Journalistinnen und Journalisten in der Gewerkschaft – warum eigentlich?

25 sehr persönliche Stellungnahmen

Misstrauen überwunden

50 Jahre ist es her, dass wir damals die DJU gegründet haben. Mit vielen Schwierigkeiten und negativen Voraussagen betraten wir die Bühne, und ich möchte voll Stolz sagen, dass wir erfolgreich waren.

Dabei möchte ich besonders auf Eckart Spoo hinweisen, der allen Widerständen zum Trotz durchhielt und uns Mut machte. Es gab auf und ab, wie überall im Leben, auch in der Fachgruppe Journalismus. Besonders schwierig wurde diese Entwicklung dadurch, dass anfangs eine große Gruppe aus der Technik mit Misstrauen auf die Journalisten blickte, denen man nichts Ernstes zutrauen könne. Das ist überwunden und deshalb erinnere ich daran, was es für mich und andere bedeutete, wenn Loni Mahlein half, uns zusammen zu führen, und wenn er der DJU gute und wirksame Unterstützung zukommen ließ.

Da ich zehn Jahre lang dem Vorstand der DJU angehören durfte, wäre es Eigenlob, die Erfolge der DJU aufzuzählen. Ich wünsche allen, auch denen, die wie ich bereits in Rente sind, alles Gute. Dank an alle für kollegiale Zusammenarbeit und weiterhin viel Erfolg wünscht

Euer Emil Carlebach


Uns befähigen, unsere Lage zu erkennen

In den Medien entscheidet sich täglich, ob sich Demokratie entwickelt oder ob das Volk, das doch herrschen soll, belogen, abgelenkt, verblödet, eingeschüchtert und verhöhnt wird. Eine gewerkschaftliche Organisation, die für uns Journalis-tinnen und Journalisten gut wäre, stelle ich mir so vor, dass sie möglichst viele von uns möglichst regelmäßig zum Gespräch über unsere beruflichen Erfahrungen und Interessen vereint. So würde sie uns (d.h. wüssten wir voneinander) befähigen, unsere Lage zu erkennen und selbstbewusst solidarisch zu handeln. So, als eine demokratische Organisation, die sich niemals vor einen nationalen oder parteipolitischen oder Unternehmer-Karren spannen lässt), könnte sie die Arbeitsbedingungen erkämpfen, die wir brauchen, um unsere öffentliche Aufgabe zu erfüllen.

Eckart Spoo, 16 Jahre lang ehrenamtlicher Vorsitzender der Deutschen Journalisten-Union in der IG Druck und Papier


Journalisten sollen sich wehren

Die Journalistinnen und Journalisten in unserem Land haben der DJU und der Fachgruppe Journalismus (DJU/ SWJV) viel zu verdanken. Ich möchte jedoch über eine neue aktuelle Herausforderung reden.

Den Journalisten im Ruhestand, der unter anderem viele Pressekonferenzen und Interviews mit Politikern im Fernsehen verfolgt, bewegt in der letzten Zeit die Entwicklung, die ich für gefährlich halte: Vor allem konservative Politiker, Parteien und Verbände behaupten, Probleme und schlimme Zustände würden selten allzu oft von Journalisten aufgebauscht, ja überhaupt erst erzeugt. Dies gilt besonders dann, wenn Journalisten durch negativen Journalismus Vorgänge und Zustände aufdecken, die bisher im Dunkel verborgen wurden.

Freilich sind Journalisten, die den Deutschen ihre heile Welt madig machen, bei uns immer noch nicht so recht geschätzt. Deshalb meinen auch eine Reihe von Politikern und andere, die sich für VIPs halten, bei Pressekonferenzen oder Interviews kritische Journalisten abkanzeln und beleidigen können. Sie glauben sich der Sympathie vieler Bürger sicher – zumindest aber der Unterstützung durch manche Verleger, Rundfunkintendanten und Gremienvertreter. Aber Journalisten sollten sich wehren. Im Zweifelsfall Notizblock, Mikrophon oder Kamera einpacken und gehen. Wenn schon manche (oder viele?) Chefredakteure, Verleger, Intendanten und Gremien nicht oder nur halbherzig auf der Seite der Journalisten stehen, dann sollte ihnen wenigstens ihre Gewerkschaft starken Rückhalt geben. Zum Beispiel durch sehr qualifizierten und differenzierten Rechtsschutz, durch Verhandlungen mit unverständigen Arbeitgebern und durch öffentliche Erklärungen. Von unserer neuen Gewerkschaft erwarte ich als Journalist auch, dass sie den deutschen Bürger über die Rolle der Journalisten als die Anwälte der Bürger aufklärt. In traditionellen Demokratien gelten Presse und Rundfunk als wichtige Säulen einer freiheitlichen Gesellschaft. Ich frage mich ob die Mehrheit in unserem Staat dies inzwischen akzeptiert hat?

Erich Bottlinger, Baden-Baden, langjähriger GPR-Vorsitzender beim SWR, Redakteur, Autor Moderator, hat den SWJV in die IG Medien (mit-)gebracht


Entenqualitäten

Enten – ich habe sie schon immer gemocht: à l’orange, an Hagebutten oder kross auf die chinesische Art. Allerdings gibt es auch eine Ausnahme in meiner ansonsten uneingeschränkten Sympathie: die Zeitungsente. Sie auszurotten mit einer starken Waffe namens Qualität, war erklärtes Ziel des dju-Bundesvorstandes Ende der 80er Jahre. Ihm gehörte auch ich als junge Lokalredakteurin aus der Provinz an und wurde zuständig für – heute würde man sagen: das Projekt zur Durchsetzung einer qualitativ hohen Journalistenausbildung.

3 Jahre Treffen in einer – satzungsgemäß nicht vorgesehenen, dafür aber höchst produktiven Volo-AG. Ihr gehörten junge Menschen aus der ganzen Republik an, selbst die damals nicht von allen mit offenen Armen empfangene Spezies „Studenten“ war dabei. Dem produktiven Brainstorming folgten überfüllte Volo-Kongresse, Rollenspiele zur Durchsetzung einer besseren Ausbildung, Entwicklung von Betriebsvereinbarungen, Quellenstudien in Dänemark und und und. Nach intensivster (und breiter) Diskussion erblickte er auf einem Küchentisch das Licht der Welt: Der 1. Entwurf eines Ausbildungstarifvertrages. Die nachfolgenden Aktionen führten in stürmischen Zeiten und leiteten den größten Streik von Redakteurinnen und Redakteuren ein. Immer dabei: Die inzwischen positiv gewendete (Zeitungs-)Ente wurde zum Symbol für den Kampf um Journalistenausbildung. Sie erwies sich als produktives Maskottchen – auf Infos, an Ständen, in eigens geschriebenen Leierkastentexten und selbst ihren „Entenschiss“ mussten die Verleger während einer Verhandlungsrunde in Hamburg schlucken.

