Beim deutsch-französischen Sender funktioniert die Sozialpartnerschaft nicht mehr – weil die Arte-Spitze Frankreichs Arbeitsgesetze zu eng auslegt und ver.di zu einer Gewerkschaft minderen Rechts machen will.
In Zeiten, in denen rechtsextreme Parteien die europäische Zusammenarbeit im Allgemeinen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Besonderen angreifen, ist der deutsch-französische Sender Arte notwendiger denn je. Die Zusammenarbeit deutscher und französischer Medienschaffender in dem Straßburger Unternehmen ist sichtbares Zeichen dafür, dass das demokratische Europa auch alte „Erbfeindschaften“ überwinden kann.
Allerdings knirscht es derzeit vernehmlich im Alltags-Gebälk von Arte, weil Verwaltungsdirektor Emmanuel Suard seit seinem Amtsantritt im vorigen Jahr die Sozialpartnerschaft im Sender infrage stellt – zumindest, was sein Verhältnis zu deutschen Gewerkschaften betrifft. Als die Firma Arte G.E.I.E gegründet wurde, schlossen die französischen Gewerkschaften und die ver.di-Vorgängerorganisation IG Medien mit der Arbeitgeberseite 1994 einen grenzüberschreitenden Tarifvertrag zur Regelung der grundlegenden Arbeitsbeziehungen in dem Sender. Wichtigster Punkt: Jede/-r Arte-Beschäftigte hat das Recht, sich durch eine Gewerkschaft seiner Wahl vertreten zu lassen – unabhängig davon, ob diese Gewerkschaft in Berlin oder Paris sitzt. In der Folge beteiligte sich ver.di an den Tarifverhandlungen bei den „réunions syndicales“ (Sitzungen des Arbeitgebers mit Vertretern der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften), und ver.di-Kollegen kandidierten auf den Listen französischer Schwestergewerkschaften erfolgreich für das „comité d’entreprise“ (Betriebsrat).
Überraschend für ver.di kündigte der neue Verwaltungsdirektor 2017 diese bewährte Sozialpartnerschaft auf. Suard, zuvor Botschaftsrat für Kultur in der diplomatischen Vertretung Frankreichs in Berlin, zog sich auf die Rechtsposition zurück, das französische Unternehmen Arte könne nur mit französischen Gewerkschaften rechtsverbindliche Verträge schließen. ver.di solle sich mit der Rolle eines am Katzentisch sitzenden Beraters begnügen, der zwar angehört werde, am Ende aber kein Recht zur sozialen Mitbestimmung habe. 4 von 10 Arte-Beschäftigten kommen aus Deutschland und werden nun ihres vertraglichen Rechts beraubt, durch eine deutsche Gewerkschaft vertreten zu werden.
Damit verbunden waren schwere Angriffe auf die ehrenamtlichen ver.di-Aktiven unter den Arte-Beschäftigten. Der langjährige Moderator der Nachrichtensendung „arte journal“, Jürgen Biehle, der mit dem Sender eine Auseinandersetzung um den Verbleib in der deutschen Sozialversicherung führte, wurde buchstäblich „ausgehungert“, indem ihm mehrere Monate die Zahlung von Gehalt und Krankengeld verweigert wurde. Biehle ist Betriebsratsmitglied und ehrenamtlicher ver.di-Vertreter bei den Gewerkschaftssitzungen. Einem anderen ver.di-Betriebsrat, der sich erfolgreich in eine Festanstellung geklagt hatte, wurden zusätzliche Urlaubs- und Krankheitsvertretungen verwehrt, mit denen der Familienvater vorher auf eine Vollzeitbeschäftigung gekommen war.
Arte setzt sich in seiner öffentlichen Darstellung für Menschenrechte und europäische Werte ein – zuletzt bei der Frankfurter Buchmesse, wo Arte sich dem Bündnis „I am on the same page“ anschloss, das journalistisch auf Menschenrechtsverletzungen reagieren will. ZDF Intendant Thomas Bellut betonte dabei für Arte Deutschland, dass dies auch für Menschenrechtsverletzungen in Europa gelte. Man darf also gespannt sein, ob sich nun an der Haltung des Arte-Verwaltungsdirektors zum Menschenrecht auf gewerkschaftliche Organisation etwas ändert. Bis es soweit ist, hat ver.di keinen Grund, Tarifverträge zu unterzeichnen, die den Arte-Beschäftigten in den letzten Jahren nur geringste Gehaltssteigerungen bescherten – und hat seine Mitarbeit bei den „réunions syndicales“ bis auf weiteres eingestellt.