Die Gruppe labournet.tv macht Dokumentarfilme. Filmisch begleitet sie Arbeitskämpfe auf der ganzen Welt. Labournet.tv produziert, sammelt und zeigt seit über zwanzig Jahren Dokumentarfilme zu Arbeitskämpfen, Streiks und sozialen Bewegungen. Ihr Archiv umfasst eine einmalige Kollektion. Das Projekt finanziert sich ausschließlich über Spenden und Förder- und Projektgelder.
Es war der Film „Der laute Frühling“, der Carla Hartmann dazu gebracht hat, bei labournet.tv mitarbeiten zu wollen, erklärt sie – an dem Tag Mitte November 2023, an dem ihre erste eigene Dokumentation für das feministische Kollektiv mit aktuell sechs Personen erscheint: Ein kurzer Film über die Amazon Workers International, die kürzlich eine Tour an mehrere Standorte des Versandmoguls in Polen und Deutschland führte.
Das Vorhaben: Amazon-Beschäftigte über ihre Rechte als Arbeiter*innen informieren und sich bei Nichteinhaltung gegen ausbeuterische Methoden organisieren. Hartmann ist selbst noch etwas überrascht, wie schnell es ging, dass sie einen Beitrag für das über 1.000 Filme und Videos umfassende Archiv von labournet.tv beigesteuert hat. Dabei ist „Vereint über Grenzen“ ganz in der Tradition vieler der dort zu findenden Beiträge entstanden: die dokumentarische Begleitung von Arbeitskämpfen und Streiks, bei der die Arbeiter*innen im Mittelpunkt stehen. Viel Raum war zuletzt kämpfenden Beschäftigten der exorbitant wachsenden Lieferdienstketten wie Gorillas, aber auch dem Bereich Transport und Logistik zuteilgeworden.
Derweil tourt der August 2022 erschienene, halb dokumentarische, halb fiktionale einstündige Film „Der laute Frühling“ ihrer Mitkollektivistin Johanna Schellhagen immer noch durch Deutschland und Europa. Die Einladungen reißen nicht ab, sie wohne praktisch seit anderthalb Jahren im ICE, berichtet Johanna. Was gut sei, denn natürlich müssen Filme nicht nur gemacht, sondern auch gezeigt werden.
Schätze aus dem Dokumentarfilmarchiv
Dass das auch für Filme gilt, die 50 Jahre alt sind, beweist eine aktuelle Kooperation von labournet.tv mit der Zeitung Lateinamerika-Nachrichten, bei der Johanna Schellhagen und Carla Hartmann mit ihren Mitkollektivist*innen im Kino der Regenbogenfabrik in Berlin zugegen sind.
Sie zeigen die dreiteilige Dokumentarfilmreihe „La Batalla de Chile“ (Der Kampf um Chile) von Patricio Guzman aus dem Jahr 1973, die den Sturz der sozialistischen Regierung Chiles unter Salvador Allende durch einen Militärputsch eindrücklich dokumentiert. Bemerkenswert darin ist vor allem der breite Raum, der den öffentlichen Debatten eingeräumt wird, mit denen die Arbeiterschaft des lateinamerikanischen Landes damals ihre Bereitschaft kundtat, die von ihnen gewählte Regierung samt ihrem Präsidenten bis aufs Letzte zu verteidigen.
Dass der Kampf um „El poder popular“ – die Macht des Volkes – militärisch nicht gewonnen werden konnte, ist bekannt. Aber der Film zeigt auch, wie weit die Arbeiter*innen in den staatlichen Fabriken bereit waren zu gehen. Während sich in dem Andenstaat unter dem auf Allende folgenden Militär Augusto Pinochet eine mörderische Diktatur entwickelte, die alles schliff, was an Arbeiter*innen- und Menschenrechten zu finden war und dem Neoliberalismus huldigte, wurde „La Batalla de Chile“ vor allem bei Festivals in Europa Mitte der 1970er Jahre gefeiert.
Klimabewegung im Film
50 Jahre später schlägt nun in Kreisen, die mit dem Wort Klassenkampf wieder etwas anfangen können, „Der laute Frühling“ ein. Vor allem Aktivist*innen der Klimabewegung wollen ihn sehen und zeigen. Die Story trifft den Nerv der Zeit, findet auch Johanna Schellhagen. Weil immer mehr Menschen erkennen, was nie ein Geheimnis war: Klimakrise und Arbeitskrise sind Ausdruck desselben Problems, das neoliberaler Kapitalismus heißt. Und fast ausnahmslos sind weltweit Regierungen an der Macht, die sich weigern, dieses Problem zu lösen, es stattdessen ignorieren oder sogar vertiefen.
„Der laute Frühling“ berichtet über diese Bewegungen und ihre Ursachen, zieht sie zusammen auf eine weltumspannende Perlenkette. In der Stärke der Bewegung kann der Schlüssel liegen, um die aktuellen weltweiten Zerstörungen zu stoppen – so die zentrale Botschaft des Films. Das ist so verkürzt wie mitreißend, und erklärt zugleich, dass es zurzeit gerade diese Produktion von labournet.tv ist, die der Gruppe viel Presse, großen Zulauf und Nachfrage beschert hat.
„Die Klimabewegung ist nicht so abgekämpft wie die radikale Linke“, sagt Schellhagen, die labournet.tv lange nur als Teil eines zweiköpfigen Frauenteams realisiert hat. Die Menschen brauchen hoffnungsvolle Ziele, sagt sie. Für die Filmemacherin ist klar: „Beim nächsten Aufstand müssen die Produktionsmittel übernommen werden“. Wie sonst soll die Transformation der Arbeitswelt auf einem auch zukünftig noch halbwegs lebenswerten Planeten gelingen? Insofern kein Wunder, dass die Kameras von labournet.tv auch bei den Aktionen der Kampagne „Wir fahren zusammen“ dabei sind, bei der Gewerkschafter*innen von Mobilitätsunternehmen und Klimaaktivist*innen gemeinsam für die ökologische Verkehrswende streiten.
Kein Film ohne Förderung
labournet.tv hat ein einmaliges Archiv von Dokumentarfilmen, Reportagen und Eigenproduktionen mit deutschen und englischen Untertiteln angelegt. Die Filme kann online jede*r zeigen oder sehen. Wahrscheinlich werden es mit dem wachsenden Kollektiv künftig noch mehr und das labournet.tv-Tagesgeschäft aus Arbeitskampf-Dokumentation, Filmveranstaltungen und Archivpflege wird sich vergrößern. Damit einhergehen muss spätestens dann allerdings auch eine finanzielle Absicherung des Projekts. Zurzeit fehlen rund 200 Fördermitglieder, die das ermöglichen würden. Dafür kommen alle in Frage, die sich wünschen, dass Geschichten wie „Der laute Frühling“ mehr Verbreitung finden.