Bis heute gibt mir – und hoffentlich uns allen – der damalige Erfolg Kraft und Mut – dafür, der „Ware Information“ eine Qualitätsdebatte entgegenzusetzen.

Inez Kühn, heute hauptamtlich aktiv für die Journalistinnen und Journalisten in Niedersachsen-Bremen


Mitmischen!

Jubiläum, Jubiläum: die dju wird 50 und ich bin seit 40 Jahren dabei. Am Anfang allerdings nicht als Journa-ist. Weil ich als Schriftsetzer einen anständigen Beruf erlernte, war ich Mitglied der IG Druck und Papier. Das blieb ich auch, als ich als „Seiteneinsteiger“ Redakteur wurde. Für mich eine Selbstverständlichkeit. Wenn der Verein auch dju hieß, was mir damals nicht allzu viel sagte.

Das änderte sich schlagartig, als 1973 die ersten Lokalredaktionen der Neuen Ruhr Zeitung geschlossen wurden. Ich mischte als Betriebsrat mit, als die NRZ vom WAZ-Konzern geschluckt wurde. Nur Zusehen war nicht mein Geschäft – meistens nicht zur Freude der Chefredaktion und der Verlagsbosse. Aber das gehört für mich genauso dazu, wie das weitergehende Engagement in Tarif- und Verhandlungskommissionen sowie im Gewerkschaftsrat – bis zum heutigen Tag und noch darüber hinaus, obwohl ich vor einigen Tagen an meinem 59. Geburtstag Rentner wurde.

Nun steht die zweite große Veränderung vor. Nachdem aus unserer DruPa die IG Medien wurde, streiten wir demnächst zusammen mit neuen Kolleginnen und Kollegen bei ver.di um die Rechte der Arbeitnehmer in unserer Republik. Und ich bin dabei. Ich bin richtig stolz auf unseren Verein.

Horst Leroi, neben seinen gewerkschaftlichen Funktionen und Aktivitäten (siehe Text) auch ein bekannter Sportredakteur!!!


Brief an Irina aus dem Ural

Liebe Irina!

Ich verstehe ja, dass Du mir nicht glauben konntest. „Sag‘ doch ehrlich, was Dir eine Firma oder Partei extra zahlst, wenn Du über sie einen Bericht schreibst,“ hast Du mich beim Seminar für JournalistInnen in Moskau immer wieder bedrängt – weil Du doch vom mickrigen Gehalt Deines Verlegers nicht leben könntest. Liebe Irina, aus einer Stadt im Ural, deren Namen ich vergessen habe: Ich bin zum Glück auf kein Zubrot angewiesen. Um als Journalist/Journalistin wirklich unabhängig arbeiten zu können, braucht es aber Bedingungen und Standards, die eine starke Gewerkschaft erstreiten muss. Meine Gewerkschaft besteht seit 50 Jahren, und sie hat sehr viel erreicht. Darauf bin ich stolz. Aber ich weiß, dass der Kampf meiner Gewerkschaft für die Interessen meiner Kollegen und Kolleginnen weiter gehen muss. Manche Weichen werden inzwischen durch die EU in Brüssel gestellt: Dort geht es um Fragen des Urheberrechts ebenso wie um den Zugang zu Informationen und um Arbeitsbedingungen. Als Vertreter der IG Medien bei der Europäischen Journalisten-Föderation sage ich Dir: Dort Einfluss zu nehmen, ist ein mühsames Geschäft. Doch die Standards, die in Brüssel geprägt werden, werden nicht nur in Deutschland, sondern auch in Deinem Land eines Tages Maßstab sein. Ich weiß auch, dass Dein Kampf mühsam sein wird. Lass‘ uns beide, jeder nach seinen Möglichkeiten, nicht locker lassen in unseren Bemühungen um bessere Arbeitsbedingungen und Standards.

Mit solidarischen Grüßen

Wolfgang Mayer

Wolfgang Mayer, Nürnberg, vertritt – nach langen Jahren im Bundesvorstand – die dju nun auf internationaler Ebene in EJF und IJF.


Eine historische Entscheidung

Es drängt mich – in Gedanken zur Vergangenheit zurückkehrend – eines vor allem mitzuteilen: Meine persönlich wichtigste Erfahrung in den Jahren meiner Mitarbeit im Bundesvorstand der dju war der Schritt aus meiner Privatheit in die Öffentlichkeit. Er war verbunden mit einem tiefgreifenden Lernprozess. Ich musste mir Wissen in bis dahin fremde Sachgebiete verschaffen, um aktiv mitmachen zu können. Das Spektrum war weit gefasst: Tarifrecht, Presserecht, Betriebsverfassung, Fragen der Organisation, der Ausbildung und Weiterbildung. Daraus ergab sich die Mitarbeit in relevanten Gremien des öffentlichen Lebens und die Begegnung mit vielen Menschen.

In diesem unbezahlten „Ehrenamt“ habe ich eine unbezahlbare Erweiterung meines Lebenshorizontes erfahren. Das möchte ich jungen Kolleginnen und Kollegen vermitteln, weil die Verweigerung der Jugend, Politik mitzugestalten, zu den negativsten Entwicklungen der Gegenwart gehört.

Der Rahmen, in welchem die Profilierung der dju stattfand, war die Absage progressiver Journalisten an ständisches Bewusstsein und das Bekenntnis zu ihrer politischen Funktion. Insofern war die Gründung der „Deutschen Journalisten-Union“ und ihre Organisation innerhalb der „IG Druck und Papier“ eine historische Entscheidung. Aus der mystischen Proklamation, dass man zum Journalisten geboren sein müsse, wurde ein den Realitäten verpflichtetes Bekenntnis. Der Berliner Zeitungsverleger Martin Carbe hatte 1922 behauptet: „Zum Journalistenberuf gehört angeborenes Journalistenblut, das durch keine Spezialdressur ersetzt werden kann.“

Diese naiv anmutende These diente bis in die Gegenwart als Argument gegen unsere Forderung nach einer systematischen Ausbildung für journalistische Berufe. Im dju – Berufsbild von 1979 heißt es. „Der Journalistenberuf ist erlernbar“. Und: Journalisten sollen „zur Verwirklichung der im Grundgesetz niedergelegten Grundrechte beitragen.“ Sie haben eine „öffentliche Aufgabe“. Das Bundesverfassungsgericht entschied: Die Presse hat für „die Gesellschaft eine schlechthin konstituierende Funktion“. Wir beklagen heute Sensations- und Inquisitions-Journa-lismus. Wahrhaftig ist die Einsicht: Eine aktuelle These. „Die Demokratie kann nicht besser sein als ihre Medien.“ (Harry Pross)

Fritz Michael, Dortmund, auf Landes – und Bundesebene für die dju sehr aktiv – unter anderem beim Aufbau von Haus Busch in Hagen


Warum ich in der Gewerkschaft bin? Weil ich von meinem Vater gelernt habe.

