Verlagserbinnen

Journalistinnenbund startete das „Medienlabor“ in Hamburg

Bisher war die medienpolitische Debatte von Männern dominiert. Nun setzt der Journalistinnenbund (JB) ein Gegengewicht: Eine Veranstaltungsreihe in Städten, in denen journalistischer Nachwuchs ausgebildet wird. Den Auftakt erlebte das „Medienlabor“ des JB in Hamburg. Das Thema, moderiert von der ehemaligen Chefredakteurin des WDR, Helga Kirchner: „Die Macht der Konzern- und Verlagserbinnen“. Die Akademie für Publizistik mit ihren 80 Plätzen war am 14. März ausgebucht.

 

Foto: Günther von der Kammer
Foto: Günther von der Kammer

Mit Yvonne Bauer vom Bauer-Verlag und Julia Latka vom J. Latka-Verlag saßen zwei Erbinnen von Zeitschriften-Verlagen, mit Susanne Schüssler vom Wagenbach-Verlag und Katharina Meyer vom Merlin-Verlag zwei Buchverlegerinnen auf dem Podium. Helga Dierichs dagegen hatte es ausgeschlagen, den Kasseler Verlag der HNA und die Dierichs-Mediengruppe zu übernehmen. Sie wurde Radio- und TV-Autorin und hat ihr Erbe in Stiftungen eingebracht. Das Ja zur Fortführung der Geschäfte kam Julia Latka und Katharina Meyer erst spät über die Lippen, erst nachdem sie einen anderen Beruf angefangen hatten und dann ihre Perspektiven überdachten.
Yvonne Bauer (Jg. 1977) stellte sich so dar. „Ich dachte, ich mach etwas ganz Rebellisches, als ich in einem Buchverlag anfing.“ Nach dem Volontariat bei Hoffmann und Campe wurde sie 2005 dann doch Trainee im väterlichen Konzern. Für manche sah das so aus, als sei sie wie ihre Schwestern Mirja, Nicola und Saskia frühzeitig in die Arbeit im Familienunternehmen eingeübt worden. Sie selbst gibt sich in Hamburg erstaunt. „Obwohl ich mir nach meinem Germanistik-Studium nicht vorstellen konnte dort zu arbeiten, machte mir der Vertrieb Spaß.“ 2007 wurde sie mit 33 Vertriebs-Chefin des Verlags. 2011 übernahm sie 85 Prozent der Kommandit-Anteile eines verschachtelten Konzerns, der 570 Zeitschriften und 300 digitale Produkte herstellt und 50 Radio- und TV-Stationen betreibt. Der Vater ist an ihrer Seite, die 36jährige hat jedoch das letzte Wort bei Entscheidungen in einem der größten Medienhäuser Europas mit einem Umsatz von über zwei Mrd. Euro. Ist Macht sexy? „Ja!“, antwortet sie emphatisch, um schnell hinzuzufügen, das sei schon eine verantwortungsvolle Aufgabe, so ein Haus zu führen. Sie sei die Toughste der vier Schwestern, ist zu lesen, streng, kühl, ehrgeizig und mutig. Im medienpolitischen Diskussionsforum des Journalistinnenbundes dagegen wirkt sie scheu. „Ich durfte nie selbst entscheiden, welches Blatt ich lesen wollte“, gibt die Verlegerin von Tina und Neue Post zu, als sie nach ihrer eigenen Lektüre in der Jugend gefragt wird.
„Als Erbin kann man sich nicht fort-entwickeln“, sagt Sibylle Plogstedt, Mitglied der JB-Vorbereitungsgruppe, „es geht nur gemeinsam mit Vater und Mutter“. Die Autorin von „Abenteuer Erben“ (Reclam 2011) hat in einer großen Recherche Familienkonflikte näher beleuchtet. Julia Latka, deren Vater noch 52 Prozent der Verlagsanteile hält, sieht das gelassen. Die Vater-Tochter-Konstellation sei dabei doch günstig. Da gebe es weniger Hahnenkämpfe zu bestehen als zwischen Vater und Sohn. „In die Beziehung zu den Autoren kann man nicht hineinwachsen, die sind persönlich“, sagt Katharina Meyer, „in die Führungsrolle schon. Auch so ein kleiner Verlag wie der Merlin-Verlag muss geführt werden.“ Susanne Schüssler, die den Verlag ihres Mannes Klaus Wagenbach übernommen hat, tut dies, auch gezwungenermaßen, ganz anders als er. Sie begann im Jahr 2000 im Verlag, als Bücher sich nicht mehr so leicht verkauften wie zu seiner Zeit.
Die Verlegerinnen steuern heute ihr Schiff durch bewegte Wasser. „Wie mein Großvater aus Anzeigenblättern Qualitätszeitungen gemacht hat“, sagt Helga Dierichs, „so werden künftig aus Qualitätszeitungen wieder lokale Blätter. Es geht nicht mehr um den öffentlichen Disput.“ Susanne Schüssler stimmt ihr in der Einschätzung zu, aber: „Es gibt Gegenöffentlichkeiten im Internet.“ Das ist die gute Seite einer Entwicklung, die zugleich für die Verlegerinnen eine große Herausforderung ist. „Es gibt textbasierte Bücher für ein breites Publikum, die sind schon E-Books, es gibt aber auch Inhalte, die werden nie ein E-Book werden“, sagt Susanne Schüssler, „und grafisch anspruchsvolle E-Books können noch nicht gemacht werden. Es wird immer behauptet, die Verleger sind der Technik nicht gewachsen, dabei ist es umgekehrt: Die Technik ist uns nicht gewachsen.“
„Mobile Endgeräte und unsere Fotostrecken darauf – das ist noch nicht so weit“, klagt auch Julia Latka. Yvonne Bauer dagegen kann gelassen sagen: „Wir bleiben Print und werden auch digital. Dabei sehen wir uns nicht als Online-Händler. Dieses Verständnis ist wichtig, damit Redakteurinnen und Onlinefachleute inhaltlich und technisch zusammenarbeiten können.“
Was in der „Vorstellungsrunde“ nur angerissen wurde, konnte im kleinen Kreis mit je einer der Eingeladenen vertieft werden. Der Journalistinnenbund wählte für das medienpolitische Forum ein innovatives Format und schaffte so eine dichte Atmosphäre. Nach den Abschlussfragen im Plenum blieben viele, um bei Getränk und Gebäck die eigenen Eindrücke austauschen zu können.

 

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