Das el salvadorianische Online-Magazin „El Faro“ hat sich in den 25 Jahren seiner Existenz von einem kritischen Meinungsblatt zu einem investigativen Leuchtturm-Projekt gemausert, das etliche Preise erhalten hat. Sergio Arauz ist stellvertretender Redaktionsleiter; gemeinsam mit Redaktionsleiter Óscar Martínez, hat Arauz den Sitz des Blattes kürzlich von San Salvador ins sichere Costa Rica verlegt. Der Grund dafür sind Angriffe seitens der Regierung von Präsident Nayib Bukele. Seit seinem Amtsantritt 2019 attackiert und bedroht Bukele immer wieder regierungskritische Journalist*innen und versucht die Presse als „Feinde des Volkes“ zu diskreditieren.
M.: Herr Arauz Sie haben gerade einen Artikel über Korruption im Strafvollzug verfasst. Der soll diese Woche im El Faro erscheinen. Ist er gut belegt?
Sergio Arauz: Oh ja, wir checken alle Belege drei, viermal und öfter. Wir können uns keine Fehler erlauben, denn das hätte massive Konsequenzen. El Faro steht seit der Vereidigung von Präsident Nayib Bukele im Juni 2019 unter Druck.
Ist das der Grund, weshalb El Faro am 13. April bekanntgab, den Sitz des Online-Mediums von San Salvador in die costa-rikanische Hauptstadt San José zu verlegen?
Ja, letztendlich wollen wir durch den Umzug der administrativen Infrastruktur das Erscheinen und die ökonomische Existenz von El Faro sichern. Hintergrund ist, dass Präsident Bukele in einer Pressekonferenz vor etwa zwei Jahren öffentlich behauptet hat, dass Untersuchungen wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen El Faro laufen. Das war für uns ein Alarmsignal, denn Bukele präsentierte dazu noch ein Foto unseres Direktors Carlos Dada.
Hat der Präsident nur die Behauptung in den Raum gestellt oder auch Indizien oder gar Beweise vorgelegt?
Es gibt keine Beweise. Mit dem Vorwurf der Geldwäsche wird eine unbequeme Online-Zeitung diskreditiert. Vier Steuerprüfungen haben wir seit der Pressekonferenz von Bukele über uns ergehen lassen müssen, eine fünfte stand an. Das ist unverhältnismäßig gegenüber einem kleinen Medium, das keine großen Summen bewegt und nur etwas mehr als dreißig Angestellte hat.
Rangliste der Pressefreiheit: Platz 112 von 180
Aufgrund von Gewalt und Drogenhandel zählt El Salvador zu den gefährlichsten Ländern Lateinamerikas. Das wirkt sich auch auf die journalistische Arbeit aus. Die Gesetze bieten den Medien wenig Schutz, und Beamt*innen schikanieren und bedrohen Journalist*innen, die über Korruption oder die Verwendung öffentlicher Mittel berichten. Mehrere Medienschaffende wurden in den vergangenen Jahren ermordet oder tätlich angegriffen. (Quelle: Reporter ohne Grenzen)
Wir sind ein unbequemes Medium, haben über die Vereinbarungen zwischen den Maras, den kriminellen Banden und der Regierung berichtet, die dazugehörigen Beweise, darunter Mitschnitte, veröffentlicht und die Angaben der Regierung widerlegt. Wenig später, im November 2021, wurden 22 unserer Mobiltelefone ausspioniert, mit der Software Pegasus, wie Spezialisten belegen konnten. Die Institution, die den Einsatz von Pegasus zu verantworten hat, sei laut den Spezialisten „manisch“, weil die Software sehr lange und sehr massiv bei uns im Einsatz gewesen ist. Das Mobiltelefon einer Person aus der Redaktion ist 262 Tage lang infiziert und ausspioniert worden. Das ist ungewöhnlich, weil Pegasus sehr kostspielig ist. Sicher ist, das über Pegasus alle Archive, alle Kontakte sowie die Kamera und das Mikrofon genutzt werden können. Das heißt auch, dass auf alle Daten von Informanten Zugriff erfolgen kann.
Die Pegasus Software wird laut Hersteller nur an Regierungen verkauft. Ist es naheliegend, dass die Regierung EL Salvadors mit Pegasus gegen El Faro vorgeht?
Fakt ist, dass die Regierung gegen El Faro vorgeht als hätte sie es mit einem politischen Gegner zu tun und nicht mit einem Medium, das sich auf dieVerfassung, auf Pressefreiheit und freie Meinungsäußerung beruft. Wir können nicht belegen, dass die Regierung hinter der Pegasus-Attacke steckt. Wir haben aber Anzeige gegen das Unternehmen in den USA erstattet, weil mit deren Produkt die Pressefreiheit verletzt wird.
Mit dem Regierungsantritt von Bukele begannen die Schikanen gegen El Faro, aber auch gegen andere kritische Medien wie „Factum“ oder „Prensa Gráfica“. Nichtzulassung zu Pressekonferenzen, Abschlägige Interviewbitten oder das ignorieren von Anfragen.
Ja, richtig. Hinzu kommen aber auch handgreifliche Attacken, das Beschädigen von Ausrüstung, die Verweigerung von Zutritt zu öffentlichen Gebäuden wie Schulen.
Wie schützen Sie sich?
Wir haben unsere Schutzmaßnahmen erhöht. Kolleg*innen, die besonders brisante Recherchen publizieren reisen vor deren Veröffentlichung schon mal ins sichere benachbarte Ausland. Wir schützen unsere Quellen noch umfassender und checken alle Informationen mehrfach. Das sorgt natürlich auch für Mehrausgaben, auch für den Abgang einzelner Kollege*innen. Wir sind heute kleiner als früher, haben weniger Redakteur*innen.
Wie wichtig ist die Finanzierung aus dem Ausland, von der Open Society Foundation, der Heinrich Böll-Stiftung oder von Free Press Unlimited?
Sie garantieren uns die Unabhängigkeit, ermöglichen uns die Arbeit, die im Wahlkampf und bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr immens wichtig sein wird. Dann wird Bukele, der demokratisch gewählt ist, dessen Umfrageergebnisse hohe Zustimmungsquoten ausweisen, zum zweiten Mal für die Präsidentschaft kandidieren, obwohl die Verfassung das verbietet. Das ist der nächste Schritt in den Autoritarismus.
Gibt es Solidarität in El Salvadors Mediensektor?
Es gibt Solidarität, denn in El Salvador wird alles angegriffen, was sich kritisch äußert. Journalist*innen, Nicht-Regierungs-Organisationen, einzelne Spezialist*innen, Analyst*innen, Frauenorganisationen und auch der Journalisten-Verband APES sind solidarisch mit uns. Wir haben uns in den letzten Jahren auch in die Nachbarländer orientiert und haben zwei Mitarbeiter in Guatemala.
In Guatemala geht die Regierung offen gegen die kritische Tageszeitung elPeriódico. Muss man das in El Salvador auch befürchten?
Die Situation in Guatemala ist noch kritischer als bei uns in El Salvador, aber die Mediensituation in ganz Mittelamerika ist prekär – mit Ausnahme von Costa Rica. Wir brauchen mehr internationale Aufmerksamkeit.