Streng genommen müsste dieser Film natürlich „Siegerin sein“ heißen, schließlich geht es um Mädchen; aber wenn die erwachsenen Fußballfrauen Titel feiern, singen sie ja auch „So sehen Sieger aus“. Die elfjährige Mona, zweifelsfrei ein Mädchen, ist auf der Suche nach ihrem Platz im neuen Leben: Der Kopf ist noch in Syrien, aber die Füße sind schon seit einiger Zeit in Berlin; dorthin ist ihre Familie vor dem Assad-Regime geflohen.
Mit ihrem zweiten Kinofilm nach „Haus ohne Dach“ (2016) erzählt Soleen Yusef auch ihre eigene Geschichte: Die Regisseurin hat ihre ersten neun Lebensjahre im irakischen Teil Kurdistans verbracht und dort täglich mit den Brüdern auf der Straße gekickt, bis die Familie 1996 nach Deutschland geflüchtet ist. Auch im Leben von Mona spielt Fußball eine ganz erhebliche Rolle. Sport ist ohnehin eine ausgezeichnete Integrationshilfe; zumindest theoretisch. In der Praxis läuft das nicht immer reibungslos ab, und auch davon erzählt „Sieger sein“: Eher zufällig erkennt Monas Klassenlehrer Chepovsky (Andreas Döhler), den alle nur „Herr Che“ nennen, dass in dem Mädchen viel Talent schlummert. Das von ihm trainierte Fußballteam empfängt sie jedoch nicht gerade mit offenen Armen, zumal sie die hitzköpfige Jasmin (Sherine Ciara Merai) aus dem Tor verdrängt; außerdem spricht sie nur sehr gebrochen deutsch.
Mix aus Drama und Komödie
Dank einer cleveren Idee kann Mona trotzdem als Erzählerin durch die Handlung führen, die sie zudem regelmäßig in Richtung Publikum kommentiert, es sei denn, sie ist sauer, dann schiebt sie Kamera einfach beiseite: In ihrem Kopf beherrscht sie die fremde Sprache perfekt, weshalb auch in den syrischen Rückblenden alle Deutsch reden; ein kluger Kniff, um Untertitel zu vermeiden, schließlich richtet sich „Sieger sein“ nicht zuletzt an eine Zielgruppe, die einen Film nicht lesen, sondern sehen und hören will. Die Geschichte, eine sehr gelungene Mischung aus Drama und Komödie, richtet sich dank der universellen Handlung allerdings an alle Altersgruppen. Die Hallenfußballszenen sind mit dem nötigen Tempo umgesetzt, doch der Sport dient letztlich bloß als dramaturgisches Hilfsmittel. Mona könnte auch eine andere Begabung haben, aber so kommt natürlich jede Menge Schwung in den Film.
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Ein echter Glücksgriff
Mit ihrer Hauptdarstellerin hat die Regisseurin einen echten Glücksgriff getan: Dileyla Agirman entpuppt sich als Naturtalent. Die größte Herausforderung bei solchen Produktionen sind in der Regel nicht die Spielszenen, sondern die Dialoge. Gerade Off-Kommentare klingen oft aufgesagt, aber auch diese Hürde meistert die junge Schauspielerin in ihrer ersten Rolle mit Bravour. Um sie herum hat Yusef ein sehr authentisch wirkendes Ensemble gruppiert. Der Tonfall ist rau und selten herzlich; wer nicht dazu gehört, wird nach Kräften gemobbt. Das Berliner Schulturnier werden die Mädchen jedoch nicht gewinnen, wenn jede nur für sich kickt.
„Besonders wertvoll“
Wie der anfangs zerstrittene Haufen schließlich zu einer homogenen Gruppe zusammenwächst und sich selbst dann nicht beirren lässt, als die Schulleiterin das Team suspendiert, ist mit viel Liebe zu den Figuren erzählt und auch dank der Musik trotz der für einen Kinderfilm ungewöhnlichen Laufzeit von fast zwei Stunden sehr kurzweilig. Es wäre toll, wenn „Sieger sein“ vor allem Mädchen mit Migrationsgeschichte für den Fußball begeistern könnte; gerade Eltern aus muslimischen Ländern sind in dieser Hinsicht sehr zögerlich. Yusefs Film hat das Prädikat „Besonders wertvoll“ bekommen und ist für den Deutschen Filmpreis nominiert.
„Sieger sein“. D 2024. Buch und Regie: Soleen Yusef. Kinostart: 11. April