Verdianer als Betriebsräte gewählt

Positive Signale über die Anzahl der Mandate

Im Frühjahr wurden auch in den Medien­betrieben neue Betriebsräte gewählt. Die Gremien haben ihre Arbeit aufgenommen, aber noch nicht alle Wahlergebnisse konnten erfasst werden. Eine Einschätzung fällt deshalb schwer, wobei die vorliegenden Daten und die „Stichproben“ in großen Verlags- und Zeitungshäusern durchaus positive Signale aussenden, zum Beispiel über die Anzahl der ver.di-Vertreter in den Arbeitneh­mervertretungen. Die dju scheint insgesamt die Zahl ihrer Mandate in etwa gehalten zu haben. Im Folgenden einige Wahlsplitter dazu kreuz und quer durch die Republik.

Die Beteiligung an den Wahlen der Betriebsräte in 230 betrachteten Betrieben beträgt durchschnittlich etwa 79 Prozent. Dabei gibt es wenige Ausreißer wie 42,7 Prozent bei Springer in Berlin oder 48,8 Prozent bei Madsack in Hannover. Mehr als 80 bzw. 90 Prozent Wahlbeteiligung gab es vor allem in Druckbetrieben oder in solchen, wo Druck und Verlag einen Betriebsrat bilden wie zum Beispiel im Druck- und Verlagszentrum Westfalen mit 87,63 Prozent.
Insgesamt haben die ver.di-Kandidatinnen und -Kandidaten gut abgeschnitten. Im Zeitungsverlag Westfalen / West­fälische Rundschau (WR), die durchaus als eine Hochburg beständiger und durch die dju geprägter Betriebsratsarbeit bezeichnet werden kann, nahmen 80,35 Prozent der Belegschaft ihr Wahlrecht wahr. Von neun Betriebsratsmitgliedern sind acht in der dju organisiert. Für all das hat der alte und neue Betriebsratsvorsitzende Malte Hinz eine Erklärung: „Die Kolleginnen und Kollegen haben auch in den vergangenen vier Jahren gesehen, dass sie durch kompetente Leute vertreten werden.“ So sei es beispielsweise gelungen, trotz minimalistischer Personalausstattung für „einiger­maßen erträgliche Arbeitsbedingungen“ in den WR-Redaktionen zu sorgen – beispielsweise durch Betriebsvereinbarungen über tarifliche Arbeitszeitregelungen oder über die Einführung neuer Redaktions- und Datenverarbeitungssysteme. „Es ist sicher auch ein Erfolg des Betriebsrates, dass es trotz der Schließung dreier Lokalredaktionen nicht zu einem Verlust von Arbeitsplätzen gekommen ist. Die Tatsache, dass durch die mit Chefredaktion und Verlag vereinbarten Versetzungen und durch personelle Verstärkung der Redaktionen soziale Brüche vermieden werden konnten, wurde bei der Betriebsratswahl honoriert“, ist Hinz überzeugt. Künftig wird sich der Betriebsrat mit dem Thema Innere Pressefreiheit befassen. Nach gut 30 Jahren ohne Redaktionsstatut sei es an der Zeit dafür.

