Funktionierende Partnerschaften – Journalistenbüros in Deutschland
Eine aktuelle Online-Befragung unter Journalistenbüros in Deutschland zeigt: Wenn sich freie Journalisten in einem Büro zusammenschließen, dann kann diese Kooperation die verschiedensten Formen annehmen. Die Möglichkeiten dafür sind in den letzten Jahren enorm gestiegen, der Erfolg jedoch nicht immer garantiert. Auch wenn sich in Krisenzeiten das Umfeld der Auftraggeber verändert, eine funktionierende Partnerschaft bringt das so schnell nicht auseinander. Das bestätigt eine Studie der Autorin Maxie Thielemann aus Leipzig.
Die Zahl der Journalistenbüros in Deutschland ist ungezählt, eine Definition schwer möglich, die Forschungen zum Thema gehen gegen Null. Mitte der 1980er Jahre noch als neues „Phänomen“ beschrieben, finden sich heute nach kurzer Internetrecherche allein über 100 Websites von Redaktions-, Medien- und Journalistenbüros. In einer 2009 veröffentlichten Studie über freie Journalisten gaben 19 Prozent der Befragten an, in einem Journalistenbüro oder in einer Redaktionsgemeinschaft zu arbeiten. Sie finden unter dem Deckmantel einer Arbeitsgemeinschaft berufliche und persönliche Vorteile, wie psychischen Rückhalt, Arbeitsteilung oder auch Motivation und Inspiration. Die Masterarbeit an der Universität Leipzig hat sich nun mit der Organisation und Ökonomie von Journalistenbüros auseinandergesetzt, auch in Bezug auf die aktuellen Veränderungen in der Medienwirtschaft. Die Ergebnisse der Online-Befragung unter 63 Büros zeigen, das typische Journalistenbüro gibt es nicht.
Journalistenbüros sind breit im gesamten Bundesgebiet verstreut, siedeln sich aber vor allem dort an, wo das Mediengeschäft brummt: in Nordrhein-Westfalen, in Hamburg und Berlin. Doch kaum eines ähnelt dem anderen. Da finden sich in manchen Bürogemeinschaften gerade mal zwei Kollegen zusammen, in anderen arbeiten bis zu 30 feste und freie Mitarbeiter. Die werden manchmal von einem Büroleiter zusammengehalten, manchmal verteilt sich die Verantwortung auf mehreren Schultern oder alle Mitarbeiter sind gleichberechtigt. Was alle miteinander verbindet: im Journalistenbüro sammeln sich Freiberufler, die ihre Vorstellung von einem perfekten Arbeitsplatz zwischen fester Redaktion und freiem Einzelgängertum verwirklichen wollen. Und scheinbar arbeiten die Kooperationen genau dann am besten, wenn jeder seine Fähigkeiten voll einsetzen kann und sich diese innerhalb der Gruppe ergänzen. Betrachtet man Journalistenbüros anhand von organisatorischen und ökonomischen Merkmalen, dann lassen sich in einem groben Raster sechs Typen voneinander unterscheiden.
Journalistenbüros des Typs „Redaktion“ ähneln am ehesten einer typischen Zeitungsredaktion. Als zentrale Anlaufstelle dient das gemeinsame Büro, wo die Mitarbeiter an ihren Schreibtischen sitzen und sich regelmäßig zu Redaktionssitzungen treffen. Meistens bedienen diese Büros nur eine bestimmte Medienbranche, konzentrieren sich auf wenige Themengebiete oder spezialisieren sich auf eine bestimmte Region. Auch die Journalistenbüros des Typs „Expertenrunde“ zeichnen sich durch ihren besondern Themenfokus aus. Ob nun Wirtschaftsberichterstattung, Sportjournalismus oder Reisereportagen, diese Journalistenbüros sind Experten auf ihrem Gebiet. Die Mitarbeiter bündeln Informationen und halten sich so auf dem neuesten Stand ihres Fachs. Im Grad der Spezialisierung ähneln sie den „Redaktionen“, doch sind sie weniger stark organisiert. Ein gemeinsames Büro oder regelmäßige Redaktionskonferenzen sind für die Zusammenarbeit nicht zwingend notwendig. Beim Typ „Dienstleistungscenter“ verhält es sich genau umgekehrt. Hier möchte sich ein Journalistenbüro nach außen professionell präsentieren, wofür sich eine gemeinsame Zentrale als Anlaufstelle anbietet. Thematisch sind die Mitarbeiter eines „Dienstleistungscenters“ möglichst breit aufgestellt. Dabei werden weder verschiedene Medien noch Themengebiete gescheut und darüber hinaus auch Dienstleistungen in den Bereichen Webdesign, Übersetzungen oder PR angeboten. „Wir suchen individuell nach anderen Einnahme-Möglichkeiten (z.B. als Unternehmensberater)“, schreibt ein Mitarbeiter eines Journalistenbüros aus Nordrhein-Westfalen. Ähnlich wie der Typ „Dienstleistungscenter“ arbeiten die Journalistenbüros des Typs „Allrounder“. Für jeden potentiellen Kunden aus jeder Medienbranche haben die „Allrounder“ etwas parat: sei es ein Auslandsbericht, eine komplett gestaltete Zeitungsseite oder Werbetexte. Ein Hamburger Journalistenbüro umschreibt das so: „Die Bündelung verschiedener Fähigkeiten erweitert schlagartig das mögliche Aufgabengebiet“. Dann können auch schon mal bis zu 150 Kunden bedient werden. Insgesamt bieten sich für diesen Typ weniger feste Kooperationsformen an, deren Offenheit es ermöglicht, die „Fühler in alle Richtungen auszustrecken“.
