Der schwierige Weg zu Medienvielfalt und Meinungsfreiheit

Zur Lage der Print-Medien in Südafrika

Seit dem Machtwechsel in Südafrika sind mehr als fünf Jahre vergangen. Doch mit den Folgen des Apartheidsregimes hat die Zeitungslandschaft noch immer zu kämpfen. Erst Ende November sorgte der Zwischenbericht der südafrikanischen Menschenrechtskommission zu Rassismus in den Medien für neuen Wirbel. Aber auch die Konzentration der Verlagshäuser geht nicht spurlos an Journalisten und Redakteuren vorüber, die sich um eine unabhängige Berichterstattung sorgen.

Fast 40 Prozent der südafrikanischen Bevölkerung konnten 1996 weder lesen noch schreiben. Doch mit den hohen Ausgaben der ANC-Regierung für Bildung und Erziehung steigt auch die Alphabetisierung. Eigentlich gute Vorraussetzungen für einen wachsenden Printmedienmarkt. Das gilt jedoch nur für Magazine und Fachzeitschriften, erläutert Chris Vick, der Medienexperte der ANC-Regierung. Die großen Zeitungen hätten ein sehr traditionelles Verständnis von Zeitungsarbeit und würden sich nicht einmal die Mühe machen, themenspezifische Supplements zu erstellen, die gezielt ein junges Lesepublikum ansprechen. „Die Medien sind mehr auf sich selbst orientiert, als dass sie in die Gesellschaft wirken“, so Vick.

Pressekonzentration und ausländische Konzerne

Anders als bei Hörfunk- und Fernsehenanstalten, die einer Sperrminorität von 20 Prozent für Investoren aus dem Ausland unterliegen, gibt es für Verlagshäuser keine eigentumsrechtlichen Auflagen. Die Hälfte der großen Wochen- und Tageszeitungstitel, deren Gesamtauflage 3,3 Millionen beträgt, ist seit 1994 in der Hand des irischen Verlegers Tony OÕReilly. Mit großem Abstand folgt der Verlag Times Media Limited, der zur Holdinggesellschaft Johnnic mit dem Vorstandsvorsitzenden Cyril Ramaphosa, einem ehemaligen Gewerkschaftsführer und ANC-Generalsekretär, gehört sowie die afrikaanssprachige Verlagsgruppe Nasionale, die jeweils sechs große Zeitungstitel herausbringen.

Vor allem Sonntagszeitungen erfreuen sich einer großen Beliebtheit und einige haben eine Auflage von knapp einer halben Million. Die größte, „Sunday Times“, ist im Besitz der Times Media. Es folgt der afrikaanssprachige „Rapport“ (erscheint im Eigenverlag), den Vick als einzige Publikation bezeichnet, „die immer noch in einer Art und Weise über den ANC schreibt, als würde es sich um eine terroristische Organisation handeln“.

Vorurteile

Massive Kritik an der Medienlandschaft übt auch der Vorsitzende der Menschenrechtskommission. Anläßlich der Vorstellung des Zwischenberichts zu Rassismus in den Medien warf er den Journalisten vor, dass sie sich ihrer Vorurteile häufig nicht bewusst seien und vorschnell Schwarze mit Kriminellen in Verbindung bringen würden. Und vor allem die Zeitungen, so der Ende November veröffentlichte Zwischenbericht, stellten den neuen Präsidenten Thabo Mbeki als einen „weiteren machthungrigen, baldigen afrikanischen Diktator“ dar.

Nicht alle teilen die Kritik der Menschenrechtskommission. Philip von Niekerk, Chefredakteuer der linksliberalen Wochenzeitung „Mail & Guardian“, die als einzige alternative Oppositionszeitung aus der Apartheidsära überlebt hat, weist das Urteil der Kommission als unzutreffend zurück.

