Auf der Flucht

Nothilfebericht von Reporter ohne Grenzen zum Weltflüchtlingstag

Zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni erinnert Reporter ohne Grenzen (ROG) an das Schicksal zahlreicher Journalisten und Blogger, die aus ihren Heimatländern fliehen müssen: Im Jahr 2010 zählte ROG rund 130 Journalisten und Blogger, die wegen ihrer Recherchen und Berichte in Lebensgefahr gerieten und deswegen ins Exil gingen. Rund ein Viertel von ihnen kam aus dem Iran, ein weiteres Viertel aus den ostafrikanischen Staaten Eritrea und Somalia.


Die Unterstützung von Journalisten auf der Flucht und im Exil macht den größten Teil der ROG-Nothilfearbeit in Berlin und Paris aus. In ihrem Bericht zieht die Menschenrechtsorganisation eine Zwischenbilanz ihrer Unterstützung von Medienschaffenden in Not während der ersten fünf Monate 2011.
Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2011 unterstützte ROG 150 Journalisten, Online-Dissidenten und Medien in Not. In rund der Hälfte dieser Fälle richteten sich die Hilfsleistungen an Medienschaffende auf der Flucht und im Exil. ROG hilft unter anderem bei der Beantragung von Visa und des Flüchtlingsstatus bei der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR sowie bei der Finanzierung einer Unterkunft, des Lebensunterhalts oder medizinischer Behandlungen. In 12 Fällen setzte sich ROG bisher in diesem Jahr für Asylgesuche von Journalisten in Deutschland ein. Fünf davon entschieden die Behörden bereits positiv. Für eine Reihe weiterer Journalisten und Blogger (z.B. aus dem Iran) versucht ROG zudem Nothilfe-Visa für einen zeitweiligen Aufenthalt in sicheren Staaten zu erwirken.

„Zum Weltflüchtlingstag bekräftigen wir ein weiteres Mal unsere Forderung an die Mitgliedsländer der Europäischen Union nach regelmäßigen, flexiblen und erweiterten Aufnahmeprogrammen für Medienmacher auf der Flucht“, so Jens-Uwe Thomas, Referent für Migrationsrecht, Flüchtlingsarbeit und Nothilfe bei der deutschen ROG-Sektion. Kontingentregelungen wie sie etwa die deutsche Regierung im vergangenen Jahr für iranische Aktivisten erlassen hat, können nur ein erster Schritt sein. Viele der Flüchtlinge seien auch nach ihrer Flucht in Nachbarstaaten nicht sicher und häufig traumatisiert, nachdem sie überfallen, gefoltert, inhaftiert oder mit dem Tode bedroht worden waren. „Es darf nicht sein, dass diese Menschen Ihr Leben bei illegalen Einreiseversuchen in sichere Staaten wie EU-Länder oder die USA riskieren müssen“, kritisiert Thomas.
Außerordentlich prekär ist beispielsweise die Lage von Medienmitarbeitern, die aus Ländern am Horn Afrikas wie Eritrea, Äthiopien und Somalia geflüchtet sind. Einige von ihnen sind im kenianischen Flüchtlingslager der Stadt Kakuma an der Grenze zum Sudan gelandet, das niemand ohne Erlaubnis der UN und der lokalen Behörden verlassen darf. Um ein Fenster zur Außenwelt offen zu halten, haben einige Flüchtlinge die Zeitung Kanere gegründet. In dem gedruckt und online erscheinenden Medium berichten die freiwilligen Mitarbeiter über die schwierigen Lebensbedingungen und die beschränkten Rechte der Lagerbewohner. Sie werden regelmäßig tätlich angegriffen, bedroht, ihr Material wird zerstört und ihre Unterkünfte werden beschädigt.
Als respektiertes und einflussreiches Exilmedium hat sich mittlerweile die „Demokratische Stimme Birmas“ („Democratic Voice of Burma“ – DVB) etabliert. Die in Norwegen und Thailand ansässige DVB umfasst einen Satelliten-Fernsehkanal, eine Radiostation sowie eine Webseite. Von der birmanischen Regierung als „Lügner“ verfemt, erfreut sich der unabhängige Sender in der Bevölkerung wachsender Popularität. Mit Hilfe von 100 verdeckt arbeitenden Mitarbeitern versucht die DVB, ausgewogene Informationen zur Situation in dem südasiatischen Land zu liefern. 17 DVB-Videojournalisten wurden deswegen zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Unter anderem mit finanzieller Hilfe von ROG hat DVB eine Kampagne zur Freilassung ihrer Mitarbeiter gestartet.

    ROG / Red. 

ROG-Nothilfebericht

ROG-Nothilfebericht in deutsch:
http://bit.ly/lmtN6y

Beispiele Exilmedien

http://www.dvb.no/
http://kakuma.wordpress.com/

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Medienkompetenz: Von Finnland lernen

Finnland ist besonders gut darin, seine Bevölkerung gegen Desinformation und Fake News zu wappnen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Schulen, aber die Strategie des Landes geht weit über den Unterricht hinaus. Denn Medienbildung ist in Finnland eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auf vielen Ebenen in den Alltag integriert ist und alle Altersgruppen anspricht. Politiker*innen in Deutschland fordern, sich daran ein Beispiel zu nehmen. Kann das gelingen?
mehr »

Beim Tatort selbst ermitteln

Ein Zocker sei er nicht. So sagte es Kai Gniffke, Intendant des Südwestrundfunks (SWR), als er im August vorigen Jahres auf der Gamescom in Köln zu Gast war. Am ARD-Stand hat sich der damalige Vorsitzende des Senderverbunds dennoch zum Zocken eingefunden, zu sehen auch im Stream auf der Gaming-Plattform Twitch. Erstmals hatte die ARD einen eigenen Auftritt auf der weltweit größten Messe für Computer- und Videospiele – ein deutliches Signal, dass die ARD auch auf Games setzt. Und das hat maßgeblich mit dem SWR zu tun.
mehr »

Europäische Serien werden erfolgreicher

Das Festival Series Mania bietet alljährlich einen internationalen Überblick der kommenden TV-Serienhighlights, wenn rund 5000 Branchenprofis aus 75 Ländern zusammenkommen. Auch in diesem Jahr feierten zahlreiche Produktionen mit ungewöhnliche Themen Premiere. US-Amerikanische Serien waren diesmal kaum vertreten. Das hat politische Gründe.
mehr »

Medienrat: Chance für den ÖRR

Der Medienrechtler Wolfgang Schulz hält es grundsätzlich für positiv, einen Medienrat zu schaffen, der evaluiert, ob die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Auftrag insgesamt erfüllen. Es sei „eine gute Idee“ eine Institution zu haben, die gesamthaft die Entwicklung der Rundfunkanstalten in den Blick nehme, erklärt Schulz, Vorstandsvorsitzender des Leibniz-Instituts für Medienforschung Hans-Bredow-Institut (HBI).
mehr »