Mein Vater kam aus dem Krieg. Gelernt hatte er davor Konditor. Nach dem Krieg brauchten die meisten Menschen aber Brot. Keine Torten und Schillerlocken. Da ging mein Vater in die Fabrik. Auch wir brauchten Brot und wenigstens Margarine. Ein Care-Paket mit Milchpulver und Cheddar-Käse gab es nur zweimal in den Jahren.

In der Fabrik war mein Vater Arbeiter. Er arbeitete körperlich schwer. In den ersten jahren 48 Stunden pro Woche. Auch den halben Samstag. Und weil der Lohn für Frau und drei Kinder nicht reichte, arbeiteten er und meine Mutter in den freien Stunden im Garten. Sie bauten Kartoffeln und Gemüse an. An vielen Samstagen holten wir auf Sammelschein Brennholz mit dem Handwagen aus dem Wald.

In der Fabrik kamen bald die Akkord-Stopper. Sie legten einen schnelleren Arbeitstakt mit Lohn-Zulagen fest. „Akkord ist Mord“ sagten mein Vater und seine Kollegen. Aber sie arbeiteten für etwas mehr Geld schneller. Wer nicht mitmachte galt als rückständig und von Entlassung bedroht. Alle waren froh, dass sie Arbeit hatten.

Als ich ins Gymnasium ging, musste mein Vater ins Krankenhaus. „Unters Messer“. Die Arbeit hatte seine Wirbelsäule ruiniert. Die alte Arbeit konnte er danach nicht mehr weitermachen. Wir lebten nach der Aussteuerung von der Krankenkasse von der Sozialhilfe.

Die Fabrik hat ihn nicht entlassen. Sie gab ihm einen Job als Pförtner. In Wechselschicht. Nach ein paar Jahren waren auch sein Schlaf und sein Magen kaputt.

Als mein Vater nicht mehr konnte, haben sie ihn nicht entlassen. Sie haben ihn in einen Raum ohne Fenster geschickt. Dort hat er Karteikarten sortiert. Aber nicht lange. Die stumpfsinnige Arbeit hat ihn deprimiert.

Mitte Fünfzig hat er selbst gekündigt. Für wenig Geld hat er einen Aushilfsjob in einem Supermarkt angenommen. So bald wie möglich ist er dann in Frührente gegangen. Gesund geworden ist er nie mehr richtig. Mit 73 ist er gestorben.

In der Gewerkschaft Metall ist mein Vater erst sehr spät Mitglied geworden. Nach der Nazi-Zeit waren ihm Groß-Organisationen generell suspekt.

Ich habe von ihm und durch ihn gelernt: Bei der Gestaltung von Arbeits- und Lebensbedingungen gibt es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer individuell keine Beziehung wie unter Gleichen. Die Abhängigen müssen sich zusammenschließen, um annähernd gleichgewichtig zu sein. Das ist keine Frage der Moral oder der Ideologie. Die Koalition in einer Gewerkschaft ist ein Gebot der Vernunft.

Manfred Protze , dpa-Korrespondent in Oldenburg, stellvertr. Bundesvorsitzender der dju, Mitglied im Presserat


Journalisten in der Gewerkschaft?

Ja natürlich! Auch Journalisten brauchen eine Gewerkschaft. Dies werden wir zum Jubiläum hören – ebenso richtig wie belehrend.

Wenden wir’s einmal um: Die Gewerkschaft braucht die Journalisten. Ihren Eigensinn zum Beispiel, der sich nicht fraglos einfügt, wo traditionelle Einstellungen Disziplin erwarten. Ihren Widerspruch, wo die Eitelkeit von Amtsinhabern Folgebereitschaft einfordert. Ihre Fragen und Zweifel, wo Fraglosigkeit so bequem ist. Ihre Spontaneität, wo Berechenbarkeit zum Selbstwert wird. Kurz, ihre Individualität, die die Gewerkschaft vor kollektiven Versteinerungen bewahren kann.

Das eben machte das Wagnis der dju, später des VS in der IG Druck und Papier aus, und noch später den Zusammenschluss mit Künstlerinnen und Rundfunk-beschäftigten zur IG Medien : In diesem Mikrokosmos unterschiedlicher Berufe, Lebenswelten und Ein-stellungen spiegelt sich vermutlich die Arbeitsgesell-schaft von morgen.

Vielleicht ist noch etwas beispielhaft: Der Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Berufsfreiheit auf der einen und der Qualität des Arbeitsergebnisses auf der anderen Seite. Dies zeichnet die mehr als tausend Berufe der neuen Dienstleistungsgewerkschaft ver.di aus: Die Identifikation mit der Arbeit erstreckt sich auch auf das Produkt. Vor elf Jahren streikten ausgebildete Redakteure/innen für einen Tarifvertrag über das Redaktionsvolontariat. Sie selbst konnten an dem Tarifergebnis kein materielles Interesse mehr haben, doch sie stritten für Anerkennung und Zukunftsfähigkeit ihres Berufs.

Nutzen wir also den Zusammenhang zwischen Arbeitsbedingungen und Qualität des Ergebnisses.

Detlef Hensche, Vorsitzender der IG Medien


Zeit für die Tarif-Einheit

50 Jahre dju? Das waren und sind für mich 11 Jahre, in denen uns die Zeit kaum Zeit gelassen hat: „Wende“, Vereinigung, Auflösung des VDJ (Berufsorganisation der Journalisten der DD), Neuorientierung: IG Medien oder DJV?…Meine Entscheidung fiel für die IG Medien, wenig später für die Mitarbeit im Bundesvorstand der Fachgruppe – sozusagen in Vertretung des „Ostens“. Der Solidaritätsgedanke hat schwer gewogen, aber auch das Engagement und die Engelsgeduld der Kolleginnen und Kollegen aus dem „Westen“, die uns für die Zeit des Lernens und auch dann noch begleiteten, als wir unsere Lektionen gelernt hatten. Beispielsweise 1996 – wir bei „Freies Wort“ streikten für einen Haustarif, für den Erhalt der Arbeitsplätze, letztendlich für den Fortbestand unserer Zeitung. Unser erster Streik und dann gleich über fünf Wochen… Ohne die Solidarität der Kolleginnen und Kollegen als bspw. Die Streikkasse leer war und ohne Menschen wie z.B. Udo Hautmann hätten wir es ungleich schwerer gehabt.

