BBC verliert weiter zahlende Kunden

Vor dem Eingang des Broadcasting House mit dem BBC-Logo am 29. Januar 2020. An diesem Tag gab das Unternehmen bekannt, dass es in London rund 450 Stellen aus seiner Nachrichtenabteilung streichen wird.
Foto: Reuters/Henry Nicholls

Die British Broadcasting Corporation (BBC) in Großbritannien kämpft weiter mit ungewissen Zukunftsaussichten. Dabei geht es für den traditionsreichen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter in erster Linie um die ständig unter Beschuss stehende finanzielle Ausstattung. Die Einnahmen durch die Rundfunkgebühren sind eingebrochen. Gleichzeitig wird die BBC von rechtspopulistischer Konkurrenz eingekreist, während die Regierung weitere Einsparungen plant.

Die BBC verliert am laufenden Band zahlende Kund*innen. Darauf weist ein im Januar 2021 erschienener Bericht des britischen Rechnungshofs hin, der auch ein internationales Medienecho auslöste. So berichtete am 21. Januar der Berliner „Tagesspiegel“ darüber, dass es inzwischen „einige Unsicherheit über die finanzielle Zukunft der BBC“ gebe. In der Periode von 2017/18 bis 2019/20 sind die aus den Rundfunkgebühren (in Großbritannien TV-Licence genannt) eingenommenen Summen um 310 Millionen Pfund auf 3.52 Milliarden Pfund gefallen. Die Zahl der beitragszahlenden Haushalte ist in dem Zeitraum um 450.000 gesunken. Hauptgründe sind laut dem Rechnungshofbericht einerseits veränderte Sehgewohnheiten in der Bevölkerung, andererseits Maßnahmen der Regierung.

Hier ist insbesondere die Gebührenbefreiung für über 75-jährige von Belang. Für deren Rundfunkgebühren muss nun die BBC selbst aufkommen. In einer Reaktion auf den Rechnungshofbericht sagt Paul Siegert, der für die BBC zuständige hauptamtliche Organisator der britischen Journalistengewerkschaft NUJ, dass der BBC dadurch jährlich Kosten in Höhe von 500 Millionen Pfund entstehen würden. „Diesen Belastungen konnte nur begegnet werden, indem bei der Qualität des Fernsehprogramms und des Journalismus eingespart wurde“, so Siegert.

Eine zusätzliche Gefahr liege in der Drohung, die Gebührenpflicht in Großbritannien zu entkriminalisieren. Bislang drohen Geldstrafen, wenn der jährliche Betrag von 157,50 Pfund nicht entrichtet wird. Die konservative Regierung von Premierminister Boris Johnson hat im vergangenen Jahr immer wieder öffentlich darüber nachgedacht, die Strafbarkeit bei Nichtbezahlung aufzuheben, um der BBC die Flügel zu stutzen. Nur so ist wohl die Aussage des ehemaligen Regierungsberaters Dominic Cummings zu verstehen: Die BBC, „hat hunderte Radiosender. Sie hat diese ganzen Fernsehsender und eine riesige Webseite. Das ganze Ding braucht eine massive Zurechtstutzung.“

Dabei sind die Rundfunkgebühren die Haupteinnahmequelle der BBC. Allein die Entkriminalisierung könnte einen jährlichen Einnahmeverlust von 200 Millionen Pfund bedeuten, so die NUJ in einer Analyse vom Januar 2021.

Pläne vorübergehend auf Eis gelegt

Inzwischen hat die Regierung die Pläne vorübergehend auf Eis gelegt, will in kommenden Jahren aber wieder darauf zurückkommen, wenn wieder über die Finanzierung der BBC und deren Budget diskutiert wird. Das ist in Großbritannien bei den regelmäßig stattfindenden Verhandlungen über die Erneuerung der „Royal Charter“ der Fall. Dabei handelt es sich um die Sendelizenz, welche die britische Krone, also der britische Staat, der BBC verleiht. Immer wenn diese Lizenz neu verhandelt wird, werden auch Weichenstellungen diskutiert, wie zum Beispiel Einsparungen, Privatisierungsideen oder neue Finanzierungsmodelle. Die nächste Verhandlungsrunde über die „Royal Charter“ beginnt im Jahr 2022.

Dabei knabbert die BBC immer noch an den Auswirkungen der bei der jüngsten Erneuerung der „Royal Charter“ vereinbarten Einsparungen. Von 2019 bis 2020 musste die Rudnfunanstalt jährlich 618 Millionen Pfund einsparen. 450 redaktionelle Arbeitsplätze gingen deshalb alleine bei der Sparte „BBC News“ verloren. Weitere 450 redaktionelle Arbeitsplätze wurden in den englischen Regionen eingespart.

