Ein Gesetzentwurf zur Umsetzung der umstrittenen EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen aus dem Hause der neuen Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) setzt Whistleblowern einem hohen Klagerisiko aus, weil die europäischen Vorgaben nicht genau beachtet werden. Schon während des Gesetzgebungsverfahrens in der EU hatten Kritiker befürchtet, dass der stärkere Schutz von Geschäftsgeheimnissen zu einer „Einschränkung von Presse- und Informationsfreiheit auf europäischer Ebene“ führen würde. „Journalistinnen und Journalisten hätten ebenso wie Whistleblower massive rechtliche Konsequenzen aus Enthüllungen zu befürchten“, hatte die dju in ver.di gewarnt.
Letztlich verankerte das Europäische Parlament Ausnahmen im Richtlinienentwurf „zur Ausübung des Rechts der freien Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit …, einschließlich der Achtung der Freiheit und der Pluralität der Medien, zugunsten des investigativen Journalismus, „Offenlegung durch Arbeitnehmer gegenüber ihren Vertretern im Rahmen der rechtmäßigen Erfüllung der Aufgaben“ (Betriebsräte und Gewerkschaften) und – für das Whistleblowing im Allgemeinen – „zur Aufdeckung eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens oder einer illegalen Tätigkeit, sofern der Antragsgegner in der Absicht gehandelt hat, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen“. Diese Ausnahmen wurden im Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Gesetz „zum Schutz vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung“ vom Ende März 2018, den netzpolitik.org veröffentlicht hat, fast wörtlich übernommen.
Nicht beachtet hat man dabei den für Whistleblower entscheidenden Erwägungsgrund 20 der EU-Richtlinie vom 5. Juni 2016, in dem es heißt, die „in dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe sollten nicht dazu dienen, Whistleblowing-Aktivitäten einzuschränken. Daher sollte sich der Schutz von Geschäftsgeheimnissen nicht auf Fälle erstrecken, in denen die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses insoweit dem öffentlichen Interesse dient, als ein regelwidriges Verhalten, ein Fehlverhalten oder eine illegale Tätigkeit von unmittelbarer Relevanz aufgedeckt wird.“
Für diesen stärkeren Schutz von Whistleblowern hatte sich insbesondere auch die Grüne Fraktion im Europaparlament eingesetzt. Und so sieht der Sprecher der Europagruppe der Grünen, Sven Giegold, im Gesetzentwurf einen „Schlag ins Gesicht derer, die im öffentlichen Interesse handeln.“ Der EU-Abgeordnete verweist darauf, dass viele Hinweisgeber „nicht nur aus rein selbstlosen Motiven“ handeln. Wenn Whistleblower nur vor Strafen geschützt sein sollen, wenn sie in der Absicht handeln, das öffentliche Interesse zu schützen, wären sie schlechter geschützt, als es das europäische Recht verlangt. „Maßstab für den Schutz von Whistleblowern sollte das Ergebnis, nicht das Motiv ihres Handelns sein. Daher will das europäische Recht den Schutz aller Whistleblower, die im öffentlichen Interesse handeln“, so Giegold. „Eine Gesinnungsprüfung war ausdrücklich nicht Absicht des europäischen Gesetzgebers.“
Auch Rainer Frank, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Hinweisgeber bei Transparency International, warnt in der Süddeutschen Zeitung davor, die Aufdeckung nur bei „hehren Zielen“ zu erlauben. „Die offenlegende Person muss mit dem Motiv handeln, die Öffentlichkeit auf einen Missstand hinzuweisen, um zu einer gesellschaftlichen Veränderung beizutragen“, heißt es sogar in der Begründung im Referentenentwurf. „Die Absicht, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen, muss dabei das dominierende, nicht jedoch das ausschließliche Motiv sein.“ Dies könne auch in einem gerichtlichen Verfahren „einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden“.