Gewerkschaft heute? Ja. Es ist es Zeit für die Tarif-Einheit. Die Kolleginnen und Kollegen im „Osten“ arbeiten schließlich nicht 20 Prozent weniger oder schlechter als ihre „Westkollegen“. Ansprüche an die Gewerkschaft? Moderne Bildungsangebote, ein modernes Tarifgefüge, das in die viel zitierte Leistungs-gesellschaft passt, dass sie da ist, wenn sie gebraucht wird, und dass sie den Gedanken der nationalen und internationalen Solidarität wach hält und lebt.

Heike Haubold, erste Vertreterin der neuen Bundesländer im dju-Bundesvorstand


Auch ein 68er-Thema

Im April 1968 wechselte ich meine Arbeitsstelle, verließ das Philosophische Seminar der FU Berlin und trat in die „Spiegel“-Redaktion ein. Kurz zuvor (11.4.) war auf Rudi Dutschke geschossen worden und bei der Einfahrt nach Hamburg überholte mich eine Polizeikolonne – wie ich später erfuhr, sollte sie den Springer-Verlag vor aufgebrachten Demonstranten schützen. Wie bei uns in Berlin.

Sehr bald gab es im „Spiegel“ Auseinandersetzungen über die süffisant-herablassende Berichterstattung zur Protestbewegung (oder deren Aussparung). Wir begannen – noch ohne in der Gewerkschaft zu sein – mit Forderungen nach einem Redaktionsstatut. Aber bevor mich Rudolf Augstein schließlich mit vier anderen Wortführern hinauswarf, um die Gefahr von Mitbestimmung zu bannen, war ich in die dju eingetreten. Seither galt ein Großteil meiner publizistischen wie gewerkschaftlichen Arbeit der Durchsetzung von Mitbestimmung in den Medien. Schon 1972 waren ja alle Versuche, bei der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes den € 118 mit seiner Diskriminierung von Journalisten zu verhindern, an der FDP – Lautsprecher der Verleger in der damaligen sozialliberalen Koalition – gescheitert.

Nun soll dieses Gesetz novelliert werden – doch die Diskussion um mehr Mitbestimmung ist in den anderen Gewerkschaften versandet. Und unsere Stimme, die der dju in der IG Medien allein, ist zu schwach. Bleibt die Hoffnung auf eine Renaissance der Mitbestimmung – als Thema und Forderung – in und mit ver.di. Denn „wer Demokratie nicht ausdehnen will, trägt dazu bei, dass sie schrumpft“ (Willy Brandt).

Dieter Brumm, München, aktiv im Bundesvorstand der dju, seit 1983 Medienreferent der RFFU und ab 1989 bis 1995 der IG Medien.


Tendenzschutz und Mitbestimmung

Tendenzschutz. Nie gehört? Das geht den meisten von uns so. Im Redaktionsalltag wird er selten zum Thema. Wer ihn erst hautnah zu spüren bekommt, merkt, wie bald es vorbei ist mit der Mitbestimmung in den privaten Medienbetrieben. Betriebsräte in Tageszeitungen können manch garstig« Lied davon singen.

Erfunden und gesetzlich garantiert wurde er, um Tageszeitungen, Parteien, Gewerkschaften oder Kirchen vor Eingriffen des Staates oder starker Interes-sengruppen zu schützen. Faktisch ist Tendenzschutz aus ganz anderen Gründen prima: Wenn es zum Beispiel darum geht, unbequeme oder missliebige Redakteurinnen und Redakteure schleunigst aus der Redaktion zu entfernen. Da bleibt dem Betriebsrat nur eine Statistenrolle; erst der Arbeitsrichter darf eine nachvollziehbare und plausible Begründung einfordern.

Tendenzschutz ist auch deshalb prima, weil die großen Medienkonzerne in seinem Schutz ungestört wirtschaften können. Dass große Zeitungen oder Zeitschriften Jahr für Jahr Millionen-Gewinne machen, verkünden sie gern. Der Vorschlag, die eine oder andere Millionen mit einer engagierten Belegschaft teilen, gilt als Zumutung.

Schon geht es ja weiter: Erfolgsverwöhnte internationale Konzerne erklären unverfroren, es sei wirtschaftlich nicht mehr zu verkraften, dass Fotografen als Redakteurinnen und Redakteure beschäftigt und bezahlt werden.

Was nicht nachvollziehbar ist, solange die Beschäftigten/der Betriebsrat gar nicht wissen, wie es denn so läuft mit den Gewinnen und Verlusten. . .

Ach ja. Das wär« was. Dass auch in Deutschland – wie im Rest Europas – Betriebsräten der Blick in die glanzvollen Bilanzen erlaubt ist.

Dass Betriebsräte und Beschäftigte mitbestimmen, welche Gewinn-Anteile wie an die Beschäftigten zu verteilen sind.

Dass Redakteurinnen und Redakteure und Betriebsräte bei der Auswahl ihrer Chefs/Chefinnen mitreden dürfen. Und dass einsame Entscheidungen von Chef-redakteuren (Frauen sind ja allzu selten in dieser Situation) aufgrund persönlicher Vorlieben oder Vorbehalte nicht mehr möglich sind.

Höchste Zeit, dass solch« skurrile Ideen wieder Thema werden in den Redaktionen Und in der Politik. Die dju hat Redaktionsstatute und die Abschaffung des Tendenzschutzes immer wieder gefordert. Wer, wenn nicht die Gewerkschaft ver.di, könnte diese Debatte nun neu anstoßen und zu einer breiten Bewegung machen?