Auch die Journalistenbüros des Typs „Marke“ legen weniger Wert auf feste Verbindungen, gemeinsame Räumlichkeiten oder regelmäßigen Austausch, als vielmehr auf die Wirkung einer Marke, „die einzig zum Ziel hat, gemeinsame Akquise und Außen darstellung zu realisieren“, wie der Mitarbeiter eines nordrhein-westfälischen Journalistenbüros erklärt. Unter diesem Dach profitieren die einzelnen Kollegen von den gemeinsamen Kontakten, arbeiten sonst jedoch am ehesten in losen Netzwerken, sprechen sich über große Entfernungen per E-Mail, Messenger, Chat oder Videokonferenz ab. Ihr Themenspektrum ist schon durch die geografische Verteilung eher breit aufgestellt. „Die klassische Bürogemeinschaft“ ist schließlich der Typ, der sich am schwersten von den anderen abgrenzen lässt, da er von allen etwas in sich vereint. Hier treffen sich die Mitarbeiter häufig im gemeinsamen Büro, sind aber nicht so straff organisiert wie die „Redaktionen“. Thematisch haben sie sich auf bestimmte Themengebiete und Medien spezialisiert, bieten aber längst nicht so ein breites Spektrum wie die „Allrounder“. Jeder Mitarbeiter kann sich mit seinen thematischen und medialen Vorlieben einbringen. Damit sind diese Journalistenbüros in ihrer Struktur besonders flexibel.
Der Medienmarkt verändert sich. Festangestellte klagen über Outsourcing, Leiharbeit, Tarifumgehungen, freie Journalisten dagegen über Knebelverträge, Bürgerjournalismus und schlechte Zahlungsmoral. Auch in den meisten Journalistenbüros sind die Entwicklungen in der Medienbranche direkt oder unterschwellig zu spüren, doch nicht nur negativ. Denn wenn Verlage oder Rundfunkanstalten ihre Arbeit mehr und mehr auslagern, haben Journalistenbüros plötzlich wieder mehr zu tun. Manche nutzen die gute Auftragslage und erweitern ihren Kundenkreis, „sofern sie sich an die raschen Veränderungen in der Medienszene anpassen können“, wie ein Mitarbeiter eines Leipziger Journalistenbüros klarstellt. Andere Bürogemeinschaften haben mit weniger Aufträgen, gekürzten Honoraren oder neuen medialen Anforderungen zu kämpfen. Sie kämpfen, indem sie mehr arbeiten und sich insgesamt breiter aufstellen, die finanziellen Abhängigkeiten auf mehr Kunden verteilen. Mitarbeiter entlassen und neue einstellen, das wagen die wenigsten. Und das macht Journalistenbüros eben zu dem, was viele so schätzen: zu einem sozialen Verbund. Das Team steht an erster Stelle und wird als letztes aufgegeben, auch in Krisenzeiten. Die meisten Journalistenbüros sehen ihre Zukunft deshalb optimistisch und bleiben ansonsten, wie eine Bremer Kollegin, pragmatisch: „Ja, das Leben geht weiter, wir müssen Geld verdienen, Journalismus ist ein toller Beruf.“