Youth Media Convention auf Fahrt zum Wirtschaftsjournalismus
Lässt sich Wirtschaftsjournalismus in vier Thesen fassen? Zumindest lässt sich eine breite Diskussion damit in Gang bringen. Der Hamburger Print- und Fernsehjournalist Wulf Beleites beobachtete bei der diesjährigen Youth Media Convention „Wellen schlagen“ amüsiert, wie seine vier Thesen aus dem Eröffnungsreferat immer wieder auftauchten und bis zur Schlussdiskussion den Kurs mitbestimmten. Vom 15. bis 17. April waren rund 100 junge Leute, Referenten und Organisatorinnen zwischen Kiel und Oslo unterwegs, um auf Einladung der Jugendpresse Deutschland, der dju in ver.di und der Friedrich-Ebert-Stiftung über Wirtschaftsskandale, Wirtschaftsmedien und PR zu diskutieren.
„Früher haben wir Politikredakteure die Wirtschaftsjournalisten gar nicht für voll genommen. Heute sind Wirtschaftsthemen die Aufmacher“, fasste Wulf Beleites seine Beobachtungen zusammen. In seinem Vortrag „Medien und Wirtschaft – Symbiose oder Parasitismus“ stellte er vier Thesen vor, die in der Debatte auf der „Kronprins Harald“ immer mitsegelten – sei es als Gegen- oder Rückenwind. Hier die Thesen: „Der Wirtschaftsjournalist muss sich als ein politischer Journalist verstehen und umgekehrt. Presse- und PR-Abteilungen sowie Lobbyisten wirken besonders auf die Wirtschaftsressorts ein. Wirtschaftsberichterstattung hat einen Nutzwert, daher ist sie besonders anfällig für die PR-Branche. Wirtschaftsressorts sind die Hauptschnittstelle zur Anzeigenabteilung.“
Kritische Berichterstattung
Wirtschaftsjournalisten seien nicht besonders anfällig, sondern besonders kritisch, hielt Dr. Wolfgang Mayer, Wirtschaftsredakteur der Nürnberger Nachrichten dagegen. Schließlich wüssten sie nur zu gut, dass sie ständig aufs Kreuz gelegt werden sollen. Auch Uli Röhm vom ZDF argumentierte gegen Beleites‘ Behauptung, kritischer Wirtschaftsjournalismus sei nicht erwünscht, da er die Anzeigenkunden vergraule. Der Mainzer „WISO“-Redakteur schilderte, dass sich in den vergangenen Jahren das Werbeumfeld von „WISO“ zum hochpreisigen Segment hin entwickelt habe, trotz kritischer Berichterstattung. Denn in den Zuschauern von Wirtschaftsmagazinen und in den Lesern von Wirtschaftsnachrichten in Print oder Online vermuten die Werber aufgeschlossene und kapitalkräftige Kunden.
Für den Wirtschaftsjournalisten sei es in erster Linie wichtig, zu hinterfragen, wer welche Informationen an wen mit welchem Ziel leite. „Wenn mir jemand etwas in der Kneipe steckt, dann ist das nicht schwer zu erraten. Aber wir erhalten immer mehr anonyme Hinweise“, erzählte Röhm. Die Quellen zu analysieren rät auch Björn Sievers von der Wirtschaftsredaktion bei Focus online. Das habe er als Historiker im Studium gelernt und es sei heute noch ein wichtiges Prinzip für den Wirtschaftsjournalist.
Wirtschaftsjournalisten müssten darum kämpfen, sich die Zeit nehmen zu können, um Pressemitteilungen nicht einfach nur für das Medium zu verarbeiten, sondern diesen PR-Statements eigene Recherchen entgegen setzen zu können, forderte Sebastian Möricke-Kreutz, Entwicklungsredakteur bei „ecolot.de“, der „Wirtschaftsschwester“ des „Perlentauchers“. Und damit bei neugegründeten Wirtschaftsmedien Werbung und redaktionelle Berichterstattung von Anfang an sauber getrennt seien, riet Stefan Klingberg, der junge Gründer des Häfft-Ver-lags, in den Kreis der Journalisten immer jemanden aufzunehmen, der oder die sich ausschließlich um Werbung und Anzeigenakquise kümmert: „Der ehrliche Anzeigenverkäufer hält den Schreibenden den Rücken frei.“
Tests zufolge liegen die Wirtschaftsteile der Zeitungen in der Lesergunst einige Prozent über dem Durchschnitt. „Taucht das Wort ‚Geld’ in der Überschrift auf, geht das Leserinteresse noch mal sprunghaft nach oben“, sagte Mayer nach Reader-Scan-Erfahrung. Sievers verwies gar auf die vierfache Klickzahl der Wirtschaftsartikel im Focus-Internetangebot im Vergleich zu anderen Themen. Beim ZDF zählen die Wirtschaftsredakteure rund 20.000 bis 30.000 Faxabrufe pro Sendung, bei Rententhemen sind es bis zu 100.000 Faxabrufe. Aus zirka 80.000 Zuschauerreaktionen per E-Mail pro Woche entstünden inzwischen gut zwei Drittel der „WISO“-Filme. „Die Häufung der Themen in der Zuschauerpost weist auf die Probleme hin“, erklärt Röhm.
Renaissance der Qualität
Aufgrund dieses Verbraucherinteresses haben Wirtschaftsredaktionen in jüngster Zeit ihre Redaktionen ausgebaut und für Wirtschaftsberichterstattung Platz oder Sendezeit erhöht. Für Mayer liegt die Zukunft der Zeitung sogar im Wirtschaftsjournalismus, von der lokalen bis zur weltweiten Ebene, aber immer mit dem Nutzwert für den Verbraucher im Blick. Dagegen setzte Beleites eher Pessimismus und befürchtet eine weitere Boulevardisierung. Falsch, konterte Röhm, es sei eine Renaissance der Qualität zu beobachten. Glaubwürdigkeit sei bei Verlegern wie in Fernsehkreisen endlich wieder ein Begriff, der ernst genommen werde.