Sigrid Krause (46) Redakteurin seit 1975; Betriebsratsvorsitzende 1987-98;


Die öffentliche Diskussion über die Innere Pressefreiheit immer in Gang halten

Der Vorstand möge das Thema „Innere Pressefreiheit“ zu einem Schwerpunkt seiner Tätigkeit machen. So oder so ähnlich lauteten Anträge zu jeder Bundesdele-gierten-Konferenz. Sie gehörten zum Pflichtprogramm, wurden mal heftiger, mal weniger eifrig diskutiert. Immer aber war es ein zentrales Anliegen der dju, das Verhältnis Verlag – Redaktion auf eine gesetzliche oder wenigstens statutsmäßige Grundlage zu bringen. Damit die Unabhängigkeit der Redaktion garantiert werde und Redakteure und Redakteurinnen nichts gegen ihre Überzeugung schreiben oder in die Zeitung bringen müssten. Erfolge konnten wir nicht verzeichnen. Die Anträge bei unseren Konferenzen wurden zur Dauereinrichtung. Sicher, wir erlebten wie Anfang der 80er Jahre in vielen Redaktionen Statuten entstanden, und wie sie Anfang der 90er von den Verlegern wieder kassiert wurden.

Sicher, wir ließen nichts unversucht, Liberale, Sozialdemokraten, Grüne für eine gesetzliche Regelung der Inneren Pressefreiheit zu gewinnen. Und die dju war selbstverständlich auch in den Landtagen der neuen Bundesländer präsent, als die nach der Vereinigung Deutschlands das Thema behandelten.

Konkrete Ergebnisse konnten wir nicht verzeichnen, wie ein Blick in die Medienlandschaft zeigt. Die Erfolglosigkeit hat uns damals oft auch mutlos gemacht. Heute aber bin ich überzeugt, dass wir dennoch erfolgreich waren. Allein dadurch, dass wir nicht abgelassen haben vom Thema, dass wir die öffentliche Diskussion in Gang gehalten und dass wir Verleger und Politiker immer wieder daran erinnert haben, dass zur Pressefreiheit auch die Unabhängig-keit von Redakteurinnen und Redakteuren gehört.

Hartmut Schergel, Köln, von 1986-1992 Bundesvorsitzender der dju


Es hat Sinn…

„Liebe Kollegin, lieber Kollege,

zur Beurteilung der gestern abend begonnenen NATO-Einsätze in Jugoslawien übersende ich Euch anbei den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 16. Oktober 1998, auf den sich die Beteiligung der Bundeswehr stützt.

Kollege Dieter Schulte hat nach einer Erklärung des Bundeskanzlers zur ernsten Lage im Kosovo vor der SPD-Bundestagsfraktion am 23.03.1999 spontan die schwierige und historische Entscheidungssituation der rot-grünen Koalition gewürdigt und ihr in ihren Beratungen zum weiteren Vorgehen die Unterstützung des DGB zugesichert.

Mit freundlichen Grüßen – Unterschrift –

Günther Horzetzky

Bundesvorstandssekretär“

Ich bin stolz darauf, einer Gewerkschaft anzugehören, die sich einem solch unfassbaren Akt spontaner Gleichschaltung entzogen hat, wie er in diesem Brief an die Vorsitzenden der Mitgliedsgewerkschaften versucht wurde, einer Gewerkschaft, die in solidarischem Handeln mit den Schwestergewerkschaften dafür gesorgt hat, dass Herr Dieter Schulte unverzüglich seines Amtes enthoben wurde.

Ich bin stolz darauf, dass schließlich an seiner Stelle ein Kollege gewählt wurde, der sich jeglicher Hörigkeit gegenüber der rotgrünen Kriegspartei entzieht.

Ich bin Mitglied der DJU geworden, als unser verstorbener Kollege Walter Fabian ihr Vorsitzender war. ich freue mich, dass wir durch unser Verhalten sein Vermächtnis erfüllen.

Es hat Sinn, Mitglied der dju zu sein.

Otto Köhler, freier Journalist, Hamburg


500 000 DM Ordnungsgeld gegen die Pressefreiheit

„Ein Ordnungsgeld in Höhe von 500.000 Mark gegen die hessische dju“ – wie das? Stattgefunden hat diese Story vor ungefähr 20 Jahren, als ich gemeinsam mit vielen anderen Kolleginnen und Kollegen im Vorstand der hessischen dju aktiv war. Was war passiert?

Ein aus Sicht des Hessischen Rundfunks brisanter Film – und damit nicht zur Ausstrahlung geeignet – zur damaligen Auseinandersetzung um die Startbahn West am Frankfurter Flughafen war aus den Produktionsräumen des hr verschwunden und auch nicht wieder auffindbar. Der Sender war in heller Aufregung.

Bei uns, der hessischen dju, äußerte sich klammheimliche Freude, weil der umstrittene Film plötzlich bei uns aufgetaucht war. Ein Versteckspiel begann. Der hr wollte natürlich seinen Film zurück. Wir dagegen hatten den Anspruch, der Presse- und Meinungsfreiheit genüge zu tun und diesen Film „halb-öffentlich“ im Frankfurter Gewerkschaftshaus zu zeigen. Davon bekam auch der hr Wind und erwirkte per Gericht eine einstweilige Verfügung samt einem Ordnungsgeld in Höhe von einer halben Million Mark, sofern die dju diesen Film öffentlich zeigen würde.

Er wurde selbstverständlich gezeigt, verbunden mit einer Diskussion über das, was unter Journalisten unter „Presse-, Informations- und Meinungsfreiheit“ zu verstehen ist, über das Selbstverständnis der Hierarchen im hr und über die berühmte „Schere im Kopf“.

Ich habe diese Geschichte besonders in Erinnerung, weil die damalige IG Druck und Papier in dieser doch heiklen grundsätzlichen Auseinandersetzung den dju-Landesvorstand unterstützte. Irgendwann tauchte auf ebenso unerklärliche Weise der Startbahnfilm wieder im Archiv des hr auf, und – Schwamm darüber – gezahlt haben wir keine müde Mark.

Marita Eilrich, Frankfurt, ist jetzt die Pressesprecherin des DGB in Hessen


Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft

1980: Wie kommt man eigentlich in die Gewerkschaft? Als Berufsanfänger im Bergbau ganz einfach. Im Personalbüro gibt es bei der Einstellung einen Laufzettel. Eine der Anlaufstationen ist der Betriebs-rat: „Kollege, bist du schon Mitglied? Dann unterschreib hier!“ Zwei Jahre später der Wechsel als Volontär in die Redaktion einer kleinen Heimatzeitung. Der Kontakt zur neuen Gewerkschaft IG Druck und Papier muss gründlich recherchiert werden. Ich habe Glück: Man nimmt mich! Meine Gewerkschaftszeitung „Druck und Papier“ erhalte ich konspirativ von meinem betrieblichen Vertrauensmann in der Gasse der Metage. Mein Heimatverleger zahlt krass unter Tarif, statt Ausbildung folgt eine zweijährige Ausbeutung. Die mit Geiz gepaarte Sparsamkeit meines Verlegers hilft ihm jedoch auch nicht weiter. Ein paar Jahre später muss er seinen Laden schließen.

