Verlage suchen Multimedia-Spezialisten / Trend zum Outsourcing / Elektronische Stellenbörsen im Kommen
Vom Schlagwort zur Strategie: Für Verlage und Sender ist Multimedia inzwischen mehr als ein bunter Versuchsballon geworden. Die Marketing-Stäbe der Medienunternehmen arbeiten mit Nachdruck daran, ihre Kommunikationsoffensive über mehrere Kanäle profitabel zu machen. Derweil sucht die junge Multimedia-Branche händeringend nach Spezialisten.
Wirtschafts- und Informatikstudenten, die durch tägliches Training am Unirechner Online-Fitneß erlangt haben, sind gefragte Leute in Unternehmen, Agenturen und Verlagen. Denn: „Es ist nicht einfach, qualifizierte Kräfte zu gewinnen“, sagt Gerd Rossbach, Geschäftsführer des auf digitale Technologie spezialisierten dpunkt-Verlages in Heidelberg. Dabei sei Multimedia kein Hexenwerk, sondern durch gute Seminare und fähige Trainer in einer überschaubaren Zeit erlernbar.
Diese Einschätzung bestätigt Stefan Brambach, Online-Redakteur bei 1&1 Telekommunikation in Montabaur. „Online arbeiten, das ist keine hochtheoretische Wissenschaft. Das kann man genauso lernen wie den Ölwechsel an seinem Fahrzeug.“ Allerdings sind die Anforderungen an Netz-Journalisten komplex: „Ein Online-Redakteur ist Journalist, Designer, Setzer und Drucker in einem. Wichtig ist es, die Technik in den Griff zu bekommen, weil man mit spezieller Software arbeitet“, so Brambach, der bei 1&1 überwiegend Aufgaben für T-Online, den Online-Dienst der Deutschen Telekom, übernimmt.
Derzeit erstellt der studierte Diplom-Biologe das Bildschirmdesign für einen Verlag, pflegt Diskussionsforen, indem er zum Beispiel alte Einträge löscht, und er beantwortet online Fragen zum Thema Computer. Stefan Brambachs Schwerpunkt als Online-Redakteur ist eher technisch geprägt. Ein Kollege kümmert sich stärker um Inhalte und schreibt Rezensionen. Aber das unterscheidet den Online-Redakteur vom traditionellen Redakteur: Was er schreibt, wird nicht in die Satzerfassung weitergegeben oder auf Diskette gespeichert, sondern online gebracht. Stefan Brambach: „Bei uns gilt der Grundsatz, daß jeder seine Inhalte selbst ins Netz stellt.“
Zeit ist Geld, und im Zweifel will jeder Verlag Zugpferd und nicht Zögling sein. Doch für die junge Branche Multimedia gibt es derzeit noch zu wenig Spezialisten. Bildungsanbieter haben auf die klaffende Nachfragelücke reagiert und Multimedia-Lehrgänge aus der Taufe gehoben. Abgesehen von der unterschiedlichen und derzeit nur schwer zu beurteilenden Qualität der einzelnen Ausbildungen haben Programmierer, Producer und Publisher jedoch noch nicht in ausreichender Zahl Kurse und Studiengänge abgeschlossen.
Das Angebot an Studien- und Ausbildungsgängen ist im Vergleich zu den wachsenden Aktivitäten in Verlagen und Unternehmen noch recht bescheiden. Hochschulen wie die FH Furtwangen, die ein Studium im Fach Medieninformatik ermöglicht, oder die FH für Druck in Stuttgart, die das Diplom eines Medieningenieurs vergibt, haben keinen Mangel an Nachfrage. Ebenfalls hoch im Kurs steht die erst im letzten Jahr gegründete private Multimedia-Akademie in Friedrichshafen.
Kein Berufsbild, keine Ausbildung, aber starke Nachfrage
Für Online-Redakteure gibt es weder ein offizielles Berufsbild noch eine geregelte Ausbildung. Kurse und Lehrgänge an Hochschulen und privaten Akademien versuchen, den täglich steigenden Bedarf an Multimedia-Fachkräften zu befriedigen. Problem: Durch die Zwitterstellung von journalistischer und technischer Tätigkeit ist gerade für Online-Redakteure eine einheitliche Ausbildungsordnung schwierig.
Computerverlage tun sich bei der Rekturierung von Multimedia-Experten etwas leichter als andere. Denn Redakteure, die lange Zeit über das Thema geschrieben haben, haben sich dadurch ein hohes Maß an Know-how erworben. Häufig vollziehen sie dann durch Learning by doing den Schritt von der Theorie zur Praxis, sprich vom herkömmlichen zum Multimedia-Redakteur.