Redaktionsstatut gehört dazu

„In einer Qualitätszeitung, in der Menschen mit steigender Verantwortlichkeit arbeiten, sollte der Redaktionsalltag einen hohen Grad an Demokratisierung und Mitwirkungsmöglichkeiten aufweisen. Und dazu gehört ein Redaktionsstatut“, so Hinz. Schließlich seien die Redaktionen und auch der Betriebsrat „doch beinahe täglich mit einem vermeintlichen Widerspruch konfrontiert: Auf der einen Seite gibt es den Anspruch, mit einer minimalen Ausstattung eine Qualitätszeitung zu erstellen, und auf der anderen Seite sollen dieser Anspruch und seine Umsetzung mit den tariflichen und gesetzlichen Normen in Einklang gebracht werden. Diesen ‚Widerspruch‘ zu bewältigen, ist eine zentrale Aufgabe des Betriebsrates“, so Hinz. Auch in der Westfalenpost (WAZ-Konzern) ist ver.di mit acht von neun Betriebsräten gut vertreten, die Wahlbeteiligung lag bei 77,12 Prozent.
Mit Leiharbeit in der Redaktion vor allem bei den Volontären müssen sich die Betriebsräte der Nordwest-Zeitung ausei­nandersetzen. In der Einigungsstelle geht es derzeit um die Arbeitszeitregelung in der Redaktion. „Dem Vorschlag für eine flexible Arbeitszeitgestaltung des Betriebsrates wollte der Arbeitgeber leider nicht folgen“, so Betriebsratsvorsitzender Uli Jan­ßen (ver.di). „Bei zirka 65 Prozent Wahl­beteiligung konnten wir unsere bisherige Position von sechs ver.di-Vertretern unter neun halten. Das ist gut“, so Janßen. Bei der Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & Co KG (Neue Presse Hannover, Hannoversche Allgemeine Zeitung, Heimatzeitung / Region Hannover, Druck und Versand) gab es in der letzten Zeit ebenfalls einige harte Nüsse für den Betriebsrat zu knacken. So wurden 200 Stellen über Altersteilzeit im technischen Bereich abgebaut. Personalabbau steht auch weiter im Programm der Arbeitgeber ebenso wie die Einführung eines neuen Redaktionssystems … „Also es gibt jede Menge zu tun“, ist sich Betriebsratsvorsitzender Rainer Butenschön (ver.di) sicher. Offenbar sei die bisherige Arbeit auch der ver.di-Vertreter als gut eingeschätzt worden, so Butenschön zum Wahlergebnis, bei dem wie vor vier Jahren 11 der 15 Sitze von Verdianern gewonnen werden konnten. „Bedauerlich“ und sicher auch unverständlich angesichts der anliegenden Probleme dagegen die mit 48,8 Prozent geringe Wahlbeteiligung (2002 noch 56,6 Prozent). Ein erfreulicher Effekt: Bei Madsack ist „Nachwuchs für die Betriebsräte in Sicht“, junge Leute wurden als Ersatzmitglieder gewählt. Das ist im Übrigen auch eine Beobachtung, die ver.di-Bezirkssekretär Bernd Mann in München gemacht hat. „Es gibt viele neue und auch junge Gesichter in den BR-Gremien bei Burda, Bauer und im Süddeutschen Verlag. Im Süddeutschen Verlag‑/‑Süddeutsche Zeitung‑/sieben Töchter gehören zehn der 15 Betriebsräte, darunter die Spitze, ver.di an. „Wobei wir bei uns Wert darauf legen, mit den Nicht-Organisierten gut zusammenzuarbeiten, da sind wir auf einem guten Weg“, so Renate Richter, freigestelltes Betriebsratsmitglied (ver.di). Neu beim Süddeutschen Verlag ist, dass erstmals ein Redakteur (dju) stellvertretender BR-Vorsitzender und freigestelltes Betriebsratsmitglied ist. Auch bei der Abendzeitung in München ist wieder ein dju-Kollege Vorsitzender. Im Berliner Zeitungsverlag (Berliner Zeitung, Berliner Kurier) wurde ebenfalls die gleiche dju-Kollegin wie zuvor als Vorsitzende gewählt. Von den elf Gremien-Mitgliedern sind neun bei ver.di, davon sechs in der dju. Der Verlag befindet sich seit der Übernahme durch Montgomery in stürmischem Fahrwasser. Mitten im Ringen um ein Redaktionsstatut wurde der Chefredakteur der Berliner Zeitung gewechselt, jetzt stehen die Ankündigungen über Personalabbau und Umstrukturierung ins Haus (S. 3). Auch beim Verlag Der Tagesspiegel GmbH in Berlin ist ver.di mit sechs von neun Mitgliedern im neuen Betriebsrat gut vertreten. Auch der Vorsitz ging an ver.di.
In der Frankfurter Rundschau sind alle 13 Betriebsratsmitglieder in ver.di organisiert. Die Wahlbeteiligung betrug 69 Prozent. Ähnlich hoch war sie in der Frankfurter Societäts-Druckerei / Frankfurter Neuen Presse, wo die 13 Gremienmitglieder ebenfalls Mitglied in ver.di sind, die Vorsitzende ist in der dju.
Im Verlagshaus Berlin der Axel Springer AG lag die Wahlbeteiligung bei 42,7 Prozent gegenüber 60,4 Prozent vor vier Jahren. „Ich nehme an, dass die niedrigere Beteiligung wohl vor allem Ausdruck des allgemeinen Trends im Wahlverhalten ist. 2002 hatten wir eine besondere Situation“, sagte Petra Pulver, wiedergewählte Betriebsratsvorsitzende. „Einerseits stand das Berliner Haus vor erheblichem Personalabbau durch die Zusammenlegung der Redaktionen Die Welt und Berliner Morgenpost sowie weitere Maßnahmen. Andererseits wurden damals die Betriebsräte von Ullstein, der Welt‑/‑Welt am Sonntag und der Bild-Außenstelle Berlin zu einem gemeinsamen Betriebsrat zusammen­gefasst und die Mitarbeiter/innen jedes Bereiches wollten ihre Kandidat/innen in das neue Gremium bringen.“
Während dem 17köpfigen Betriebsrat in Berlin noch zwei ver.di-Vertreter (dju /Druckerei) vorstehen, ging der Vorsitz des Springer-Gesamtbetriebsrates erstmals an eine Hamburgerin aus dem DJV. Einen weißen BR-Fleck hat ver.di offenbar im Schwäbischen. Bei der nicht tarifgebun­denen Schwäbischen Zeitung GmbH Co KG und der SV Kaufmännischer Service GmbH komme ver.di im Betriebsrat „nicht mehr vor“, wurde informiert.
In der Südwest Presse Ulm gehören neun ver.di Mitglieder zum elfköpfigen Betriebsrat, darunter sind fünf in der dju. Vom Redaktionsgemunkel im Vorfeld der Wahl um zuviel „Gewerkschaftsnähe“, die es abzustrafen gelte, ist offensichtlich nicht viel geblieben, meint Betriebsratsvorsitzender Siegfried Heim (ver.di).