1990: Meine inzwischen zur IG Medien gewandelte Gewerkschaft ruft zum Arbeitskampf auf. Die Verhandlungen um den Abschluss eines Ausbildungs-tarifvertrages für Redakteure/Redakteurinnen sind ins Stocken geraten. Aus eigener Erfahrung weiß ich, um was es geht. Und ich weiß, was ich zu tun habe. Nach drei Streikwochen ist es geschafft: Der Ausbildungstarifvertrag ist unter Dach und Fach. Dies sollte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden mit Kollegen aus Druck- und Verlagsbetrieben, mit gewerkschaftlich engagierten Künstlern, Musikern und Schriftstellern….

2001: Wir wollen ver.di werden. Viele JournalistInnen sind verunsichert. Unser kleiner Haufen in der großen Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft, ob das mal gut geht? Meine KollegInnen aus dem Rheinischen beruhigen mich: „Peter, et hät noch immer jot jejonne!“

Peter Schröder-Metz, Dortmund, Landesvorsitzender der dju in NRW


Der Geist der dju!

Mit der dju fing Gewerkschaft für mich an, Mitte der 80er, IG Medien gab’s noch nicht, auch nicht im Münsterland. Nur die DruPa. Die dju legte sich mit den „Westfälischen Nachrichten“ in Münster an, musste aber leider klein beigeben. Keiner der freien Mitarbeiter wollte gegen die WN aussagen. Sie waren so frei. Etwas Ironie muss sein. Anders die Hessen: Mit ihrem Freien-Kampf machten sie Furore und Mut. Dann Hamburg. Der Geburtstag der IG Medien. In einer Kellerkneipe sangen zu vorgerückter Stunde Medienarbeiter die Internationale. Das waren noch Zeiten. Weiter ging’s: Die dju forderte einen Ausbildungstarifvertrag für Volontäre, Frauengleichstellung in den Redaktionen und Arbeitszeitverkürzung. Und natürlich hatten wir die Quote in der Geschäftsordnung der Bundesfachgruppe Journalismus, wie die dju nach der IG-Medien-Gründung eigentlich hieß. Und dann haben wir tatsächlich gestreikt, Anfang der 90er, und wie! Ganz schön viele, und die Drucker haben sich solidarisiert. Da konnte der DJV nicht mithalten, auch nicht mit seinem ‚Journalisten‘. Durchsetzungskraft ist immer noch ein Bomben-Service. Schließlich gab’s in NRW die erste Beratungsstelle der IG Medien für Freie, initiiert durch einen dju-Antrag. Die Bedenken und ihre Träger waren groß und mächtig. Aber die Idee setzte sich trotzdem durch, auch anderswo. Sonst würde der IG Medien was fehlen. Ohne die dju würde mir was fehlen. Jetzt bin ich im VS. Da fehlt mir manchmal der Geist der dju.

Agnes Kottmann, früher freie Journalistin und im dju-Bundesvorstand. Jetzt freie Autorin


Journalistische Qualität

Als ich 1966 meine journalistische Laufbahn als Volontärin begann, wurde mir als Vertrag ein Papier in die Hand gedrückt, auf dem das Gehalt stand (260,- DM brutto monatlich). Keine Regelung über inhaltliche Ausbildungsziele, keine Regelung über die Abfolge der Ausbildung, keine Betreuung. Es galt die gesetzliche Arbeitszeit- und Urlaubsverordnung. (46-Stunden-Woche). Das war damals üblich.

Fünf Jahre später wurde die Journalistenausbildung, beflügelt durch die politische Situation, zum Thema. Stichwort: Innere Pressefreiheit. In der Diskussion ging es zunächst keineswegs um die oben aufgeführten Arbeitsbedingungen, sondern um journalistische Qualität, die sich, so dachte man auch in der

IG Druck und Papier, umgehend einstellen würde, wenn den Journalisten genügend Selbstbestimmung in ihrer Arbeit gelassen würde (Stichwort: Tendenzschutz). In diesem Zusammenhang wurde eine bessere Ausbildung gefordert, eine universitäre Ausbildung, die der gesellschaftlichen Verantwortung der Journalisten gerecht wird. Die universitäre Ausbildung wurde an vielen Orten geschaffen. Die Arbeits-bedingungen konnten durch Tarifverträge verbessert werden (Seit 1990 gibt es auch einen Tarifvertrag für Volontäre).

Und was ist mit der Qualität? Als Günter Jauch Mitte der 80er Jahre eine Veranstaltung der IG Medien moderierte, die eine qualifiziertere Journalistenausbildung zum Thema hatte, hat sich niemand der Teilnehmer und Teilnehmerinnen vorstellen können, dass er einst als Quizjunge der Nation enden wird.

War«s das? Ich denke, die Diskussion um eine bessere Qualität wurde von vielen, auch von mir, eindimensional geführt und von der romantischen Vorstellung begleitet, dass bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Ausbildung schnurgerade zum besseren Journalismus führen, der, klar doch, von gesellschaftskritischen Gedanken durchdrungen sein muss.

Hat nicht geklappt. Und würde selbst dann nicht klappen, wenn in Nullkommanix der Tendenzschutz abgeschafft wird.

Zur Zeit wird die Diskussion um journalistische Qualität mit akademischer Heftigkeit geführt: Jeder hat seine Meinung. Alle zusammen haben irgendwie recht. Schade, dass sie sich so wenig Journalisten daran beteiligen, schade, dass auch von der IG Medien so wenig dazu zu hören ist.

Was bleibt? Die Hoffnung auf die Kraft der Neuen, sich trotz alledem dafür einzusetzen, dass der Tendenzschutz abgeschafft wird, dass die Arbeitsbeding-ungen zumindest nicht verschlechtert werden und dass die Journalistenausbildung ein größeres Gewicht innerhalb der Gewerkschaft erhält. Und dass das kritische Bewusstsein in unserer Lach- und Schießgesellschaft nicht nur auf gewerkschaftlichen Sitzungen abgearbeitet wird.

Ulli Gröttrup, lange im dju-Bundesvorstand aktiv, jetzt Professorin an der Fachhochschule Hannover und Leiterin des Modellprojekts Journalistik


Qualitätssicherung durch Aus- und Fortbildung wäre auch ein Gewerkschaftsthema!

