Whistleblower: EU will besseren Schutz

Der italienische Künstler Davide Dormino machte sich - wie mittlerweile viele Passanten europaweit – zum Teil seiner Installation "Anything to Say?". Die Skulptur symbolisiert die Whistleblower Edward Snowden, Julian Assange and Chelsea Manning, hier stand sie auf einer globalen Tour im September 2015 vor dem europäischen UN-Sitz in Genf.
Foto: Reuters/Pierre Albouy

Nicht selten bringen Whistleblower_innen sich bei der Aufdeckung von Missständen in ihrem Unternehmen um ihren Arbeitsplatz und ihre Zukunft oder sonst in Gefahr. Denn bisher sind Informant­_innen weder in Deutschland noch in der EU rechtlich geschützt. Das soll sich in Bezug auf die EU ändern, wenn es nach der Meinung der Europa-Parlamentarier geht. 

Am 24. Oktober wurde von den Parlamentariern in Straßburg eine Entschließung zum EU-weiten Schutz von Whistleblower_innen verabschiedet. Bislang gibt es im EU-Recht noch keine generelle Regelung zum Schutz von Whistleblower_innen, auf die sich jede_r Informant­_in in den Mitgliedsstaaten berufen könnte. Doch können die EU-Grundrechte für Whistleblower_innen relevant sein, allerdings nur im Rahmen der Anwendung des EU-Rechts oder des Tätigwerdens von EU-Institutionen. Für deren Beschäftigte gibt es sogar spezielle Whistleblower-Regelungen im EU-Beamtenstatut. Was fehlt, ist ein EU-weiter Schutz von Whistleblower_innen.

Zu dieser Einsicht ist in den letzten Monaten – nach Jahren des Verweigerns oder doch zumindest Ignorierens – auch immer stärker die EU-Kommission gekommen. Auslöser war hier ihre Rolle als Kontrollinstitution im Kampf gegen Korruption, Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Nicht zuletzt hat eine europaweite Petition „Whistleblower brauchen EU-Schutz“ mit mehr als 80.000 Unterzeichner_innen – in Deutschland vom Gewerkschaftsdachverband DGB getragen – den Erkenntnisprozess befördert.„Whistleblower können eine Schlüsselrolle beim Kampf gegen Geldwäsche, Betrug oder Korruption spielen. Wir müssen vorsichtig abwägen, wie wir weiter voranschreiten und auf welcher Ebene wir handeln sollten, um sie zu schützen“, erklärte Věra Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, im März beim Start einer öffentlichen Konsultation zum Schutz für Whistleblower_innen, die im Mai 2017 abgeschlossen wurde.

Ganz so zögerlich wollen es die Europaabgeordneten allerdings nicht angegangen wissen. Das Europäische Parlament nahm mit 399 Stimmen bei 101 Gegenstimmen und 166 Enthaltungen eine „Entschließung über legitime Maßnahmen zum Schutz von Hinweisgebern, die aus Gründen des öffentlichen Interesses vertrauliche Informationen über Unternehmen und öffentliche Einrichtungen offenlegen“ (Abstimmungsentwurf) an. Darin konstatierte das Parlament, dass der Schutz von Informanten_innen in der EU lückenhaft und unzureichend sei, und forderte die EU-Kommission auf, noch in diesem Jahr Regelungen vorzuschlagen, die einen EU-weiten Schutz gewährleisten. „Hinweisgeber, die im öffentlichen Interesse handeln, verdienen angemessenen Schutz und Unterstützung“, heißt es.

Die Abgeordneten haben in ihrer Entschließung alle EU-Länder aufgefordert, zum Schutz von Whistleblower_innen Berichterstattungsmechanismen einzuführen, um interne Enthüllungen an Nichtregierungsorganisationen oder die Presse zu erleichtern. Sie verlangen Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen, einschließlich Sanktionen gegen diejenigen, die versuchen, Hinweisgeber_innen zum Schweigen zu bringen, sowie unterstützende Maßnahmen, wie Rechts- und Finanzhilfe, psychologische Betreuung und Schadensersatz für Informanten_innen.

„Luxleaks, Panama Papers, Monsanto Papers… Dank der Hinweisgeber konnten unsere demokratischen Regeln verbessert werden. Trotz ihrer unersetzlichen Unterstützung der Pressefreiheit und der demokratischen Debatte sind sie immer noch Opfer schwerer Repressalien“, sagte die französische Parlamentsberichterstatterin Virginie Rozière von der sozialdemokratischen S&D-Fraktion nach der Abstimmung. „Mit dieser Entschließung fordern wir die Einführung von Regeln zum Schutz von Informanten und ihren Rechten, die Bürger direkt zu informieren.“

Auch der beim Whistleblower-Schutz sehr engagierte DGB hat sogleich positiv reagiert. „Es ist ein gutes Signal, dass das EU-Parlament heute die Kommission aufgefordert hat, eine eigenständige europaweite Whistleblower-Regelung in die Wege zu leiten“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „Eine künftige europäische Regelung muss international geltende Standards umsetzen, indem sie die Meinungsfreiheit fördert, den Schutz vor Benachteiligungen im Arbeitsleben sicherstellt und klare Regeln für mehr Transparenz im Wirtschaftsleben schafft.“

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Journalismus unter KI-Bedingungen

Digitalkonzerne und Künstliche Intelligenz stellen Medienschaffende vor neue Herausforderungen. „KI, Big Tech & Co. – was wird aus dem Journalismus?“ lautete folgerichtig der Titel der 11. Medienpolitischen Tagung von ver.di und DGB am 16. Oktober in Berlin. Über 80 Wissenschaftler*innen, Rundfunkräte und Journalist*innen informierten sich auch über den aktuellen Stand der Debatte über den neuen Medien“reform“staatsvertrag.
mehr »

Nachrichten gegen Desinformation

Über 800 Medien wie Reuters, die Washington Post, Zeit Online und AFP unterstützten den diesjährigen World News Day, der zeitgleich mit dem UN-Tag für den universellen Zugang zu Information, am 28. September gefeiert wird.  „Journalismus ist das Sicherheitsnetz unserer Gesellschaft, sagte David Walmsley, Gründer des Weltnachrichtentages und Chefredakteur der kanadischen Zeitung Globe and Mail. Dieses Sicherheitsnetz hat Risse und hängt fast überall in der Welt am seidenen Faden - und mit ihm alle freien Gesellschaften. Deshalb schlägt Walmsley Alarm. Unterstützt wird er vom Weltverband der Nachrichtenmedien (WAN-IFRA), dem World Editors Forum, der Canadian Journalism…
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »

Klimaleugnung in den Medien

Rechtspopulistische Bewegungen machen weltweit mobil gegen den Klimaschutz. Sie zeigen sich „skeptisch“ gegenüber dem Klimawandel und lehnen klima- und energiepolitische Maßnahmen ab. Ein Widerspruch: Obgleich „Klimaskepsis“ und die Leugnung des menschengemachten Klimawandels vielfach zentrale Positionen der politischen Rechten markieren, existieren auch gegenläufige Tendenzen in Bezug auf Umwelt- und Naturschutz. Denn auch Rechte waren stets in Umweltbewegungen zugegen. Das hat Tradition.
mehr »