Dennoch ist die BBC mit ihrer umfassenden Präsenz am britischen Medienmarkt immer noch dominierend. Sie betreibt neun Fernsehsender, zehn Radiosender mit landesweiter Reichweite, 40 Lokalradiosender, Webseiten und Apps. Hinzu kommen von der BBC finanzierte Symphonieorchester und eine große Zahl kultureller Veranstaltungen. 91 Prozent der erwachsenen britischen Bevölkerung, so die NUJ-Analyse, nutzen wöchentlich das Angebot der BBC.

Innere Widersprüche und Abhängigkeiten

Doch der Druck, unter dem die BBC steht, ist nicht nur finanzieller oder wirtschaftspolitischer Natur. Sie hat auch mit inneren Widersprüchen zu kämpfen. So soll sie einerseits einen Journalismus liefern, der die Mächtigen zur Verantwortung zieht. Andererseits ist sie zur Ausgewogenheit verpflichtet. Die Mitglieder des „BBC-Boards“, des Leitungsgremiums welches unter anderem den Generaldirektor der BBC bestellt, werden von der britischen Königin auf Empfehlung der jeweils amtierenden Regierung bestellt. Sowohl finanziell als auch beim Führungspersonal besteht somit eine Abhängigkeit von Staat und Regierung. Der amtierende BBC-Generaldirektor Tim Davie ist langjähriges Mitglied der konservativen Regierungspartei. Für die Entwicklung eines regierungskritischen Journalismus ist das nicht gesund.

Trotzdem wächst die Bedeutung der BBC in Krisenzeiten an. So habe eine BBC-Kampagne für nachbarschaftliche Solidarität während der Covid-19 Pandemie durch lokale BBC-Radiosender 800.000 Zuhörende motiviert, bedürftige Personengruppen in ihrer Nachbarschaft zu unterstützen, sagt die NUJ. Und BBC-Generaldirektor Tim Davie verwies in einer am 3. September 2020 gehaltenen Rede darauf, dass sich 60 Prozent der britischen Bevölkerung in der Pandemie als erstes der BBC als verlässliche Informationsquelle zuwenden würden.

Das bedeutet aber auch, dass die BBC für immerhin 30 Prozent der britischen Bevölkerung nicht erste Wahl zu sein scheint. In diese Nische möchte der im März mit dem Sendebetrieb startende Nachrichtensender „GB News“ stoßen. Er wird von der in Dubai sitzenden Investorengruppe „Legatum“ finanziert, die in Großbritannien den rechten Thinktank „Legatum Institute“ betreibt. Als prominente Ankerfigur konnte „GB News“ den Politikjournalisten Andrew Neil von der BBC abwerben. Neben seiner Rolle als BBC-Journalist ist Neil langjähriger „Chairman“ des rechts- und nationalkonservativen Magazins „Spectator“. Auch „GB News“ soll eine entsprechende Schlagseite bekommen. Der neue Sender wolle sich „an die große Zahl in der britischen Bevölkerung richten, die sich nicht gehört fühlt“. Dafür rekrutiert „GB News“ gerade 140 Journalist*innen. Für manche, die bei der BBC gerade ihren Job verloren haben, könnte das möglicherweise interessant sein.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Eine Stimme für afghanische Mädchen

Die iranische Filmemacherin Sarvnaz Alambeigi begleitet in ihrem Dokumentarfilm „Maydegol“ über viele Jahre eine junge Muay-Thai-Boxerin aus Afghanistan, die im Iran unter schwierigen Umständen für ein selbstbestimmtes Leben kämpft. Im Interview erzählt Alambeigi, welche Rolle das Kopftuch für den Film spielt, was sie von der jungen Generation gelernt hat und warum der Film endet, bevor Maydegol endlich gelingt, was sie sich wünscht.
mehr »

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

Trump: Angriff auf kritische Medien

Donald Trump hat schon im Wahlkampf angekündigt, US-Medien, von denen er sich kritisiert und angegriffen sieht, auszuschalten, sollte er gewählt werden. Von welchen Möglichkeiten er dabei unter anderem Gebrauch machen kann, hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in einem Beitrag aufgeführt. Es zeigt sich: Trumps Drohungen sind alles andere als unrealistisch. Und sein Vorbild für diese sitzt in Europa.
mehr »