Verdianer von Medien, Kunst und Industrie zogen erstes Resümee seit der Fusion
Die erste Bundeskonferenz des Fachbereiches Medien, Kunst und Industrie nach der Gründung von ver.di im Jahr 2001 zog ein Resümee über den aktuellen politischen Standort der Gewerkschaft und das Zusammenwachsen der fünf Fusionierten. Es war eher ein ruhiger Kongress in Magdeburg, wenig spektakulär – für die Medien deshalb offenbar nicht berichtenswert – und nicht geprägt durch heftige, oder gar aus dem Ruder laufende kontroverse Debatten.
Dennoch herrschte nicht eitel Sonnenschein. Forderungen um eine klare Positionierung von ver.di nach außen und eine konsequente Interessenvertretung ihrer Mitglieder wurden debattiert, waren Gegenstand von Anträgen aus vorangegangenen Konferenzen des Fachbereiches in den Ländern. Und es gab den Versuch, Ansätze für Alternativen aus der Medienkrise zu entwickeln.
Die Gewerkschaften hätten es zur Zeit nicht leicht in den Medien. Vorschnell und kritiklos würden sie als veraltete unbewegliche Klötze abgetan, kritisierte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske den derzeitigen Mainstream in der Bericht- erstattung. Er bescheinigte der eigenen Organisation allerdings auch, intern oft mit einer „Erbsenzählermentalität und Kleinkariertheit“ zu reagieren, „die ich so nicht erwartet hatte“. Dennoch blickte er optimistisch in die Zukunft. Immerhin sind 27 Prozent der Neueintretenden in die Gewerkschaft jünger als 28 Jahre.
Das Drängen der Industriefachgruppen, trotz anders lautender Absprachen mit der IG BCE und der IG Metall in ihren Betrieben weiterhin neue Mitglieder werben zu können, beschied Bsirske abschlägig mit der Warnung vor einer Entwicklung zu Richtungsgewerkschaften. Wenn sich die anderen Gewerkschaften nicht an die Vereinbarungen bezüglich der Zusammenarbeit bei Betriebsratswahlen hielten, müsse ver.di nachdrücklich auf diese Absprachen bestehen, nicht aber mit Werbekampagnen kontern. „Massenübertritte zu ver.di würden einen Treibsatz zünden, der uns um die Ohren fliegt“, so der ver.di-Vorsitzende in Anspielung auf Auseinandersetzungen in Betrieben wie Thyssen.
Konzepte statt Klagen
„Ein steifer Wind weht uns ins Gesicht“, analysierte Frank Bsirske die Position von ver.di im Kampf gegen die Demontage des Sozialstaats durch die wortbrüchige Regierung. Hohn sei es, wie Sozialdemokraten und Grüne den „blanken Sozialabbau als Reformen“ verkaufen würden. „Mit uns nicht!“, fasste Bsirske die gewerkschaftliche Haltung zur Agenda 2010 zusammen, er zeigte sich jedoch skeptisch angesichts von Desillusion und Orientierungslosigkeit, dass die Bevölkerung wie in Frankreich oder sogar in Österreich gegen den Wahlbetrug rebellieren würde. Seine Einstellung zu politischen Streiks sei „nicht dogmatisch“. Er erwarte in solchen Fällen aber arbeitsrechtliche Schritte in den Betrieben und zweifele an der derzeitigen Geschlossenheit für eine erfolgreiche Gegenwehr. „Wir sind jedoch nicht der Transmissionsriemen irgendeiner Partei und schon gar nicht einer Regierung“, so Bsirske. Und gerade deshalb müsse ver.di der wirtschaftspolitischen Ausrichtung der Regierung ein ganzheitliches Konzept gegenüberstellen. Klagen über die beabsichtigten Ungerechtigkeiten alleine würden nicht helfen, da sie die Politik zu wenig beeindruckten, wie es auch ver.dis Ausstieg aus dem Bündnis für Arbeit gezeigt habe. Statt sich an die Klagemauer zu stellen, sollten die Verdianer die Diskussion in den Betrieben suchen und auf erfolgreiche Politikbeispiele in anderen Ländern verweisen. So habe Großbritannien auf die hohe Arbeitslosigkeit mit einer antizyklischen statt einer reinen Spar-Politik reagiert. Das Gesundheitssystem müsse durch die Einbeziehung von Selbständigen und Beamten in die gesetzliche Krankenversicherung saniert werden.
