Editorial: Dramatische Gemengelage

Die Medienbranche durchlebt in Corona-Zeiten einmal mehr die Synthese zwischen gesellschaftlicher Rolle und eigener Wirtschaftlichkeit. Klar erkennbar ist die Relevanz zuverlässiger Nachrichtenvermittlung. Die Qualität der Berichterstattung – vor allem des Fernsehens linear und online, aber auch der Zeitungen samt ihrer Onlineangebote – wird geschätzt. Gleich anderen Branchen wirkt Corona mit seinen Sicherheitsregelungen jedoch auch in diesem Sektor wie ein Brennglas und lässt vorhandene Probleme und Tendenzen deutlicher zutage treten. Entwicklungen beschleunigen sich oder werden im Fahrwasser der Pandemie bewusst vorangetrieben. Mit Blick auf die Digitalisierung der Unternehmen weitgehend ein Positivum.

Die fortschreitende Konzentration von Zeitungen und Zeitschriften zu Lasten der Vielfalt und der Abbau redaktioneller Kompetenz ist dagegen – trotz erheblicher Anzeigenverluste während der Pandemie – kritisch zu sehen. Die Lage der Selbstständigen, deren Arbeit maßgeblich ist für die Medien-, Film- und Kulturproduktion, gerät zwar mehr in den Fokus. Ausreichend – und offenbar wenig nachhaltig – ist das bei Betrachtung aufgelegter staatlicher Hilfsprogramme nicht. Über diese teils dramatische Gemengelage berichtet M im Schwerpunkt dieser Ausgabe 3/2020 und wagt einen fragenden Blick in die Zukunft, etwa nach der Finanzierung des Journalismus. Noch mehr zum Thema finden interessierte Leser*innen unter dem Stichwort „Corona“ in M Online.

Die Wahrnehmung journalistischer Produkte wird nicht zuletzt durch deren Bild-Gestaltung bestimmt. Schnelle Schnappschüsse und Bildmontagen überfluten das Netz. Symbolfotos ersetzen – auch in Zeitungen – oft die direkt vor Ort aktuell aufgenommene Fotografie. Wie in einem solchen Fall „bildethische Fragestellungen virulent werden“, wird in der dritten Folge der „Bildkritik“ (S. 4) erläutert.

Jubiläen fallen im Corona-Jahr leider weniger feierlich aus, aber es gibt sie. Die MedienGalerie von ver.di bereichert seit 25 Jahren die politische Kulturszene der Hauptstadt, ist zudem ein Ort der Begegnung von Gewerkschaftsmitgliedern (S. 28/29). Shutdown-bedingt musste sie einige Monate schließen. Anstatt im Mai wurde die Jubiläumsausstellung „Zeichen-Setzen – BildSprache für eine bessere Welt“ nun am 3. September eröffnet und kann noch bis zum 23. Oktober angesehen werden.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »

Klimaleugnung in den Medien

Rechtspopulistische Bewegungen machen weltweit mobil gegen den Klimaschutz. Sie zeigen sich „skeptisch“ gegenüber dem Klimawandel und lehnen klima- und energiepolitische Maßnahmen ab. Ein Widerspruch: Obgleich „Klimaskepsis“ und die Leugnung des menschengemachten Klimawandels vielfach zentrale Positionen der politischen Rechten markieren, existieren auch gegenläufige Tendenzen in Bezug auf Umwelt- und Naturschutz. Denn auch Rechte waren stets in Umweltbewegungen zugegen. Das hat Tradition.
mehr »

Schwierige Neuanfänge für Exiljournalisten

Für Journalist*innen im Exil ist es schwer, in ihrem Beruf zu arbeiten. Gerade wenn sie aus Ländern kommen, die wenig im Fokus des öffentlichen Interesses stehen. „Ich gehöre zu den Privilegierten“, sagt Omid Rezaee im Gespräch mit M. Der heute 34-jährige ist 2012 aus dem Iran geflohen, weil er dort wegen seiner Berichterstattung verfolgt wurde.Um einer Gefängnisstrafe zu entgehen, floh er zuerst in den Irak und dann nach Deutschland. Hier lebt er seit neun Jahren und arbeitet als Journalist.
mehr »

Spaniens Justiz kämpft gegen Hetze im Netz

Spanischen Staatsanwälte verstärken ihre Ermittlungen zu Hassverbrechen in sozialen Medien. Denn Rechtsextreme und Rechtspopulisten hetzen zunehmend im Internet. Sie machen Stimmung gegen Zuwanderung, Pressevertreter*innen und einzelne Politiker*innen. Auch das Strafrecht soll daher verschärft werden. Doch das könnte gerade für Medienschaffende zum Problem werden.
mehr »