Gute Arbeit wird anerkannt

„Ein ganz ordentliches Wahlergebnis“ sieht Betriebsratsvorsitzender Thomas Laskow­sky (ver.di) in der Mediengruppe Magdeburg, Magdeburger Volksstimme und Generalanzeiger (Bauer). Acht Mitglieder von neun sind in ver.di organisiert. Im Bauer-Programmzeitschriftenverlag in Hamburg wurde bei einer Wahlbeteiligung von 69,1 Prozent ein 9köpfiger Betriebsrat und eine ver.di-Vorsitzende gewählt. Weitere vier Mitglieder gehören ver.di an. Seit vielen BR-Wahlen unverändert, gehören dem neunköpfigen Betriebsrat im Verlag und Druckerei Main-Echo Aschaffenburg ausschließlich langjährige ver.di-Mitglieder an. Eine Besonderheit: Die weibliche Minderheit im Betrieb hat die Mehrheit im Betriebsrat übernommen – fünf von neun sind Frauen. Im siebenköpfigen Betriebsrat des Zeitungsverlages Neue-Presse-Verlags-GmbH (Passauer Neue Presse) sind drei ver.di-Leute, wobei sich hier die offene ver.di-Bündnis-Liste erneut bewährt hat, sie konnte 80 Prozent der Stimmen und damit sechs Mandate für sich gewinnen. 82,3 Prozent der Belegschaft beteiligten sich an der Wahl ihres Betriebsrates in der Schwarz­wälder Bote Mediengesellschaft mbH und Druckzentrum Südwest GmbH. Von elf Arbeitnehmervertretern sind zehn in ver.di organisiert. Bei der Saarbrücker Zeitung (Verlag und Druck) arbeiten die acht ver.di-Leute gut mit den drei anderen Kollegen zusammen: „Eine Gegenbewegung oder gar Konkurrenz-­Organisation ist nicht in Sicht“, so der ­Betriebsratsvorsitzende Roland Harig (ver.di). Betriebsratsvorsitzender Holger Strehl (ver.di) vom Pressehaus Bintz-Verlag GmbH & Co KG sieht einen Grund für die sieben Mandate, die ver.di im neunköpfigen Betriebsrat erringen konnte, in der ­guten Arbeit während der MTV-Verhandlungen Druckindustrie im vergangenen Jahr. „Ein besserer Tarifvertrag wäre eine Illusion zur heutigen Zeit – wir können alle gemeinsam stolz sein, die 35-Stunden-Woche verteidigt zu haben“, meint Strehl, dessen Betriebsrat für die Tageszeitung ­Offenbach-Post, 16 Heimatzeitungen und den Dieburger Anzeiger verantwortlich ist. „Die Zeiten im Medienhaus Lensing, Dortmund (Verleger: Florian und Lambert Lensing-Wolf) zu dem wir gehören, sind alles andere als rosig (M berichtete) – keine Tarifbindung mehr, Personalabbau …“, so Betriebsratsvorsitzender Martin Fahlbusch (ver.di). Zwei von fünf Betriebsräten sind ver.di-Mitglieder (zwei im DJV).
Auch jenseits der Zeitungs- und Zeitschriftenverlage und Druckbetriebe gibt es gute Wahlergebnisse. Bei der Stiftung Warentest in Berlin sind acht der neun BR-Mitglieder von ver.di, einschließlich des Vorsitzenden. Bei der dpa-Tochter news aktuell in Hamburg wurde ein fünfköpfiger Betriebsrat gewählt. Der Vorsitzende ist ver.di-Mitglied. Auch bei RTL Television ging es in Köln, Berlin und München zur Wahlurne. Dem 15köpfigen Betriebsrat am Haupt­standort Köln gehören fünf ver.di-Mitglieder an, unter ihnen der Vorsitzende (fünf DJV, fünf nicht organisiert). Die Wahlbeteiligung lag in Köln bei 70 Prozent. Die drei Betriebsräte der Kino Lausitzpark Betriebsgesellschaft mbH sind ebenso in ver.di ­organisiert wie die drei der UCI Kinowelt Mundsberg.

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