Göttliche Intervention

Eine Chronik von Liebe und Schmerz im Niemandsland

Ein Beitrag zur unaufhörlichen Gewaltspirale im Nahen Osten war längst überfällig. Fast täglich sprengen sich palästinensische Selbstmordattentäter in die Luft, startet die israelische Armee militärische Offensiven in den Autonomiegebieten. Angesichts des harten Vorgehens des israelischen Regierungschefs Ariel Scharon herrscht in den besetzten Gebieten Ohnmacht und Angst. Wie gut, dass sich dieses Stoffes ein Regisseur angenommen hat, der weder im Verdacht des Antisemitismus steht, noch die Opfer des palästinensischen Volks heroisiert.

Vielmehr beschreibt Elia Suleiman die groteske Lebenssituation im Heiligen Land. „Göttliche Intervention – Eine Chronik von Liebe und Schmerz“ ist bereits zurecht mehrfach prämiert worden, unter anderem erhielt der Film im vergangenen Jahr den Preis der Jury in Cannes und den Silbernen Hugo auf dem Festival in Chicago.

„Göttliche Intervention“ kommt jetzt ins deutsche Kino. Aus der Warte eines stummen Beobachters erzählt der palästinensische Regisseur in wiederkehrenden Episoden grandios von einer Gesellschaft, bei der gegenseitige Schikanen einen bizarren Alltag bestimmen. Nachbarn werfen sich gegenseitig Müll über den Zaun oder zerstechen Fußbälle, die zufällig auf ihrem Dach landen. Was der eine baut, wird vom anderen zertrümmert. Am Rande täglicher Privatfehden gibt es aber auch ungewöhnliche Fälle von Kooperation: Weil er selbst einer desorientierten Touristin nicht den gewünschten Weg weisen kann, bittet ein israelischer Soldat einen Palästinenser, den er mit Handschellen gefangen hält, ihr zu helfen, wozu dieser gerne bereit ist.

Im Zentrum des Films steht die Geschichte einer unmöglichen Liebe im Niemandsland zwischen Jerusalem und Ramallah. Ein Mann, den Suleiman selbst spielt, und eine Frau (Manal Khadar) treffen sich jeden Tag auf einem Parkplatz neben einem Grenzstützpunkt. Dezent und vorsichtig berühren sie sich nur an den Händen und verfolgen sprachlos absurde Sicherheitschecks. Nur ein einziger Satz fällt ihnen ein: „Ich bin wahnsinnig, weil ich dich liebe“.

Suleiman trotzt dem Leben im Ausnahmezustand paradoxe Konstellationen ab. Sein Gelobtes Land ist voller Zynismus und Resignation. Die unerfüllten Sehnsüchte seines Paares finden nur visionär durch „göttliche Intervention“ Erfüllung: So kann die palästinensische Geliebte wie selbstverständlich vor den entgeisterten Augen erstarrter Soldaten die Grenze passieren, einen Wachturm zum Einstürzen bringen oder als unsterbliche Kämpferin im Alleingang eine israelische Elitetruppe besiegen. Dank seines an Aki Kaurismäki erinnernden lakonischen Humors ist „Göttliche Intervention“ alles andere als ein anti-israelischer Hetzfilm.

Frankreich / Palästina 2002. R: Elia Suleiman,
D: Elia Suleiman, Manal Khader, Nayef Fahoum Daher, 92 Min.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Filmtipp: „Picknick in Moria“

Die litauische Regisseurin Lina Lužyte hat für ihren Dokumentarfilm über die Lage der Flüchtlinge in einem Lager auf der griechischen Insel Lesbos einen ungewöhnlichen Ansatz gefunden: Sie porträtiert den afghanischen Künstler Talibshah Hosini, der seit vielen Monaten mit seiner Familie in Moria lebt und seinerseits mit anderen Asylsuchenden einen Spielfilm über eine geflüchtete Familie dreht.
mehr »

Filmtipp: „Die Gewerkschafterin“

Der französische Film, eine fesselnde Mischung aus Krimi und Justizdrama, erzählt eine schockierend wahre Geschichte: Die führende Gewerkschaftsfunktionärin des staatlichen Atomkonzerns wird im eigenen Haus überfallen und vergewaltigt, weigert sich jedoch, sich ins übliche Opferbild zu fügen. Weil die Ermittlungen zudem einige Ungereimtheiten offenbaren, kommt es zu einer Umkehrung der Rollen: Sie wird angeklagt, die Tat vorgetäuscht zu haben, und schließlich schuldig gesprochen.
mehr »

Medien und Recht: Was sind Texte, Fotos und Videos eigentlich wert?

Welche Vergütung für ein Werk ist angemessen und wie hoch ist sie, wenn das Urheberrecht verletzt wurde? Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) soll das Einkommen von Kreativen sichern, indem es verhindert, dass Werke wie Texte, Fotos oder Videos ohne Erlaubnis verwendet werden. Denn bei geistigen Leistungen ist die Gefahr groß, dass sich andere einfach an ihnen bedienen und die Ur-heber*innen leer ausgehen. Aber selbst wenn eine Erlaubnis erteilt wurde, ein Werk zu nutzen, muss die Vergütung „angemessen“ sein. Ist dies nicht der Fall, können Urheber*innen verlangen, dass der Vertrag dahingehend geändert wird, dass sie eine angemessene Vergütung erhalten, selbst wenn im Vertrag etwas…
mehr »

Recht auf gleichen Lohn muss Bringschuld sein    

Das Bundesarbeitsgericht hat mit einem Paukenschlag das Recht von Frauen auf gleichen Lohn wie für männliche Kollegen gestärkt – ein Gesetz wäre aber noch besser als ein Urteil.
mehr »