Sie sang ihr Leben und ihre Würde als schwarze Frau verbunden mit der Mediengewerkschaft
Vor mir liegt ein nicht nur sehr schönes, sondern vielmehr ein interessantes, spannendes und lehrreiches Buch: „Fasia – geliebte Rebellin“; eine Biografie ganz anderer Art.
Wir haben uns ganz gut gekannt. Fasia Jansen, die schwarze Sängerin, geboren und aufgewachsen in Hamburg, lebte seit 1951 vor allem in Oberhausen im Ruhrgebiet. Sie begleitete uns Frauen der IG Druck und Papier bei vielen Aktivitäten. Unsere letzte „Begegnung“ war Anfang 1998 bei ihrer Beisetzung in Oberhausen, als über 1.000 Menschen Abschied von ihr nahmen.
Schon damals glitten die Gedanken zurück an die vielen Initiativen und Kämpfe der 70er und 80er Jahre. Fasia war stets mittendrin, ihr Leben lang ganz nahe bei den Menschen. Es waren also meine Erinnerungen, die nicht nur an das jeweilige faktische Geschehen von damals gebunden waren, sondern – wie ich erst heute weiß – mehr noch an meine Gefühle des politischen Gleichklangs. Und nun – mit diesem Buch – kommt Fasia mit ihrem ganzen Leben auf mich zu und ich begreife nur langsam, wie die Bilder meiner Erinnerung lebendig werden. Es ist ein Buch mit ganz vielen Geschichten, aufgeschrieben von Freundinnen und Freunden, die – nachdem Fasia von uns gegangen ist – ihren Nachlass ordneten, die Fasia-Jansen-Stiftung gründeten und in Marina Achenbach eine Frau fanden, die alle Lebensstationen einfühlsam darzustellen verstand.
Um ihre Stimme zu hören, um ihre Ausstrahlung erneut zu spüren, habe ich neben dem Lesen noch einen Film „Fasia – von trutzigen Frauen und einer Troubadora“ angeschaut. Dort sehe ich sie in Mutlangen in der ersten Reihe, untergehakt mit ehemaligen KZ-Häftlingen in deren gestreifter Kleidung von damals laufen, singend „We shall over come“. Und aus dem Buch weiß ich jetzt, Fasia war als Kind rassisch verfolgt und von den Nazis zur Arbeit in die Lagerküche eines Konzentrationslagers zwangsverpflichtet. Und ich sehe sie im Kampf an der Seite der britischen Bergarbeiterfrauen gegen die Vernichtung von tausenden Arbeitsplätzen – dem härtesten Arbeitskampf der Nachkriegsgeschichte Westeuropas – 11 Monate lang; er wurde verloren. Fasia: „Wäre ich einfach nur Sängerin, würde ich alles hinschmeißen. So aber weiß ich – wir sehen uns wieder, denn in diesem und anderen Kämpfen wird politisches Bewußtsein gebildet …“
Oder auf der Weltfrauenkonferenz in Nairobi, als das Thema Frieden aus der Konferenz herausgedrückt werden sollte, weil Frieden ein zu ernstes und politisches Thema für Frauen sei. Das machte Fasia und all ihre Freundinnen zornig und sie errichteten ein Friedenszelt. Dort brachten sie Frauen aus sogenannten Feindesländern, also Iran und Irak, Palästina und Israel, USA und Sowjetunion zusammen, um so den Gedanken der Verständigung in alle Herzen und Köpfe zu bringen.
Im Buch sind viele Aktivitäten beschrieben und mit Bildern unterlegt: der Kampf gegen den Vietnamkrieg, gegen die Notstandsgesetze, die Friedensmärsche durch ganz Europa, die Unterstützung der Arbeitskämpfe bei den HöscharbeiterInnen in Dortmund, bei Krupp in Rheinhausen, zur 35-Stunden-Woche – überall war sie dabei und textete zusammen mit den Menschen, meist mit Frauen, ihre / unsere Lieder. Sie schrieb Erzählungen, führte Interviews. Am nächsten war Fasia der Drupa freilich beim jahrelangen Kampf der Frauen von der Druckerei Foto-Heinze gegen Lohndiskriminierung vor den Arbeitsgerichten durch alle Instanzen. Hier schieben sich in der Erinnerung unsere Grundgedanken zur notwendigen Kulturarbeit wie Folien übereinander. Da war die Erkenntnis, dass die Ziele unserer gewerkschaftlichen Arbeit wie Arbeitszeitverkürzung, Mitbestimmung, Lohndiskriminierung der Frauen, sicherer Frieden usw. einen Einsatz über lange Zeit erfordern und das bloße Wissen im Kopf um altbekannte Missstände alleine nicht als Handlungsmotivation ausreichen – hier ermutigt Kulturarbeit. Die Kolleginnen machten auch ihre Lieder selbst; das bekannteste Beispiel der Heinze-Frauen „Keiner schiebt uns weg!“ selbstgetextet von ihnen an einem Wochenende. Fasia hat es oft gesungen und schrittweise weiterentwickelt. Und die Kolleginnen haben gelernt, dass man / frau Kultur nicht nur zu konsumieren braucht, sondern sie diese auch selbst aus dem eigenen Erleben heraus mitgestalten, selbst machen kann.
Zurück zum Buch. So viele Geschichten bis hinein ins private Leben, bis hin zu der Frage und dem Versuch einer Klärung, was eigentlich ihre Ausstrahlung ausgemacht hat. Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen von ihr nahestehenden Menschen. Marina Achenbach kommt zu dem Schluß: „Sie schöpfte aus ihrem grenzenlosen Vorrat an Freude und Neugier, aus ihrer Fähigkeit zum Glück, dieser ganz besonderen, wunderbaren Begabung. Vielleicht stammt ihre Kraft aus der Kindheit, aus Rothenburgsort, von Oma Bujacz, Vater Albert, dem proletarischen, solidarischen Milieu, wer weiß. Zumindest wurden diese schönen Eigenschaften nicht abgewürgt, sondern gestärkt. Und sie ließ sie ein Leben lang weiter wachsen und gab freigiebig davon ab“. So fehlt uns Fasia sehr, aber noch über ihren Tod hinaus bereichert sie unser Leben mit ihrer Geschichte.
Gisela Kessler
Frauensekretärin der IG Druck und Papier sowie Vorstandsmitglied der IG Medien