Dubiose Aufarbeitung

Wenn jene, die etwas verbrochen haben, mit der Aufarbeitung ihres eigenen Verbrechens beauftragt werden, dann kommt nur selten etwas dabei heraus. Das zeigt sich auch jetzt wieder in Folge des Murdoch-Skandals, der Großbritannien über den Sommer erschütterte. Zur Erinnerung: Die Enthüllungen über tausende im Auftrag der News of the World abgehörte Telefone brachten die enge Verzahnung zwischen dem Murdoch-Monopol, dem Londoner Scotland Yard und der Führung der konservativen Partei zu Tage.


Von allen Beteiligten wurde Aufklärung versprochen. Kommissionen werden eingesetzt, Untersuchungsausschüsse tagen. Mitte September meldete sich Scotland Yard beim Guardian, der Tageszeitung, die den Skandal maßgeblich ans Licht brachte. Die Reporterin Amelia Hill wurde zu einem Verhör vorgeladen und der Guardian wurde aufgefordert, Quellenmaterial über die Murdoch-Abhöraffäre an die Polizei weiterzugeben. Als der Guardian sich weigerte, wollte man die Zeitung gerichtlich dazu zwingen.
Der Vorfall lies aufhorchen. Die britische Journalistengewerkschaft NUJ sowie internationale Verbände protestierten scharf. Fast schien es, als ob die Londoner Polizei dem Guardian etwas heimzahlen wollte. Schließlich musste ein Polizeichef wegen der Enthüllungen der Tageszeitung seinen Hut nehmen. Auf jeden Fall wurde dieses Vorgehen als krasser Angriff auf die Pressefreiheit verurteilt. Nicht zuletzt aufgrund des großen negativen Echos ruderte die Polizei in diesem Fall zurück, ein unangenehmer Nachgeschmack bleibt.
Nur wenige Wochen später gab es einen neuen dubiosen Versuch, den Murdoch-Skandal für einen Angriff auf die Pressefreiheit zu nutzen. Diesmal aus den Reihen der oppositionellen Labour Partei. Diese regte im Rahmen ihres Parteitages den Aufbau eines Journalistenregisters an. In diesem sollen alle berufstätigen Journalisten erfasst werden. Schlägt ein Journalist über die Stränge, so die Vorstellung der Labour Partei, soll dieser Journalist aus dem Register gestrichen werden und somit Berufsverbot erhalten.
Auch dieser Vorstoß wird von der NUJ abgelehnt. Er entledigt die Medienkonzerne jeglicher Verantwortung und lädt alle Schuld auf die Schultern der individuellen Journalisten ab. Dabei zeigte gerade das Murdoch-Debakel, dass es hier um ein institutionelles und kein individuelles Problem geht. Angriffe auf die Pressefreiheit, wie es derzeit von Teilen der Polizei und der Politik in Großbritannien versucht wird, sind sicherlich die falsche Antwort.

Weitere aktuelle Beiträge

Kriminalität nicht mit Migration verknüpfen

Kriminelle Migranten bedrohen die Sicherheit in Deutschland“ – dieses alte rechte Narrativ wird von der AfD neu belebt und verfestigt sich in der Mitte von Gesellschaft und Politik. Medien, die diese realitätsverzerrende Erzählung bedienen, weil sie meinen, die laute Minderheit repräsentiere ein öffentliches Interesse, spielen mit dem Feuer.
mehr »

Mit BigTech gegen Pressefreiheit

Der Vogel ist frei“ twitterte der US-Milliardär und Big Tech-Unternehmer Elon Musk am 28. Oktober 2022, dem Tag seiner Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter, der damals noch den blauen Vogel als Logo hatte. Der reichste Mann der Welt wollte nach eigener Aussage den Dienst zu einer Plattform der absoluten Redefreiheit machen: „Freie Meinungsäußerung ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie, und Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen diskutiert werden“, hatte er zuvor erklärt.
mehr »

Neue Nachrichten für Russland

Reporter ohne Grenzen (RSF) hat in Paris gemeinsam mit der Witwe von Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, den neuen Fernsehsender Russia’s Future  vorgestellt. Der Sender soll das Vermächtnis des in russischer Haft ermordeten Oppositionsführers bewahren und die Pressefreiheit in Russland stärken. Ausgestrahlt wird er über das von RSF initiierte Svoboda Satellite Package, das unabhängigen, russischsprachigen Journalismus sendet.
mehr »

Weniger Demokratie wagen

Mit dem Slogan „Medienvielfalt stärken – Meinungsfreiheit sichern“ ist die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD angetreten.  Keine Koalitionsvereinbarung ohne Bekenntnis zur „flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten“. Aber halt: Hieß es nicht bei der Ampel (und der letzten Merkel-Regierung!) noch „flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen“?
mehr »