Die Volontärsausbildung war es, die mich in die Arme der Gewerkschaft getrieben hat. Damals noch als Studentin in der Volo-AG zogen wir mit der Drehorgel vor das Medienforum und verstärkten die Streikposten vor der WAZ in Hagen-Bathey. Das Thema Journalistenausbildung beschäftigt mich heute hauptberuflich als Journalistik-Dozentin an der Universität Leipzig. Die Gewerkschaft IG Medien spielt dabei nahezu keine Rolle mehr. Nicht, weil eine böswillige Feindschaft gegenüber Positionen der IG Medien dort das Klima bestimmen würde, sondern weil für mich keine wahrnehmbaren Impulse in Sachen qualifizierte Aus- und Fortbildung für Journalistinnen und Journalisten von der IG Medien ausgehen. Heute schließen Online-Anbieter freiwillig miteinander Vereinbarungen über die Qualifizierung ihres Nachwuchses ab. Die Notwendigkeit einer substanziellen Ausbildung des journalistischen Nachwuchses wird heute also stärker außerhalb als innerhalb der Gewerkschaft erkannt – schade eigentlich. Qualitätssicherung durch Aus- und Fortbildung – wäre doch auch ein Thema für ver.di – oder?

Margret Lünenborg, Berlin/Leipzig, nach ihrer Tätigkeit im dju-Bundesvorstand und Promotion inzwischen an der Uni Leipzig und zur Zeit – Gratulation, Gratulation – im Mutterschaftsurlaub


er Aufstand der Selbstständigen

50 Jahre reicht meine Erfahrung nicht zurück. Aber auch vor 18 Jahren, als ich als frischer Quereinsteiger mir auf einem dju-Seminar erste Informationen über die freie Arbeit abholte, waren wir Freien noch Exoten. Da gab es noch etliche in der IG Druck und Papier, die sicher waren, dass Selbstständige in der Gewerkschaft nun aber ganz bestimmt nichts verloren haben.

Wenn heute ver.di die Selbstständigen als wichtige Zielgruppe definiert und erste Angebote auch für selbstständige Lkw-Fahrer, Postagentur-Betreibe-rinnen, freie Computerfreaks, Hebammen und Versicherungsvertreter entwickelt, dann ist das das Verdienst der dju.

Es war deren Freien-Arbeit, die die Selbstständigen in der Gewerkschaft hoffähig gemacht hat. Und das ist gut so: Die Gewerkschaft, von der ich träume, ist für alle da, die von ihrer eigenen Hände Arbeit leben. Und hoffentlich ähnlich erfolgreich wie die dju.

Goetz Buchholz, Hannover, u.a. Autor des allbekannten „Ratgebers Freie“ der IG Medien


Zweimal aufgelöst

Mit dem Fall der Mauer blieb im Osten nichts wie es vorher war. Auch der Verband der Journalisten der DDR (VDJ) mit Sitz in Berlin wählte einen neuen, einen letzten Vorstand, dem ich angehörte. Die Auflösung wurde vorbereitet, hin und her gerissen zwischen DJV und IG Medien. Ich fühlte mich von Anfang an zur Mediengewerkschaft hingezogen. Kolleginnen kamen nach Berlin und gaben praktische Hilfe, für den Start in gesellschaftliche Verhältnisse, die sich schwieriger darstellten, als wir es in Büchern gelesen hatten – auch weil nicht alles einfach in schwarz oder weiß aufzuteilen war. Da saßen wir in einem kaum acht Quadratmeter großen VDJ-Kabuff unter dem sommerheißen Dach über dem Kabarett Distel in der Friedrichstraße und bereiteten mit Christa Hasenmeile aus dem für uns damals fernen und unbekannten Kempten, den Boden für den Eintritt von DDR-Journalisten in die IG Medien. Ich wurde, wie viele andere auch, bereits 1990 arbeitslos. Auf dem Weg in die mir als nicht realisierbar erscheinende Freienarbeit profitierte ich von dem Erfahrungsschatz der Kollegen aus dem mir fremden anderem deutschen Land, in dem ich nun lebte. Vor allem die unzähligen persönlichen Kontakte und die Mitarbeit in der dju gaben Kraft und bewirkten, dass ich schneller Fuß fasste, als befürchtet. Westberliner, allesamt IG Medien, nahmen mich in ihrem Presse-büro transit auf. Bis heute arbeiten wir, inzwischen drei Ostberliner Frauen mit zwei Fotografen, unter diesem Namen sehr erfolgreich.

Nach dem Kongress 1990, auf dem der VDJ sein Ende besiegelte, gingen viele Berlin-Brandenburger in die IG Medien, einige aber auch in den DJV. Inzwischen war ich in Kempten, mag den Allgäuer Dialekt und lernte auch sonst so manchen bundesdeutschen Flecken kennen. Und ich erlebte nach kaum zehn Jahren den nächsten Auflösungskongress. Nun warte ich erneut, dass das mulmige Gefühl im Magen bald vergeht.

Karin Wenk, Berlin, Landesvorsitzende der dju in Berlin-Brandenburg


Das Recht auf schöpferische Faulheit

Es war der letzte Tag der Bundesberufsgruppenkonferenz der Deutschen Journalisten Union in der IG Druck und Papier in Springen. Es war 1988 und es war der Wechsel von den „Bundesberufsgruppen-konferenzen“ zu den „Bundesfachgruppenkonferenzen“. Es war der Start der Fachgruppe Journalismus (dju, SWJV) in die IG Medien.

Drei Tage lang war geackert worden, waren Anträge gestellt, diskutiert und verabschiedet worden. Anträge, die ihren Weg nach Hamburg zum „1. Gewerk-schaftstag der Industriegewerkschaft Medien“ nehmen sollten.

Und dann, nach der Mittagspause des letzten Tages, war es auf einmal da, lag auf den Tischen der Delegierten, war verteilt worden vom Kollegen Werner Petschick: Es war ein kleines Stückchen Karton, 8×21 cm, mattgelb. Gemütlich hingegossen lag eine kleine Tonfigur in der Mitte auf dem Bauch. Das linke Bein lässig über die Ferse des rechten Fußes geschlagen, den Kopf behaglich auf den verschränkten Armen gebettet. Und dazu der verheißungsvolle Text:

„Ein Recht auf schöpferische Faulheit kommt erst im Jahr 2002 in die Satzung der IG Medien – bis dahin gibt’s noch viel zu tun. Besonders für die Fachgruppe Journalismus (dju, SWJV).“

Zwölfeinhalb Jahre hing dieses Versprechen an der Pinwand über dem Schreibtisch. Zwölfeinhalb Jahre war es ein tägliches Versprechen, das Mut gab, auch in schlechten Zeiten weiter in den IG Medien aktiv zu sein.

