Editorial: Leservertrauen aufs Spiel gesetzt

Durch das Internet steht die Glaubwürdigkeit journalistischer Berichterstattung dauernd auf dem Prüfstand – inzwischen eine Binse. Und dennoch, wie gehen Journalisten und Verleger mit dieser existenziellen Erkenntnis um? Unterschiedlich!


Auf der einen Seite werden in unzähligen Foren landauf landab Fehler in der journalistischen Arbeit analysiert und diskutiert, Chancen und Grenzen sowie die „Gefahren“ des Netzes unter die Lupe genommen, auch um zu lernen. Offenheit für das „Neue“, den Onlinejournalismus mit interessanten Bild- und Ton-dominierten Darstellungsformen, ist gefordert, wird zunehmend angenommen. Das Ganze hat jedoch noch erhebliches Potenzial: etwa bessere, dem Online-Zeitalter angemessene Arbeitsbedingungen oder auch notwendige Innovationen nicht zuletzt im Lokaljournalismus. Aber auch mehr Selbstreflexion sei in der realen Welt notwendig, in einer „flüchtigen Gesellschaft“, in der alles permanent im Umbruch sei. So der fast 90jährige Zygmunt Bauman vor tausenden Teilnehmern der diesjährigen re:publica in Berlin.

Auf der anderen Seite laufen derzeit erstaunliche Deals zwischen konkurrierenden Medien-Playern. Denn auch Suchmaschinenriese Google mache sich Gedanken um die Zukunft des Qualitätsjournalismus. Mit einigen Millionen für Verlagshäuser wolle man ihm im Internet auf die Beine helfen, selbst in die journalistische Weiterbildung einsteigen, begründet Google seine „Digital News Initiative“. Facebook folgt mit dem Angebot von „Instant Articles“. Nicht wenige nehmen diese Umarmungen angesichts des schnöden Mammons an – darunter auch bis dato heftige Gegner des Suchmaschinenkonzerns Google, dem Missbrauch seiner Marktmacht bei der Online-Suche und auch mannigfache Verletzung des Urheberrechts vorgeworfen werden.
Jedoch was bedeutet diese neue Allianz für die journalistische Unabhängigkeit, fragen Kritiker. dju- Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß sieht darin „eine billige Methode“, mit der Google versuche, einen Platz im Meinungsmarkt und im Journalismus zu erkaufen. „Das Pfund mit dem die Verlage wuchern können, ist das Vertrauen ihrer Leser.“ Das werde beschädigt, erklärt sie im M-Interview.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Zeitschriften: Acht Prozent mehr gefordert

Die erste Runde der Tarifverhandlungen mit dem Zeitschriftenverleger-Verband (MVFP) für die knapp 5.000 Redakteurinnen und Redakteure an Zeitschriften ist am 11. November ohne Ergebnis vertagt worden. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der DJV fordern eine Tariferhöhung um acht Prozent. Außerdem soll der Geltungsbereich des Redakteurs-Tarifvertrages auch auf Journalist*innen in den digital publizierenden Redaktionsbereichen ausgedehnt werden.
mehr »

Kalt gestellt über Jahre

Es ist kaum vorstellbar und doch die aktuelle Situation eines lange Zeit im WDR anerkannten Reporters: Trotz voller Bezüge ist der fest angestellte Energie-Fachjournalist seit drei Jahren kaum auf Sendung. Seine Expertise wird nicht abgerufen. Fragwürdig – noch dazu in diesen Zeiten? Das will er nicht länger hinnehmen. Mit Hilfe des ver.di-Rechtsschutzes wurde beim Arbeitsgericht Köln Klage auf „Schadenersatz wegen Nichtbeschäftigung“ gegen den WDR eingereicht.
mehr »

Aktion für Edmund Wan, China

Mehr als eineinhalb Jahre schmorte Edmund Wan in Untersuchungshaft. Dann wurde der chinesische Journalist in Hongkong vor Gericht gestellt und zu 32 Monaten Haft verurteilt. Zum Verhängnis wurden ihm Kritik an der Regierung sowie eine Spendenaktion zugunsten von jungen Menschen aus Hongkong, die inzwischen in Taiwan leben.
mehr »

Google & Co müssen für Inhalte zahlen

Am Anfang habe sich der Facebook-Konzern „Meta“ kaum bewegen wollen – so beschreiben Vertreter der Presseverlage die ersten Verhandlungsrunden mit dem Tech-Giganten aus den USA zum neuen Mediengesetz in Australien. Seit Anfang 2021 reguliert Australien Online-Plattformen und erzielt damit weltweit wachsende medienpolitische Beachtung.
mehr »