Wer hierzulande Fiction und Animation für Kinder herstellt, muss einen langen Atem haben. Die Produktionsbranche hat ohnehin das Gefühl, dass ihr Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Leistung des Landes nicht genügend gewürdigt wird, aber Produktionen für die jüngste Zielgruppe werden auch bei der Förderung nicht angemessen unterstützt.
Manchmal ist es auch eine Frage der Perspektive, ob ein Glas halb voll oder halb leer ist. Allerdings lassen sich nicht alle Wahrnehmungsunterschiede auf diese Weise erklären. Die Sender, heißt es beispielsweise in der Produktionsbranche, kümmern sich zu wenig um den Bereich Animation. Michael Stumpf, Leiter der ZDF-Hauptredaktion Kinder und Jugend, widerspricht energisch: „Wir werden in den kommenden Jahren so viel Geld in Animation investieren wie schon lange nicht mehr. Das gilt insbesondere für Animation aus Deutschland.“ Auch bei bei Filmen und Serien für Kinder, klagen die Unternehmen, habe das Engagement der Sender deutlich nachgelassen. Als Beleg dienen die Märchenfilme: Als die ARD Weihnachten 2008 ihre Reihe „Sechs auf einen Streich“ startete, waren es in der Tat sechs Filme. Später sank die Zahl auf vier Premieren, schließlich zwei; 2024 gab es nur noch eine Erstausstrahlung. Die inoffiziell geäußerte ARD-Erklärung klingt wie eine Ausrede: Mittlerweile seien halt alle bekannten Märchen verfilmt worden.
Weihnachtsreihe gestrichen
Das ZDF spart sogar noch radikaler: Die beliebte Weihnachtsreihe „Märchenperlen“ wird ersatzlos eingestellt. Ein Grund für die strategische Entscheidung könnte die Fusion der öffentlich-rechtlichen Mediatheken sein: Die beiden Märchenreihen würden sich gegenseitig Konkurrenz machen. Aus kaufmännischer Sicht ist die Entscheidung daher nachvollziehbar. Für Provobis-Geschäftsführer Jens Christian Susa ist das allerdings ein schwacher Trost, selbst wenn er diplomatisch erklärt: „Ich bin stolz darauf, dass wir das Märchenportfolio des ZDF mit unseren Produktionen maßgeblich mitgestaltet haben.“ Das Unternehmen prägt die Reihe mit seinen vielfach ausgezeichneten und dank der Fantasy-Elemente zum Teil sehr aufwändig produzierten Filme seit vielen Jahren.
Aber ist das Beispiel repräsentativ, sparen die Sender generell bei Fiction für Kinder? Nein, sagt Corinna Mehner, Gründerin und Geschäftsführerin von Blue Eyes Fiction („Woodwalkers“) und Mitglied des Gesamtvorstands der Produktionsallianz. Hiesige Animation hingegen sei „sowohl bei Kinofilmen wie auch im Serienbereich sehr hochwertig und entsprechend aufwändig. Den beklagenswerten Sendertrend, sich über den Weg der finanziellen Beteiligung an Koproduktionen preiswerteres Programm zu beschaffen, beobachten wir schon länger.“
Anders als etwa in Frankreich muss in solchen Fällen keine einheimische Firma beteiligt sein. Die Bemühungen der Allianz, das zu ändern, waren bislang vergeblich: „Der Filmbranche wird in der Politik im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen immer noch nicht die Bedeutung beigemessen, die ihr unserer Ansicht nach gerade mit Blick auf Kinder zukommt. Wir haben ein ausgezeichnetes Kreativpersonal, unsere Produktionen strahlen weit über die Landesgrenzen hinaus, aber wir könnten noch viel stärker strahlen, wenn wir mehr Zuspruch aus der Politik hätten.“ Es sei daher unbedingt vonnöten, dass die Finanzierung von Animationsserien auch mit Unterstützung der Politik finanziell stärker gefördert werde: „Geschieht das nicht, sehe ich die Gefahr, dass unser Knowhow verschwinden könnte.“
Ein Problem mit der Wertschätzung
Wie schwierig es ist, wenn sich ein Unternehmen auf Animation spezialisiert hat und zudem für höchste Ansprüche stehen will, erlebt Ralf Kukula seit vielen Jahren. Der Gründer und Geschäftsführer von Balance Film hat mit „Fritzi – eine Wendewundergeschichte“ (2019) einen der besten deutschen Kinderfilme der letzten Jahre produziert. Nicht minder preiswürdig war die TV-Serie „Fritzi und Sophie – Grenzenlose Freundschaft“ (2024, MDR, WDR, SWR) sowie die vom MDR als „Animadok-Serie“ bezeichnete ergänzende Doku „Auf Fritzis Spuren – Wie war das so in der DDR?“. Dieses Produktpaket habe die Firma 15 Jahre beschäftigt: „Die ersten Jahre haben wir damit verbracht, die für uns relevanten Marktteilnehmer von dem Stoff zu überzeugen, weil wir Pionierarbeit leisten mussten.“
Leider sei „Fritzi“ kein „Türöffner“ gewesen. Es bleibe daher „ein Kampf, wenn man Partner für derart anspruchsvolle Projekte finden will. Gerade bei den Sendern gibt es eine ausgeprägte Tendenz, Kosten zu sparen.“ Es gibt zwar einen Förderfonds für Serien, aber der Minutenpreis muss bei mindestens 30.000 Euro liegen. Derartige Kosten seien bei Animationsserien nicht finanzierbar, sagt Kukula, „und damit wird diese Filmgattung faktisch komplett ausgeschlossen.“ Produktionen für Kinder „genießen hierzulande einfach nicht die gleiche Wertschätzung wie Programm für Erwachsene.“ Aber das kenne er nicht anders: „Unternehmen wie wir sitzen am Katzentisch.“
SamFilm-Geschäftsführerin Ewa Karlström sieht das ähnlich. Sie veranschaulicht das Problem am Beispiel von „Ein Mädchen namens Willow“. Der Film ist mit weit über 500.000 verkauften Tickets einer der erfolgreichsten deutschen Kinofilme des ersten Halbjahrs. Selbst mit erheblichen Budgetkürzungen sei eine Fortsetzung wohl nicht zu stemmen: „Es war üblich, dass ein Sender 30 bis 45 Prozent für die TV-Rechte beisteuert. Bei Kinderfilmen werden derzeit circa 5 Prozent angeboten, in Ausnahmefällen vielleicht 10 Prozent. Damit kann ein Film unmöglich finanziert werden.“

