsextreme Partei mit dem Namen „Die Blauen“ hat in Deutschland die Macht übernommen und das Land nach massenhaften Abschiebungen vollkommen ruiniert. Eine alte Frau, gesprochen von Anna Thalbach, erzählt ihrer Enkelin an einer fernen Küste, wie es einst mit ihrer deutschen Heimat abwärts ging. Wir sprachen mit dem Macher Andreas Loff über den Film und den Einsatz der KI.
mehr »

Über Rechtsextreme reden – aber wie?

Medien können eine schützende Rolle dabei spielen, rechtsextremen Tendenzen entgegenzuwirken und die Demokratie zu stärken. Handlungsempfehlungen dafür haben Pia Lamberty und Maheba Goedeke Tort im CeMAS-Policy-Brief „Über Rechtsextreme reden? Empfehlungen für die mediale Berichterstattung“ zusammengestellt. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass sich auf der einen Seite rechtsextreme Parteien radikalisieren. Gleichzeitig finde eine gesellschaftliche Normalisierung rechtsextremer Positionen und Erzählungen statt. 
mehr »