Schmerzhafte Einschnitte
Mit Blick auf den „Laden ver.di, der längst nicht in Ordnung ist“ verwies Frank Werneke auf die Aufaddierung ungelöster Probleme von fünf Einzelgewerkschaften beim Start von ver.di. Als Beispiele wurden genannt: die Anzahl der Bildungsstätten, die konsequente Verfolgung von Beitragsehrlichkeit und Beitragsanpassung, die Schaffung von leistungsgerechten Gehaltsstrukturen für die Beschäftigten bis hin zur Entwicklung eines tragfähigen Dienstleistungsprofils für Mitglieder und Betriebsräte. Folge waren unter anderem Strukturen, die nicht transparent seien, ehrenamtliche Arbeit behinderten und die vor allem auch nicht finanzierbar seien. Er sehe deshalb zum derzeit eingeschlagenen Weg der Haushaltskonsolidierung keine Alternative, auch wenn dies zu „schmerzhaften Einschnitten“ führen werde, die auch den Fachbereich 8 betreffen würden. „Ein klares Konzept zur finanziellen Konsolidierung und die Weiterentwicklung der politischen Strukturen von ver.di“ seien die Voraussetzung, um sich in den anstehenden tarifpolitischen Auseinandersetzungen behaupten zu können, so Werneke. Auf das Schärfste wies der ver.di-Vize die Erpressungsversuche des Arbeitgeberverbandes Druckindustrie zurück, der in den laufenden Tarifverhandlungen für die nächsten zwei Jahre Lohnerhöhungen mit einer Null vor dem Komma anbietet und im Falle der Ablehnung den Flächentarif kündigen will. „Das heißt: Für den Erhalt des Flächentarifes sollen wir den letzten Mist unterschreiben. Und das werden wir nicht tun“, so Werneke. (Die Rede von Frank Werneke: www.drupa-online.de)
ver.di vereine auch die Kunstfachgruppen, so Werneke. Die Einkommens- und Lebenssituation von freien Künstlerinnen und Künstlern habe sich gerade in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert. Darüber hinaus seien sie von der Aushöhlung der sozialen Sicherungssysteme besonders betroffen. ver.di setzt sich daher dafür ein, dass die Versprechen der Regierungskoalition eingehalten werden. Danach soll eine Enquetekommission die soziale Lage der Künstlerinnen und Künstler unter die Lupe nehmen, eine gesetzliche Grundlage für Ausstellungshonorare und ein Künstlergemeinschaftsrecht waren ebenfalls in Aussicht gestellt worden. Bei alledem gelte es, eine nachhaltige Kulturfinanzierung zu sichern.
10 000 arbeitslos
Im Mittelpunkt der Konferenz stand die Entwicklung auf dem Zeitungsmarkt, die Frank Werneke als zentrale medienpolitische Herausforderung für die Gewerkschaft charakterisierte. „Ein verfehltes Management, etwa durch fehlende Rücklagenbildung in der Boomphase des letzten Jahrzehnts und das Setzen auf überdimensionale Produktionskapazitäten“, nannte der stellvertretende Vorsitzende der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Frank Werneke, als Ursachen für die derzeitige Medienkrise in Deutschland. In dramatischem Ausmaß seien Arbeitsplätze vernichtet worden – in Druckereien und Verlagen allein im vierten Quartal 2002 fast acht Prozent. Besonders betroffen durch Auftrags- und Honorareinbußen seien Selbständige. Etwa 10 000 Journalistinnen und Journalisten sind arbeitslos. Übertriebenes Sparen an der falschen Stelle führten zum personellen Ausbluten, zum Unterlaufen sozialer Standards und gingen letztlich zu Lasten der publizistischen Qualität, so Werneke. Den Ausweg aus der Krise suchten Verleger in Medienkonzentration und im verschärften Druck auf die Politik, um sinnvolle Beschränkungen auszuhöhlen oder gar aufzuheben.
ver.di stelle sich dieser Entwicklung mit konkreten Forderungen und medienpolitischern Alternativen entgegen. Trotz hartnäckiger Weigerung der Verleger ringe die Gewerkschaft um einen Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für Redakteurinnen und Redakteure. ver.di trete entschieden gegen eine Lockerung der geltenden Regelungen zur Pressekonzentration oder deren Abschaffung auf. „Im Gegenteil, wir erwarten eine aktive Regulierungspolitik zum Erhalt von Pressevielfalt“, sagte Frank Werneke. „Einen Zeitungsgipfel, wie ihn Bundeswirtschaftsminister Clement anlässlich der Anhörung zur Ministererlaubnis für die Übernahme der Berliner Zeitung durch Holtzbrinck vorgeschlagen hat, wäre der richtige Ort, um Modelle zur Presseförderung und den Erhalt von Medienvielfalt miteinander zu beraten.“
Ergebnisse und Infos
Ausführliche Informationen über die Bundesfachbereichskonferenz vom 15. bis zum 17. Mai in Magdeburg – Wahlergebnisse, Anträge – sind zu finden unter www.verdi.de (weiterklicken auf Berufe & Branchen; dann Fachbereich Medien, Kunst und Industrie).