Alternativen

Der „Mail & Guardian“ stieg vor 15 Jahren – damals hieß die Wochenzeitung noch „Weekly Mail“ (vgl. Publizistik & Kunst 5/90, „M“ 5/94) – in die Zeitungslandschaft ein. Er reüssierte mit einer Story über Experimente mit Giftstoffen, die gegen Apartheidsgegner eingesetzt werden sollten. In den Folgejahren gehörte „Weekly Mail“ zu den Zeitungen, deren Seiten besonders häufig von der Zensurbehörde des Apartheidsstaates geschwärzt wurden. „Die Gegnerschaft zum Apartheidsregime bewegte den ANC offensichtlich, uns nach dem Machtwechsel als regierungsloyales Blatt zu betrachten“, erklärt die stellvertretende Chefredakteurin Rehana Roussow.

Doch auch nach 1994 betrieb der „Mail & Guardian“ investigativen Journalismus und deckte unter anderem Korruptionsfälle und Misswirtschaft beim ANC auf. Das veranlasste schon Nelson Mandela zu heftigen Vorwürfen, der die kritische Berichterstattung als Nestbeschmutzung ansah. Doch trotz der massiven Politikerschelte, die sich bis heute fortsetzt, unterliege der „Mail & Guardian“ „keiner direkten Zensur“, so Roussow.

72 Prozent der Zeitung gehören mittlerweile dem britischen Guardian. Trotzdem ist die Redaktion nicht einem vergleichbaren Erfolgsdruck wie die Publikationen der Independent-Gruppe des Iren OÕReilly ausgesetzt, wo es nach Angaben des Chefredakteurs der regionalen Tageszeitung „Cape Times“ einzig und allein um die Auflagenstärke geht. „Wir machen auch heute noch keinen Profit“, beschreibt hingegen Roussow die Situation des „Mail & Guardian“. Die Beziehungen zur Mutterzeitung in Großbritannien beschreibt sie wie die eines Projekts zu einer Stiftung, deshalb sei eine weitgehende redaktionelle Unabhängigkeit gewährleistet.

Abhängigkeiten

Anders als beim „Mail & Guardian“ regeln in anderen Redaktionen die jeweiligen Besitzverhältnisse die politische Berichterstattung. Bei Times Media hat der ANC-Mann Ramaphosa öffentlich klar gestellt, dass seine Zeitungen „die Ansichten ihres Besitzers widerspiegeln“ müssen. Yazeed Fakier, der für die „Cape Times“ arbeitet, beklagt sich über die große Anzahl von „Hofberichterstattern“. „Viele Journalisten fragen nicht nach, weil sie Angst vor Beschwerden haben und nicht den Eindruck erwecken wollen, gegen die Regierung zu sein“, erklärt Fakier. Die Independent-Gruppe O’Reillys greife „keinen heißen Themen auf, weil sie eine Renationalisierung des Verlags und eine stärkere Kontrolle befürchtet“, ergänzt Barry Streek, Parlamentsberichterstatter des „Mail & Guardian“.

Im Februar will die Regierung neue Pressegesetze verabschieden. Dann wird sich zeigen, ob der Bericht der Menschenrechtskommission zur Rechtfertigung einer größeren Kontrolle der Presse herhalten soll oder einer Stärkung kritischer Berichterstattung dienlich ist. Auf der Agenda stehen außerdem Vorschriften, die weitere Monopolbildungen verhindern und damit eine gewisse Medienvielfalt garantieren sollen. Dazu gehört unter anderem ein Topf, der mit Steuerabgaben auf Werbeanzeigen gefüllt wird, um andere, weniger finanzkräftige Medien zu unterstüzten.


  • Gerhard Klas, freier Journalist aus Köln, besuchte Anfang November mit einer Journalistendelegation des Referats für entwicklungsbezogene Bildungsarbeit der Evangelischen Akademien, der Fachstelle Eine Welt Medien, des GEP und des Solidaritätsfonds Demokratische Medien in der Welt e.V. Südafrika. Wir werden in loser Folge über die Ergebnisse dieser Reise, die sich mit der Situation der Medien und der Medienschaffenden in Südafrika beschäftigte, in M berichten.
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