Und nun? Aus, Schluss, vorbei? Nichts mehr mit dem „Recht auf schöpferische Faulheit“?

Es sei denn, es kommt eine Kollegin oder ein Kollege daher mit einem kleinen Stückchen Karton, 8×21 cm, mattgelb mit folgendem Text:

„Ein Recht auf schöpferische Faulheit kommt erst im Jahr 2016 in die Satzung von ver.di und bis dahin gibt’s noch viel zu tun.“

Wulf Beleites, Hamburg


Atlantikschwimmer auf hoher See

Als ich in die dju eingetreten bin, wusste ich, ich komme in einen Laden, der sich kämpferisch um die Interessen der Journalistinnen und Journalisten kümmert. Als aus der IG Druck und Papier die IG Medien wurde, war ich voller Zuversicht. Heute, Richtung ver.di, überwiegt die Angst. Ich weiß: Angst ist ein schlechter Ratgeber. Positives Denken ist angesagt, Hoffnung auf die Chancen des Neuanfangs. Aber in die Hoffnung mischen sich Zweifel, die Wünsche kollidieren mit der Erfahrung. Große Organisationen haben Gewicht durch ihre Größe, aber sie sind auch schwerfällig und unbeweglich. Davor fürchte ich mich als alter dju-ler. Unser alter Klub war klein, aber fein. Der neue wird monumental. Dort könnte Freiräume sich öffnen, doch es könnte auch alles auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zusammengestutzt, die vielseitigen Erfahrungen, Bedürfnisse, Interessen über einen Kamm geschoren werden. Aber: „Angst essen Seele auf“ deshalb vielleicht doch die Atlantikschwimmer „Wir haben keine Chance, aber wir nützen sie“???

Werner Jany, Baden-Württemberg


Meine Gewerkschaft und ich…..

Ich habe ein Verhältnis.

Meine Frau und meine Kinder beklagen es.

25 Jahre dauert mein „Verhältnis“ mit der dju nun schon.

In den Siebziger Jahren hatte ich den Ruf gegen alles zu sein. In den 80er Jahren wurde ich ein rundes Dutzend Prozesse hineingezogen, die ich ohne die Rechtshilfe der dju nicht durchgestanden hätte. Bei den Rechtshilfeersuchen vermerkte unser Justitiar Wolfgang Schimmel in der Betreff-Spalte nur noch: Zint gegen den Rest der Welt.

Nachdem dann aber glücklicherweise die meisten Prozesse gewonnen wurden, musste ein Teil der Kosten von der Gegenseite bezahlt werden. Herr Alfons P. (der Polizist mit dem gerichtlich verordneten Brett vorm Kopf) hat sich nach einem letztinstanzlichen Urteil sogar zu einer „Person der Zeitgeschichte“ hochprozessiert und darf endlich ohne Brett gezeigt werden. Auch eine Art „Karriere“ zu machen.

Bei den Prozessen sind auch einige Grundsatzurteile herausgekommen, die für alle KollegInnen von Bedeutung wurden. Z.B. Mindesthonorare bei Stadtzeitungen und Veranstaltungskalendern und die erste „Fotogegendarstellung“ in 12 Tageszeitun-gen (Wallraff/Strauß-Prozess).

Der Hauptvorstand in Stuttgart „rächte“ sich für meine Prozesswut an mir, indem er mir eine Funk-tion innerhalb der dju zuwies und ich wurde vom Schimpfer zum Beschimpften. Ich habe erkennen müssen wie schwierig es ist, Fotografen zu organisieren.

Pressefotografen sind Künstler und Individualisten. Trotzdem haben wir in schönster Einigkeit viele interessante Seminare in Lage/Hörste und Springen durchgeführt, ohne uns dabei in die „Haare“ zu geraten. Wir haben dabei wichtige Dinge auf den Weg gebracht. Die Kennzeichnung manipulierter Fotos mit [M] zum Beispiel (was die BLIND-Zeitung allerdings nicht kapiert hat). Oder Aufklärung über die KSK und die Verwertungsgesellschaft VG BILD-KUNST. Auch mit den neuen Techniken haben wir uns beschäftigt.

Seit 15 Jahren vertrete ich die Interessen der FotografInnen der IG Medien als Verwaltungsratsmitglied in der VG BILD-KUNST. Demnächst wohl die der ver.di-FotografInnen. Ich sehe mit sehr gemischten Gefühlen in die Zukunft. Schon nach der Gründung der IG-Medien hatten wir Probleme, uns als Berufsgruppe mit sehr speziellen Problemen wiederzufinden. Gelingt es uns, die Fotografen auch innerhalb von ver.di gut zu vertreten? Es wird wohl nötig sein, eine Pressuregroup zu gründen um in dieser Mammutgewerkschaft die spezifischen Probleme der FotografInnen noch berücksichtigen zu können. Die schlage ich hiermit als Thema für das nächste FotografInnenseminar vor.

Günter Zint , Fotograf (Pan-Foto), bereitet auch die Ausstellung für die Veranstaltung „50 Jahre dju“ in Köln vor


Auszüge aus der Rede der Vorsitzenden anlässlich des 75jährigen Jubiläums der dju 2026

„…2001 war das vielleicht wichtigste Jahr in unserer Geschichte. Die Kolleginnen fassten damals in seltener Einmütigkeit den Beschluss, dass Mitgliedschaft in der dju folgendes voraussetze:

1. visuelle Fähigkeiten (um Reales und Authentisches sorgfältig vom Inszenierten und Virtuellen zu unterscheiden);

2. auditive Kompetenz (auf dass nicht verlernt werde, die Nachtigall trapsen zu hören);

3. olfaktorische und geschmackliche Potenz (um den eigentlichen Braten zu riechen und durch anspruchsvolle Produkte den Medienrezipienten Appetit auf mehr zu machen);

4. taktile und haptische Befähigung (damit Ereignisse und Entwicklungen erfasst und begriffen würden);

5. Empathie (um das Gefühl für die Leiden der Opfer journalistischer Arbeit zu wecken).

In konsequenter Umsetzung dieses neuen Sinnlichkeitsprofils wurden ab Mai 2001 alle dju-Veranstaltungen prinzipiell zu liebe- und lustvollen Begegnungen, bei denen Künstlerisches dargeboten, fein gespeist, guter Wein verkostet wurde und auch die Erotik nicht zu kurz kam. Es war der Beginn einer neuen Blütezeit der dju…..“

Björn Engholm


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