Wenig Zuckerbrot, öfter die Peitsche

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Google, Facebook & Co. wollen sich mit Geldzahlungen an Verlage, kostenlosen Seminaren für Journalist*innen und komfortablen Fellowship-Offerten inklusive Auslandstour offenbar eine freundliche Medienberichterstattung verschaffen. Wer sich davon nicht beeindrucken lässt und kritisch über Sicherheitslücken und Datenmissbrauch der Internet-Konzerne berichtet, wird gern drangsaliert oder sogar verunglimpft. Da haben die Netz-Giganten einige Tricks auf Lager.

Am 13. August 2020 haben wir in der Sendung „Forschung aktuell“ im Deutschlandfunk über Sicherheitslücken bei Amazons Sprachassistentin Alexa berichtet. Einer Analyse der israelischen Sicherheitsfirma Checkpoint Research zufolge waren weltweit etwa 200 Millionen Alexa-Geräte betroffen.

Angreifer konnten per Alexa in die Wohnzimmer oder Schlafzimmer der Menschen lauschen, und sie konnten über die Alexa-Konten Schadsoftware installieren. Natürlich haben sich die Deutschlandfunk-Reporter nicht allein auf die Studie der Sicherheitsanalysten von Checkpoint verlassen. Sie haben die Studienergebnisse von unabhängigen IT-Sicherheitsspezialisten überprüfen lassen und selbstverständlich die Pressestelle von Amazon um Stellungnahme gebeten.

Die Amazon-Pressestelle verweigerte gegenüber dem Deutschlandfunk jeden Kommentar und wollte sich zu den Details der Sicherheitslücke nicht äußern. Das haben die DLF-Reporter in ihrem Bericht vermerkt und darüber hinaus darauf hingewiesen, dass ein Amazon-Sprecher laut Deutscher Presse Agentur die Angaben von Checkpoint bestätigt und dabei betont habe, dass die Schwachstelle inzwischen behoben sei.

Am Tag nach der Sendung machte die PR-Agentur von Amazon Ärger. Ein Vorwurf: Der Bericht enthalte „Unstimmigkeiten“. Außerdem gehe aus dem Amazon-Statement hervor, „dass die Schwachstelle behoben ist. Ich bitte Sie, dass in Ihrem Bericht entsprechend anzupassen, da die Aussage sonst irreführend ist“, hieß es.

Viel Arbeit mit Mails verursachen

Da gab es nichts anzupassen, und das haben wir Amazon und ihrer PR-Agentur auch mitgeteilt. Auch wenn ein solcher Vorwurf vollkommen ausgeräumt werden kann, werden Autor*innen und Redaktionen weiterhin mit Mails und gegebenenfalls Schriftsätzen zugeschüttet. Denn je mehr Arbeit der Autor hat, desto eher wird er künftig von kritischer Berichterstattung absehen. So lautet scheinbar das Kalkül der Internet-Konzerne.

Ein „Wiederholungstäter“ in dieser Hinsicht ist Ralf Bremer, „Senior Manager Communications & Site Lead Google Berlin“, also Googles führende Kommunikationsfachverkäufer in Deutschland. An meinem Bericht über eine Studie des Trinity College mit der Überschrift „Google späht Anwender der Corona-Warn-App aus“ auf heute.de vom 24. Juli 2020 bemängelte er „einige Passagen, die nicht den Tatsachen entsprechen oder durch Unterschlagung wesentlicher Aspekte den Leser in die Irre leiten“.

Natürlich habe ich Bremers Vorwürfe mit vielen Zitaten aus der Studie des Trinity College sowie weiteren Belegen und Fakten widerlegt. Das hat mich einen Samstag gekostet. Die lapidare Antwort von Bremer auf meine äußerst umfangeiche Widerlegung seiner Vorwürfe: „Ich will bei Ihrer langen Argumentation – zumal jetzt am Wochenende – gar nicht ins Detail gehen. Natürlich haben Sie sich mit entsprechenden Formulierungen weitgehend abgesichert.“

Es ging Bremer also gar nicht um eine sachliche Auseinandersetzung, gar journalistische Fehler. Auch er wollte einfach nur Arbeit verursachen und dem Autoren deutlich machen: Wer kritisch über Google berichtet, wird mit so vielen Nachfragen und Anwürfen aus der Kommunikationsabteilung behelligt, dass er das künftig unterlässt.

Auch Bremers Hinweis, er sei lange Jahre beim ZDF tätig gewesen, deutet in eine interessante Richtung. Da soll dem Autor wohl klargemacht werden: Ich kenne da die Leute, Du weißt, was das heißt.

Das lief bei einem Bericht über ein „Anti-Urheberrechts-Video der beiden YouTuber Simon Difabachew und Felix Härlen ganz ähnlich. Mit dem Beitrag, der November 2018 auf heute.de erschien, suggerierten die beiden, die Europäische Union wolle YouTube dichtmachen. Google-Kommunikationsfachkraft Bremer sandte sofort Beschwerdemails an Redaktion und Autor, mit denen er unterstellte, hier sei nicht mit der erforderlichen Sorgfalt recherchiert worden. Man kann es auch als Botschaft an den Autor verstehen: Wir machen Dir Arbeit, wir denunzieren Dich und sorgen für ein schlechtes Image in Deiner Redaktion.

Drohung mit publizistischen Hilfstruppen

Damit war ich auch bei einer Recherche über die weltweite Überwachungspraxis von Facebook im März 2019 konfrontiert. Es ging dabei um eine Beobachtungsliste, die die Sicherheitsabteilung von Facebook seit dem Jahr 2008 führt. Menschen, deren Namen auf dieser Liste stehen, werden von Facebook weitgehend überwacht, bis hin zur Ortung ihres jeweiligen Aufenthaltsortes via Smartphone.

Die Presseabteilung von Facebook musste mir die Existenz dieser Beobachtungsliste und die Überwachungspraxis in einem längeren Gespräch bestätigen. Die Belege waren einfach zu erdrückend. Gleichzeitig gab mir eine von Facebook beauftragte PR-Fachkraft den guten Rat, von der Geschichte doch lieber die Finger zu lassen. Und nur zwei Tage nach diesem Gespräch bekam ich Hinweise von Kollegen, die unter anderem im Umfeld von Facebook arbeiten, dass ein Bericht über die Facebook-Überwachung gegenwärtig wohl doch nicht angesagt sei. Die publizistischen Hilfstruppen von Facebook wiesen ganz unverfroren darauf hin, dass solch ein Bericht gegenüber dem DLF entsprechend negativ kommentiert werden würde, und zwar von vielen Hörer*innen! Derartige negative Kommentare würden sicher dem Ansehen des Autors im Funkhaus schaden. Mit diesen Anspielungen verbindet sich offenbar die Erwartung, dass dann ein solcher Bericht aus Angst vor negativer Kritik und Imageschaden nicht veröffentlicht wird.

Journalisten, die sich nicht von Google, Facebook & Co durch Geld oder Drohungen beeindrucken lassen, brauchen ein breites Kreuz. Denn in Sachen Medienbeeinflussung scheuen die Internet-Konzerne, wie diese Beispiele zeigen, keine Mühe.

Der Autor ist freier Journalist und arbeitet vor allem für  Deutschlandradio

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