Erfolgsautor Felix Huby ärgert sich über Fernsehredakteure
«M»: Herr Huby, immer öfter ärgern sich Autoren öffentlich über die Zusammenarbeit mit Fernsehredakteuren. Wie sind Ihre Erfahrungen?
FELIX HUBY: Die sind ähnlich. Ich habe in letzter Zeit zu oft aufgrund der Auflagen von Redakteuren so lange an Büchern gearbeitet, bis sie schließlich sogar hinter die Qualität der ersten Fassung zurückgeworfen wurden, und das halte ich für eine höchst unglückliche, sogar dramatische Entwicklung. Man kann das allerdings nicht generalisieren. Es gibt Häuser, da läuft es gut, und andere, wo alles schlecht organisiert ist und wo man auf geballte Inkompetenz trifft. In vielen Sendern gibt es Leute, die wollen für alles zuständig, aber für nichts verantwortlich sein. Es sei denn hinterher, wenn die Produktion ein großer Erfolg war. Heute konzentriert sich einfach sehr viel Machtfülle in einer Person. Früher waren die Hierarchien flacher. Es wurde ernsthaft und gleichberechtigt diskutiert. Heute habe ich das Gefühl, da geschieht sehr viel per „ordre de mufti“.
«M»: Die Klage „Früher war alles besser“ ist ja nun weder originell noch hilfreich. Wie sähe also eine produktive Alternative aus? Würden Sie das Produzentenmodell bevorzugen, bei dem der Autor enger mit dem Produzenten als mit dem Redakteur zusammen arbeitet?
FELIX HUBY: Es ist zweifelsohne das bessere Verfahren. Es gibt ja Länder, da spielt der Redakteur keine Rolle. Da ist der Produzent verantwortlich für das Werk, das er abliefert. Das halte ich für eine vernünftige Lösung. Allerdings sollte man dann den Produzenten in jeder Hinsicht mehr in die Verantwortung nehmen und ihm auch mehr Rechte zubilligen. Natürlich soll er in diesem Fall auch einen größeren Teil des Risikos mittragen. Dafür bekommt er die Möglichkeit, an dem Film zu verdienen, zum Beispiel durch Auslandsverkäufe.
«M»: Führt das nicht zwangsläufig zu noch stromlinienförmigeren Produkten?
FELIX HUBY: Das ist doch jetzt nicht anders. Wer gibt denn für 20.15 Uhr noch ein experimentelles Stück in Auftrag? Dafür ist es dem Sender doch viel zu wichtig, Marktführer zur Hauptsendezeit zu sein. Die Quoten zählen! Es interessiert in den Sendern doch niemanden mehr, ob ein Film gute oder schlechte Kritiken hat. Natürlich sorgt man hier und da noch für Alibis, aber eine „Heimat 4“ wird es nie geben.
«M»: „Traumschiff“-Produzent Wolfgang Rademann hat kürzlich erklärt, warum er nie für einen Privatsender gearbeitet habe: „Wenn ein 23-jähriger Redakteur einem alten Hasen wie mir das Fernsehen erklären will, dann ist das Magengeschwür nur eine Frage der Zeit.“
FELIX HUBY: Da ist was dran. Ich bin jetzt 66, die Redakteure sind zum Teil unter 30. Neulich hat eine 27jährige Redakteurin zu mir gesagt: „Sie haben die einfachsten Regeln der Dramaturgie nicht begriffen“. Ich habe den Eindruck, viele Redakteure betrachten die erste Fassung eines Drehbuches als Knetmasse. Sie haben zwar selbst keine originären Eingebungen, verlieben sich aber in die Ideen, die ihnen angesichts der Geschichte einfallen. Ich sage immer öfter in solchen Drehbuchbesprechungen: „Wir spielen hier nicht „Wünsch‘ dir was'“. Redakteure waren früher als Dramaturgen Helfer des Autors. Das ist heute anders. Heute arbeiten sie nach der Devise „Wer zahlt, schafft an“.
«M»: Sie schreiben jetzt viel fürs Theater. Hängt das damit zusammen?
FELIX HUBY: Ich erlebe da einen völlig anderen Umgang. Der Dramaturg hilft dem Autor, sich selber zu verstehen, weist ihn auf Irrtümer hin, wie es ja auch die Aufgabe eines Lektors beim Buchverlag ist. Beide, Lektor wie Dramaturg, haben dem Autor oder zumindest seinem Werk gegenüber eine völlig andere Wertschätzung. Das ist beim Fernsehen verloren gegangen. Einige Kollegen, darunter äußerst renommierte, haben bereits gesagt, sie würden sich das nicht länger gefallen lassen.
«M»: Ist das auch eine Frage von mangelndem Respekt eines Anfängers vor dem alten Hasen?
FELIX HUBY: Nein, das hat eher mit dem ungeheuren Quotendruck zu tun. Im Grunde genommen steht ja jeder, der heute fürs Fernsehen arbeitet, unter diesem Druck. Deshalb tauchen im Vorfeld oft Skrupel und Ängste auf, die überhaupt nicht nötig wären. Gerade bei neuen Projekten wird vieles einfach tot diskutiert, weil man die Drehbücher irgendwelchen Parametern unterwirft, die gar keine allgemeine Gültigkeit besitzen. Jeder Redakteur schafft sich eigene Kriterien, hat aber zugleich Zweifel, ob sie überhaupt richtig sind.
Interview: Tilmann Gangloff
Vielschreiber und Multitalent
Felix Huby (66) ist ein Multitalent. Kaum ein anderer deutscher Schriftsteller seines Renommees hat derart viele Romane, Kinder-, Sach- und Drehbücher veröffentlicht. In jüngerer Zeit widmet er sich vermehrt Theaterstücken (zuletzt „Grüß Gott, Herr Minister“). Zu seinen Fernseherfolgen gehört „Oh Gott, Herr Pfarrer“. Viele seiner Schöpfungen haben einen unübersehbar regionalen Charakter. Bekannteste Figur ist der Stuttgarter Hauptkommissar Bienzle. Huby, geboren im schwäbischen Dettenhausen bei Tübingen, begann seine Laufbahn unter dem bürgerlichen Namen Eberhard Hungerbühler als Lokalredakteur bei der „Schwäbischen Donauzeitung“ (heute „Südwestpresse). Später war er unter anderem Chefredakteur der Warentestzeitschrift „DM“ und schließlich „Spiegel“-Korrespondent. Als Hungerbühler begann, Unterhaltungsliteratur zu verfassen, soll „Spiegel“-Chef Rudolf Augstein ein Pseudonym verlangt haben.
tpg