„Bei uns schreiben Redakteure sowohl für die Printtitel als auch fürs Web“, erzählt Thomas von Göler aus dem Heinz Heise Verlag in Hannover. „Die redaktionelle Aufbereitung im Online Publishing sieht natürlich anders aus, doch unsere Leute haben sich das notwendige Handwerkszeug nach und nach erarbeitet.“
Für Dr. Paul Müller von der Würzburger Vogel Medien Gruppe ist es wichtig, „den Riecher in der Szene zu haben“, um Multimedia-Nachwuchs und qualifizierte Dienstleister zu bekommen. Denn ausgewiesene Fachleute werden von vielen Verlagen umworben. „Es wird sich eine neue Form des Journalismus herausbilden. Multimedia-Redakteure müssen technisch, didaktisch, journalistisch und organisatorisch gut sein.“
Elektronischer Stellenmarkt
Immer beliebter als Rekrutierungsquelle wird der elektronische Stellenmarkt. Auch der Heinz Heise Verlag in Hannover hat zur CeBIT eine Jobbörse gestartet. Für Stellensuchende ist und bleibt dieser Service kostenlos, über Preise für die digitalen Stellenanzeigen wird nachgedacht. Vorerst jedoch ist „die Plattform für alle“, so Heise-Mann Thomas von Göler, ein Gratisangebot. „Auf der Suche nach Fachleuten für Online-Medien liegt es nahe, Stellenanzeigen in Jobbörsen im Netz aufzugeben“, begründet von Göler das Engagement des EDV-Fachverlages.
Auch der elektronische Stellenmarkt „Karriere direkt“, den die Verlagsgruppe Handelsblatt in T-Online installiert hat, ist derzeit ein kostenloses Serviceangebot des Düsseldorfer Unternehmens. „Die Stellenanzeigen aus unseren Printtiteln finden sich auch im Netz wieder. Anwender können sich Anzeigen downloaden“, sagt Helge Hesse, Marketingleiter des Fachverlags der Verlagsgruppe Handelsblatt. Auch eine Kooperation mit anderen Medien und Verlagen ist für die beiden zuständigen Geschäftsführer Raymond Johnson-Ohla und Uwe Hoch ein Thema.
Jobofferten gratis
Bereits einen Tag vor Erscheinen der jeweiligen Ausgabe stellt die „Computerwoche“ ihre aktuellen Stellenangebote ins Internet. Anzeigen aus den letzten vier Wochen sind ständig im Netz verfügbar. Zum Start des elektronischen Stellenmarktes zur CeBIT waren bereits 350 Jobofferten für Fach- und Führungskräfte aus der Informationstechnologie abrufbereit. Nutzer können nach Funktionen und Regionen recherchieren. Abgerundet wird das Angebot der „Computerwoche“ durch Informationen zu Aus- und Weiterbildung, Gehaltsübersichten und Berufsbildern.
Für die Anzeigenkunden des Stellenmarkts ist der Internet-Service der „Computerwoche“ derzeit gratis. Allerdings arbeitet der Verlag gerade an einem Preiskonzept für die Online-Variante der Jobbörse. Karin Giffhorn, Mitglied der Geschäftsleitung im Computerwoche Verlag: „Wir erschließen hiermit einen völlig neuen Kreis von potentiellen Bewerbern, mit dem die Unternehmen sonst kaum in Kontakt kämen.“
Regelfall: Outsourcing
Die Mehrzahl der Verlage setzt bei der Produktion Neuer Medien konsequent auf Outsourcing. „Das ist für einen Verlag unserer Größenordnung die angemessene Strategie. So können wir für die jeweiligen Projekte auf die besten Leute zurückgreifen, die es auf dem Markt gibt“, so Abteilungsleiter Elektronische Medien, Michael Lasowski, aus dem Bielefelder Delius Klasing Verlag, der Multimedia-Leistungen extern einkauft.
Sabine Hoch aus dem Informationsmanagement der Bertelsmann Fachinformation in München bestätigt den Trend zum Outsourcing. „Wir arbeiten sehr oft mit externen Anbietern zusammen“, sagt sie. Dadurch haben auch junge und kleinere Multimedia-Firmen die Chance, mit einem renommierten Verlagshaus ins Geschäft zu kommen. Nach dem Prinzip Learning by doing haben sich in den Verlagen – quasi nebenher zum Tagesgeschäft – Multimedia-Macher entwickelt. Denn oft gibt es keine oder nur wenige Planstellen für elektronisches Publizieren.
Ausnahmen bestätigen die Regel: Der Heinz Heise Verlag hat angesichts attraktiver Marktprognosen richtig Geld in die Hand genommen und eine eigene Abteilung Electronic Publishing aufgebaut. Die Hannoveraner gehen im Netz gleich noch einen Schritt weiter: Für das neue Projekt „Telepolis“ wurden gleich drei Redakteure verpflichtet. Nicht nur als Ergänzung zur Printtitelpalette, sondern als eigenständiges Medium soll das zur CeBIT gestartete Online-Magazin im Internet Erfolg in einem jungen Segment bringen.