Disput über das Informationsangebot von ver.di im Internet
Zwei Anträge zur Medienfreiheit und Medienpolitik sowie 14 weitere zu ver.di-Medien standen beim Bundeskongress in Leipzig auf der Tagesordnung. Dabei unterstützten die Delegierten die Forderungen des Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie nach einer Sicherung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und einer Intensivierung der medienpolitischen Diskussion
Schon in seiner Rede zum Geschäftsbericht hatte ver.di-Vorsitzender Frank Bsirske die Presse- und Meinungsfreiheit angesprochen, als er sich gegen einen „Überwachungsstaat“ aussprach: „Deshalb haben wir unsere ver.di-Kolleginnen und -Kollegen von der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union unterstützt, als sie gegen die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen 17 Journalisten protestierten. Und deshalb haben wir auch die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkfinanzierung begrüßt. Sie stärkt das Grundrecht der Rundfunkfreiheit und die Rolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.“ In seiner späteren Grundsatzrede kamen allerdings weder Kunst und Medien, noch Freiberufler und Selbstständige vor. Er konzentrierte sich auf Kritik an solchen berufsständischen Verbänden wie dem Marburger Bund der Krankenhausärzte, der Pilotenvereinigung „Cockpit“ oder der GDL der Lokführer, die die Solidarität mit ihren Kollegen aufgekündigt hätten.
Ulrich Möhler aus dem Saarland erläuterte den Antrag des Fachbereichs 8 zur Stärkung der Medienfreiheit. Es gehe um die Regulierung der Medienmärkte, die Sicherung und Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: „Wir müssen feststellen, dass mächtige Verlagskonzerne multimediale Märkte geschaffen haben, dass inzwischen Netzbetreiber und finanzstarke Investoren zunehmend die Medienmärkte zu beherrschen versuchen. „Unabhängige Programmanbieter werden an den Rand gedrängt.“ Nicht zuletzt durch die Herabsetzung der Gebührenempfehlung sei es zu Personalabbau und Outsourcing sowie zur Programmverflachung und Boulevardisierung auch in den Rundfunkanstalten gekommen. „Das ist Medienpolitik durch Daumenschrauben an der Finanzierung und der Wettbewerbspolitik. Das können wir uns nicht länger bieten lassen“, sagte Möhler unter dem Beifall der Delegierten, die den Antrag mit großer Mehrheit annahmen. Der Fachbereichsantrag zur intensiveren medienpolitischen Debatte in ver.di, durch ver.di und zusammen mit anderen gewerkschaftlichen und gesellschaftspolitischen Partnern erhielt sogar das einstimmige Ja der tausend Delegierten.
Widerspruch zur Publik-Kritik
„Publik“ und der Internet-Auftritt von ver.di waren die wichtigsten Themen der Debatte über die eigenen Medien. In der Mitgliederzeitschrift „Publik“ würden Senioren und Erwerbslose vernachlässigt, fachbereichsübergreifende Themen wie Ladenschluss oder Sozialpolitik nicht in ihrer gewerkschaftlichen Bedeutung dargestellt und die inneren Vorgänge von ver.di zu wenig dokumentiert. Das Format sei auf A 4 zu verkleinern, die Inhalte seien „auf das Wesentliche zu reduzieren“ und „Homestories“ sollten keinen Platz mehr finden, da die Mitglieder dies nicht von ihrer Gewerkschafttszeitung erwarteten, meinten einige Delegierte. Widerspruch gab es hier von Frank Bsirske: „Wir müssen eine unterhaltsame Zeitung bieten, die, professionell aufbereitet, etwas herüberbringen will. Das Letzte, was wir uns leisten können, ist eine Zeitung, die anödet.“ Die lande gleich im Papierkorb. „Wir wollen kein Amtsblatt, das im Format reduziert ist.“ Nach Beschluss der Delegierten wird sich nun der Bundesvorstand mit der Kritik an Publik beschäftigen.
Beim Blick auf den Internet-Auftritt ver.dis standen sich zwei Grundpositionen gegenüber: eine strenge Beschränkung der Informationen nur für Mitglieder oder ein weitgehend freier Informationszugang für alle Interessierten. Für die Fachgruppe Medien und die dju forderten Kersten Artus, Wulf Beleites (beide Hamburg) und Ulrich Möhler den Antrag abzulehnen und das Angebot von Tarifverträgen und ähnlichen Infos nicht auf Mitglieder zu beschränken, da sich die noch ungebundenen Kolleginnen und Kollegen dann die Informationen bei Konkurrenzverbänden wie dem Deutschen Journalisten-Verband holen und eher dort eintreten würden. Manfred Becker aus dem Fachbereich9 (Telekommunikation) verwies darauf, dass sein Fachbereich generell für den barrierefreien Zugang im Internet kämpfe und eine Abschottung der ver.di-Seiten die falsche Botschaft sei. Dafür sei der Internet-Auftritt als Werbemittel zu wichtig.
Medien-Fachbereichsleiter Frank Werneke sprach sich für die Annahme der Empfehlung der Antragskommission aus, die Forderung an den Bundesvorstand weiterzuleiten. „Der Antrag beschreibt genau den Trend, den wir gehen wollen.“ Es gebe aber „Einzelfallentscheidungen“ bei Konkurrenzorganisationen, wo man von dieser Linie abweichen können müsse. Dennoch gelte: „Mitglied sein muss einen Unterschied machen. Das gilt auch für die elektronischen Informationsangebote“ und verwies auf das neue Mitgliedernetz für ehrenamtliche Gewerkschafter. Die Delegierten leiteten den Antrag als Arbeitsmaterial an den Bundesvorstand weiter.