Liste der 34 größten Unterdrücker der Pressefreiheit veröffentlicht
Es sind nicht nur die alten Bekannten wie Russlands Präsident Wladimir Putin, Irans Staatschef Mahmud Ahmadinedschad oder Simbabwes Präsident Robert Mugabe. Auch und gerade wer nicht so im Rampenlicht steht, verletzt Menschenrechte wie die Medienfreiheit – Staatschefs genauso wie unkontrollierte Milizen oder bewaffnete Oppositionsgruppen.
Nach seiner Wiederwahl mit offiziell fast 95 Prozent der Stimmen schlug Zine el-Abidine Ben Ali deutliche Töne an. Der tunesische Staatspräsident versprach im Oktober 2004, die Pressevielfalt im Land zu unterstützen, Räume für Diskussionen zu schaffen und die Arbeitssituation für Journalisten zu verbessern. Für jene, die tatsächlich kritisch und unabhängig berichten wollen, haben sich die Hoffnungen jedoch nicht erfüllt. Slim Boukhdir beispielsweise wurde im Mai dieses Jahres gleich zweimal Opfer von Angriffen. Polizisten in Zivil lauerten ihm am 3. Mai auf, beschimpften und traten ihn und nannten ihn einen Verräter und Spion. Wenige Tage später wurde er beim Verlassen eines Internet-Cafés abgefangen. Boukhdir erkannte einen der Angreifer als Polizisten und konnte nur mit Glück entkommen. Er führt die Übergriffe auf Veröffentlichungen zurück, in denen er eine Panik während eines Popkonzertes in der Stadt Sfax schilderte, bei der sieben Menschen ums Leben kamen. Verantwortlich für das Chaos und die Todesfälle machte der Journalist den Organisator des Konzertes – ein Verwandter der Frau von Staatspräsident Ben Ali.
Vom Geheimdienst begleitet
Auch ausländischen Kollegen erscheinen die hehren Worte von Ben Ali wie Hohn. Im November vergangenen Jahres wurde der Algerier Meddi Adlène während seiner Recherchen tagelang von Geheimdienstmitarbeitern begleitet. Zwar wurden seine Interviews mit Tunesiern nicht unterbunden, doch waren viele Gesprächspartner eingeschüchtert. Einer französischen Journalistin wurde die Einreise nach Tunesien verweigert. Auch die renommierten Pariser Tageszeitungen Le Figaro und Le Soir kennen die Einschränkung der Pressefreiheit. Ausgaben wurden in Tunesien nicht verbreitet, weil sie sich kritisch mit dem Islam befassten. Für die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) ist die Lage in Tunesien so dramatisch, dass sie Präsident Ben Ali auch in diesem Jahr auf die Liste der 34 Feinde der Pressefreiheit aufnahm – neben einschlägig Bekannten wie Chinas Staatschef Hu Jintao oder den islamistischen Gruppen im Irak und Afghanistan. „Journalisten sind in Tunesien nicht nur behördlichen Drohungen ausgesetzt, sondern auch der polizeilichen Gewalt und der dauerhaften Überwachung durch den Geheimdienst. Zudem ist der Zugang zum Internet streng kontrolliert; auch die ROG-Homepage gesperrt“, lautet die Bilanz der ROG.
Nicht viel besser sieht es im südostasiatischen Vietnam aus. Auch der Generalsekretär der Kommunistischen Partei, Nong Duc Manh, wird deshalb als Feind der Pressefreiheit angesehen. Allein im Mai 2007 wurden sechs Dissidenten für Veröffentlichungen im Internet zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Im März bestrafte ein Volksgericht in Hue den Priester Nguyen van Ly mit acht Jahren Gefängnis, weil er eine oppositionelle Zeitung herausgab. Die Richter befanden ihn schuldig, „Propaganda gegen die sozialistische Republik Vietnam“ verbreitet zu haben. Offene Diskussionen bleiben gefährlich, auch wenn die Machthaber nach außen gern versuchen, sich als Reformer darzustellen. Fazit von ROG: „Jede öffentliche Äußerung, in der demokratische Veränderungen in Vietnam gefordert werden, führt ins Gefängnis.“
Schere im Kopf und Zensur
Der saudische König Abdallah ibn al-Saud steht ebenfalls auf der ROG-Liste. Seit Jahrzehnten versucht das Land sich der öffentlichen Menschenrechtsdiskussion zu entziehen – als Verbündeter der USA oft mit Erfolg. In Saudi-Arabien gibt es durchaus kontroverse Diskussionen über internationale Themen – etwa in der englischsprachigen Zeitung Arab News. Doch kein Gesetz schützt die Pressefreiheit, so dass Journalisten sich kaum trauen, das saudi-arabische Königshaus zu kritisieren. Neben der Schere im Kopf gibt es aber auch Zensur. Zudem kommt es vor, dass Redakteure nach einer Intervention aus Riad entlassen oder Medien aus dem Land verbannt werden. Prominentestes Opfer ist der in Katar ansässige Fernsehsender „al-Dschasira“, der im vergangenen Jahr nicht einmal über die Pilgerfahrt nach Mekka berichten durfte.
Nicht nur Staatschefs werden von den Reportern ohne Grenzen zu Pressefeinden ernannt, auch Separaratistengruppen wie die baskische ETA oder Banden wie etwa die mexikanische Drogenmafia. In der Elfenbeinküste gehen die Probleme für Journalisten vor allem von der Miliz „Young Patriots“ aus. Diese haben 2004 und 2006 bei staatsstreichähnlichen Aktionen eine Radiostation geplündert, Journalisten bedroht und attackiert sowie einen Fernsehkanal übernommen, auf dem sie seither Hass gegen alle schüren, die Präsident Laurent Gbagbo nicht unterstützen. Wegen dieser Gruppe ist die Elfenbeinküste heute eines der gefährlichsten Länder für Journalisten in Afrika. Und das, obwohl eigentlich Medienvielfalt herrscht.