Die Proteste zeigen Wirkung

Bilanz der Aktionen für verfolgte Journalisten

Im April 1997 begannen amnesty international und die IG Medien mit einer Kooperation: In jeder Ausgabe der „M“ wird seitdem ein Schicksal von verfolgten Journalistinnen und Journalisten dargestellt und dazu aufgefordert, sich in Briefen für die Kollegen aus aller Welt einzusetzen – mit Erfolg, wie eine Auswertung zeigt.

„Endlich bin ich frei!“, lautet der erste Satz eines Telefaxes, das amnesty international im Oktober 1998 erreichte. Absender war der kamerunische Journalist Pius Njaw, der im Januar vergangenen Jahres eigentlich zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden war. „Frei nach fast zehn Monaten unter füchterlichen Haftbedingungen, die ich nur mit Ihrer ständigen moralischen Unterstützung ertragen konnte“, fährt der Herausgeber des regierungskritischen „Le Messager“ fort. „Wirklich, daß ich diese Hölle überlebt habe und meinen starken Willen zur Überraschung meiner Unterdrücker bewahren konnte, habe ich der ununterbrochenen Unterstützung und den Zeichen der Solidarität ihrer Organisation zu verdanken. Jede Aktion, egal auf welcher Ebene, hat nicht nur maßgeblich zu meiner Freilassung, sondern auch zur Förderung der Pressefreiheit beigetragen. Ich möchte Ihnen allen meine tiefe Dankbarkeit für Ihre Unterstützung und Solidarität zum Ausdruck bringen.“ Eine der Aktionen zugunsten von Pius Njaw war auch ein gemeinsamer Aufruf von IG Medien und amnesty international zu Briefen an den Präsidenten Kameruns (M 3/98). Danach wurde die Haftstrafe gegen Njaw zuerst auf ein Jahr reduziert, schließlich wurde er vorzeitig freigelassen. Das „Verbrechen“ des Journalisten war ein Artikel im „Le Messager“, in dem über den Gesundheitszustand von Präsident Paul Biya spekuliert wurde. Daß die Lage in Kamerun jedoch weiterhin dramatisch ist, zeigt die nebenstehende „Aktion für: Michel Michault Moussala“.

Vor knapp zwei Jahren, im April 1997, begann die IG Medien damit, in jeder Ausgabe der „M“ gemeinsam mit amnesty international gegen die Verfolgung von Journalisten zu protestieren. Die Methode ist einfach, aber wirkungsvoll: Mit Appellen wird versucht, den Druck auf die Regierungsbehörden zur Achtung der Pressefreiheit und anderer Menschenrechte so stark zu machen, daß diese sich zu Freilassungen oder anderen Verbesserungen durchringen. Schließlich ist die Pressefreiheit in mehreren internationalen Deklarationen – beispielsweise der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – oder Verträgen wie dem internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte – garantiert.

Länder, die diesen Pakt ratifiziert haben, verpflichten sich, die darin garantierten Rechte in ihre Landesverfassungen zu übernehmen. Nicht nur in Deutschland werden solche Briefe an Regierungsbehörden initiiert, sondern weltweit. Der geballte Protest schließlich bleibt nicht folgenlos.

Seitdem an dieser Stelle zu Protestschreiben aufgefordert wurde, hat sich die Lage einiger derjenigen Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt spürbar verbessert. Vorzeitig aus der Haft entlassen wurde beispielsweise auch die Nigerianerin Christine Anyanwu. Auch aus ihrem Dankesbrief wird deutlich, wie wichtig internationale Solidarität sein kann: „Es ist kaum in Worte zu fassen, was ich empfand, als ich in der winzigen Zelle in einem Berg von Karten und Briefen saß. Es hat mich zutiefst bewegt, mir unendlich viel Kraft und Mut gegeben, danach wußte ich, daß ich nicht allein war.“ ai-Mitglieder hatten nicht nur Protestschreiben an die Militärherrscher in Nigeria, sondern Christine Anyanwu auch Briefe und Karten ins Gefängnis geschickt. Nach dem Tod von General Sani Abacha wurde sie freigelassen. Ursprünglich war sie von einem Sondermilitärgericht in einem unfairen Gerichtsverfahren wegen der „Verbreitung falscher Informationen“ zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden; später wurde die Strafe auf 15 Jahre reduziert. Frei sind inzwischen auch der Weißrusse Pawel Scheremet oder drei für die Iranische Zeitung „Tous“ arbeitende Kollegen. Ragip Duran aus der Türkei rechnet noch im Januar 1999 mit seiner Freilassung; allerdings ist bereits die nächste Anklage gegen ihn anhängig. Vermutlich aufgrund der Proteste ist die angeordnete Prügelstrafe gegen zwei jemenitische Kollegen bis heute nicht vollzogen worden. Das Urteil ist allerdings nach wie vor rechtskräftig.

