Detlef Weiand ist Cutter im SWR und engagierter Personalrat
„Manchmal muss man ein kritischer Geist sein, Herzblut und Leidenschaft zeigen – nicht nur immer mit Krämerseele auf die Uhr starren: Wann ist denn Feierabend?“, sagt Detlef Weiand. Andererseits gibt er zu bedenken: „Freilich müssen wir die von ehemaligen Gewerkschaftskollegen mit Schweiß und Tränen erkämpften Errungenschaften, weg von der 60-Stundenwoche und der Kinderarbeit hin zu den heutigen Arbeitsbedingungen verteidigen“. Der langjährige Cutter beim Südwestdeutschen Rundfunk (SWR) ist keiner, der nur Aktenstapel von a nach b legen will. Er sprüht nur so vor Ideen. Der gelernte Radio- und Fernsehtechniker schneidet hauptsächlich Magazinbeiträge für „Landesschau“, „Report“, „Ländersache“ und das Wissenschaftsmagazin Odysso. „Die Zuschauer zahlen Gebühren, und haben Anrecht darauf, Qualität geliefert zu bekommen“, stellt er mit Nachdruck klar.
Gegen notorische Maschinenstürmerei
Seit rund 20 Jahren ist Detlef Weiand als Techniker beim Funkhaus des SWR in Mainz beschäftigt, fast ebenso lang im Personalrat des Senders und in ver.di engagiert. Dem technischen Wandel, der im Sender im Gang ist, kann er Positives abgewinnen – notorische Maschinenstürmerei ist seine Sache nicht. Vieles werde einfacher, wenn Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen zeitgleich auf Filmmaterial Zugriff nehmen und es mit einem Chip jederzeit auf ihre Festplatte laden können. „Während ich mich mit dem Schnitt beschäftige, kann der Kollege vom Ton schon ran, und sich über Musikunterlegung Gedanken machen“, schildert er die Vorteile. Während graphische Details vorgenommen werden, kann bereits untertitelt werden. Im Archiv kann man sich derweil überlegen, welche historischen Szenen eingespielt werden. Kolleginnen und Kollegen in den Nachrichtenredaktionen arbeiteten bereits auf diese Weise, andere Ressorts befänden sich in der Umstellung. Zudem müsse nicht ständig wieder ein neues Kamerateam an denselben Ort – womit man aber auch schon bei möglichen Nachteilen angekommen sei: So könnten aus diesem Grund auch Personaleinsparungen stattfinden – und letztendlich der Blickwinkel auch für die Zuschauer verengt werden. „Jedes Kamerateam hat doch einen ganz eigenen Blick auf die Dinge“.
Damit ist Weiand bei seinem Lieblingsthema: Die unbedingt zu erhaltende Rundfunkqualität. Der Trend gehe dahin, auf einen Überraschungseffekt zu setzen. Motto: Ich klingele an der Tür, und frage eine spontane Reaktion von Leuten ab – was dann in Zwei- oder Drei-Minütern gesendet wird. Auch das habe mitunter seine Berechtigung, genauso wie der Videojournalismus, bei dem keine Ü-Wagen und keine Kamerateams mehr benötigt würden. „Durch zunehmende Geschwindigkeit werden wir aber alle auch zu Getriebenen“. Das führe zu vermehrter Arbeitsverdichtung und Stress. Der übliche Sendebetrieb sei hingegen meist sehr kommunikativ: „Wenn ein Kamerateam oder ein Ü-Wagen sich auf den Weg macht, gibt es kaum alleinherrliche Entscheidungen.“ Zum Beispiel würden Kollegen gefragt: „Findest Du diese Aufnahme gut oder sollte man sie anders machen?“ Feste Studiozeiten seien Garant dafür, dass „die Arbeit auch mal ein Ende haben muss“. Ist das Studio von 13 bis 16 Uhr gebucht, muss alles in dieser Zeit erledigt sein. Hingegen könnten Arbeitszeiten im einsamen und entfesselten Videojournalismus ausufern. Unter Umständen werde dann selbst nachts aufgestanden und am Computer nachgebessert.
Gegen zu viele Fremdvergaben
Gegen kurze, schnelle Filmbeiträge sei generell nichts einzuwenden, der abwertende Begriff „Trash“ sei mitunter ungerecht, findet Detlef Weiand. Charly Chaplin habe darauf hingewiesen, dass viele seiner Filme sehr kurz seien, aber zusammengesetzt ein langes kunstvolles Werk ergäben. Beides habe seinen Reiz, meint er. Gefahr bestehe allerdings, dass die schnelle und meist oberflächlichere Machart zunehme, weil Sendezeit so billiger gefüllt werden könne. Er warnt davor, die langen, sorgsam inszenierten Formate alle außer Haus produzieren zu lassen – dem Sender gehe so Kompetenz verloren. Für die Kameraleute müsse weiterhin die Möglichkeit bestehen, vor dem Dreh auf Motivsuche zu gehen oder beispielsweise darüber nachzudenken: „Nehme ich die Wolken am Himmel besser mit oder ohne Filter auf?“. Hilfreich könne mitunter auch sein, ein Sendekonzept noch einmal eine Nacht zu überschlafen oder den Mut zu haben, es zu revidieren.
Die Wand des Personalratsbüros schmückt ein Brecht-Zitat über die Gewalt: „Der reißende Strom wird gewalttätig genannt, aber das Flussbett, das ihn einengt, nennt keiner gewalttätig.“ Dies sei bei Verhandlungen mit der Geschäftsleitung zu bedenken, sinniert Detlef Weiand. Manchmal müsse man sie überzeugen, einen falschen Weg eingeschlagen zu haben, indem sie immer mehr Produktions- und Redaktionsaufgaben fremd vergibt. Als langjähriges ver.di-Mitglied macht er sich Sorgen, dass es schwerer wird, Leute für die Gewerkschaft zu werben. Nur etwa ein Drittel der Belegschaft des SWR trage die Gewerkschaft, doch profitierten alle von Tariferhöhungen. Dass junge Kolleginnen und Kollegen mitunter eine Mitgliedschaft nicht in Erwägung zögen, könne jedoch darin begründet sein, dass sie nur befristete Verträge bekämen und langfristig gar nicht planen könnten. „Das war vor etwa 20 Jahren anders, als ich beim SWR anfing: Damals gründeten sich private Sender – wer sich nicht besonders dumm anstellte, konnte unterkommen: mit festem Vertrag!“