Einen Erfolg gibt es auch im Falle von Iqbal Athas zu berichten: Wegen der versuchten Entführung des srilankischen Journalisten wurde am 4. Januar 1999 Anklage gegen zwei Luftwaffenoffiziere erhoben. Athas hatte über die weitverbreite Korruption in der Luftwaffe recherchiert und publiziert; später konnte er die beiden jetzt angeklagten Männer als Beteiligte an dem Entführungsversuch identifizieren.

Auch wenn sich bei anderen auf den ersten Blick nichts an ihrer Lage verändert hat, sind auch die Appelle zu ihren Gunsten nicht vergebens. „Die Briefe machten nicht nur mir, sondern auch allen anderen Gefangenen Hoffnung. Wir merkten, daß wir nicht vergessen waren“, sagte Sanar Yurdatapan nach seiner Freilassung. Der von ai betreute türkische Musiker und Menschenrechtler hatte zahlreiche Kopien von Appellen zu seinen Gunsten ins Gefängnis geschickt bekommen.

Oft haben auch Freigelassene amnesty international berichtet, daß sich ihre Haftbedingungen plötzlich verbesserten, die Gefängniskost besser wurde oder andere Erleichterungen eintraten. Der Hintergrund wurde vielen Inhaftierten erst viel später bekannt: Unmittelbar kurz vor den Verbesserungen hatte amnesty international Massenbriefe an die Regierungen oder Gefängnisdirektoren initiiert. Wie wichtig politischer Druck dieser Art ist, hat der berühmte chinesische Dissident Wei Jingsheng beschrieben, der nach über 17 Jahren im Gefängnis im November 1997 vorzeitig entlassen wurde: „Es gab immer dann Verbesserungen meiner Haftbedingungen, wenn der Druck von Nichtregierungsorganisationen, Medien und Regierungen besonders groß war. Wenn der Druck nachließ und die westlichen Politiker auf „stille Diplomatie“ setzten, gab es sofort eine Verschlechterung der Behandlung von politischen Gefangenen.“


  • Kontakt: amnesty international,
    Postfach, 53108 Bonn,
    Telefon 0228/983730,
    Fax: 0228/630036.

    Spendenkonto:
    8090100, Bank für Sozialwirtschaft (BfS) Köln, BLZ 37020500.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nachrichten gegen Desinformation

Über 800 Medien wie Reuters, die Washington Post, Zeit Online und AFP unterstützten den diesjährigen World News Day, der zeitgleich mit dem UN-Tag für den universellen Zugang zu Information, am 28. September gefeiert wird.  „Journalismus ist das Sicherheitsnetz unserer Gesellschaft, sagte David Walmsley, Gründer des Weltnachrichtentages und Chefredakteur der kanadischen Zeitung Globe and Mail. Dieses Sicherheitsnetz hat Risse und hängt fast überall in der Welt am seidenen Faden - und mit ihm alle freien Gesellschaften. Deshalb schlägt Walmsley Alarm. Unterstützt wird er vom Weltverband der Nachrichtenmedien (WAN-IFRA), dem World Editors Forum, der Canadian Journalism…
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »

Klimaleugnung in den Medien

Rechtspopulistische Bewegungen machen weltweit mobil gegen den Klimaschutz. Sie zeigen sich „skeptisch“ gegenüber dem Klimawandel und lehnen klima- und energiepolitische Maßnahmen ab. Ein Widerspruch: Obgleich „Klimaskepsis“ und die Leugnung des menschengemachten Klimawandels vielfach zentrale Positionen der politischen Rechten markieren, existieren auch gegenläufige Tendenzen in Bezug auf Umwelt- und Naturschutz. Denn auch Rechte waren stets in Umweltbewegungen zugegen. Das hat Tradition.
mehr »

Schwierige Neuanfänge für Exiljournalisten

Für Journalist*innen im Exil ist es schwer, in ihrem Beruf zu arbeiten. Gerade wenn sie aus Ländern kommen, die wenig im Fokus des öffentlichen Interesses stehen. „Ich gehöre zu den Privilegierten“, sagt Omid Rezaee im Gespräch mit M. Der heute 34-jährige ist 2012 aus dem Iran geflohen, weil er dort wegen seiner Berichterstattung verfolgt wurde.Um einer Gefängnisstrafe zu entgehen, floh er zuerst in den Irak und dann nach Deutschland. Hier lebt er seit neun Jahren und arbeitet als Journalist.
mehr »