Die gemeinsamen Aktionen von ver.di und amnesty international in «M» haben auch 2002 wieder verfolgten Journalistinnen und Journalisten geholfen
Für mehrere Kolleginnen und Kollegen öffneten sich nach internationalen Protesten die Gefängnistore. Bei anderen konnte erreicht werden, dass Morddrohungen und Einschüchterungsversuche aufhörten. Doch zwei Appelle blieben auch folgenlos – zumindest auf den ersten Blick.
Die Antwort aus der Londoner Zentrale von amnesty international ist kurz und präzise: Margarita Patiño Rey Sánchez habe keine weiteren Morddrohungen erhalten, teilt der Peru-Experte der Menschenrechtsorganisation, Adrián Sánchez, mit. Weitere Aktionen zu ihrer Sicherheit seien deshalb auch nicht eingeleitet worden. Im Juni 2002 hatte ver.di gemeinsam mit amnesty international zu Appellen zugunsten der Peruanerin aufgerufen. Die Witwe des Journalisten Hugo Bustíos Saavedra hatte wenige Wochen vorher vor der Wahrheits- und Versöhnungskommission des Landes über den Mord an ihrem Mann im Jahre 1989 ausgesagt. Dass sie dabei Soldaten auch namentlich nannte, die sie für die Mörder hält, war nicht ohne Risiko. Margarita Patiño Rey Sánchez erhielt mehrfach telefonische Morddrohungen. Nicht zuletzt die Proteste aus allen Teilen der Welt haben dafür gesorgt, dass sie heute wieder ohne Angst auf die Straße gehen kann.
Demonstranten getötet
Das gilt auch für Sergio Kowalewski. Der argentinische Fotograf hatte im Spätsommer telefonische Drohungen erhalten, weil er auf seinen Bildern die Beteiligung von Polizisten bei der Tötung mehrerer Demonstranten dokumentiert hatte. Inzwischen sind die Fotos Beweismittel in einem Verfahren gegen die „Sicherheits“kräfte. Die Massenproteste in Buenos Aires haben mittlerweile nachgelassen, die Drohungen gegen Kowalewski ebenso.
Keinen weiteren Handlungsbedarf sieht amnesty international zurzeit auch bei Carlos Hernández und Ana Ramírez aus Guatemala sowie bei Angela Muñoz Trujillo aus Kolumbien. Sie alle wurden nach Recherchen, die den Machthabern nicht gefallen hatten, anonym bedroht. „Wenn diese Drohungen nicht wahr gemacht werden, ist das schon eine gute Nachricht“, betont Birgit Stegmayer, die für amnesty international in Bonn die so genannten Eilaktionen betreut. Alle in der „M“ vorgestellten bedrohten Journalistinnen und Journalisten leben noch. Für Birgit Stegmayer ein Indiz dafür, dass die Appelle an Regierungsbehörde den Betroffenen einen gewissen Schutz brachten. „Wenn Morddrohungen schon vorher bekannt sind, würde eine Ermordung für sehr viel Aufsehen sorgen. Und solche negativen Schlagzeilen versucht jede Regierung zu vermeiden“, sagt sie. Dass die scheinbare Sicherheit der Genannten von Dauer ist, kann aber auch sie nicht garantieren. Gerade in Guatemala und Kolumbien leben Journalisten gefährlich und müssen immer wieder mit Einschüchterungsversuchen rechnen.
Keine gute Presse haben auch Regierungen, die Journalisten inhaftieren. In drei Fällen konnten die Proteste helfen, dass Kollegen auf freien Fuß kamen. Bijay Raj Acharya, dem die nepalesischen Behörden eine Zusammenarbeit mit der maoistischen Guerilla anhängen wollten, konnte das Gefängnis Ende März 2002 nach zehn Wochen verlassen. Hassan Bility musste fast ein halbes Jahr hinter Gittern ausharren. Die Behörden in Liberia hatten dem Redakteur der Zeitung „The Analyst“ versucht, terroristische Kontakte anzuhängen. Hier lohnte sich hartnäckiges Bohren: „Nach vier Appellen kam Hassan Bility am 7. Dezember endlich frei“, berichtet Birgit Stegmayer erleichtert. Nach seiner insgesamt dritten Inhaftierung gab der Journalist allerdings den Versuch auf, Liberia mit Hilfe kritischer Berichterstattung reformieren zu wollen. Er lebt heute im Exil.
Shahriar Kabir aus Bangladesch kennt das Gefühl, inhaftiert zu sein, inzwischen auch schon besser als ihm lieb ist. Nach der Aktion in „M“ kam er zwar noch im Januar 2002 gegen Kaution frei. Doch gut zehn Monate später wurde Kabir erneut eingesperrt. Im Januar 2003 erklärte ein Gericht die Inhaftierung jedoch für unzulässig, und der Journalist kam wieder auf freien Fuß. Seine Recherchen über Angriffe auf die Minderheit der Hindus im Land hatten zu den Repressionen geführt.
Zeitungen geschlossen
Immer noch in Haft ist Seyoum Tsehaye. In Eritrea bleibt die Pressefreiheit massiv eingeschränkt, nachdem alle unabhängigen Zeitungen geschlossen wurden. Die zehn Journalisten, die zeitgleich im September 2001 festgenommen wurden, sind bis heute weder vor Gericht gestellt noch angeklagt worden.
Sie wurden mittlerweile an einen unbekannten Ort gebracht, und ihr Gesundheitszustand soll schlecht sein.
Auch die Rundfunkjournalisten Safari Ntanama und Bugumba Tanganika aus der Demokratischen Republik Kongo sind offenbar weiterhin inhaftiert. Sie wurden Ende September in der östlichen Provinz Süd-Kivu von den pro-ruandischen Regionalherrschern der RCD-Goma in Gewahrsam genommen. Die beiden Männer waren für eine Sendung verantwortlich, in der sich Hörer über zunehmende Spannungen in der Region beklagten.
Jeder Freigekämpfte ist ein Stück Pressefreiheit
Auch wenn in diesen Fällen die erhoffte Freilassung bisher nicht erreicht werden konnte, dürften die Proteste erfahrungsgemäß nicht sinnlos gewesen sein. Denn in vielen Fällen wird erst viel später bekannt, dass nach massiven Appellen die Haftbedingungen verbessert oder eine medizinische Versorgung organisiert wurde – auch wenn das nach außen zunächst unsichtbar blieb. amnesty international wird das Schicksal der Betroffenen jedenfalls weiter beobachten und sich für ihre Freilassung einsetzen. Denn weiterhin gilt: Jeder einzelne Journalist, der aus der Haft entlassen wird, und jede Kollegin, gegen die die Drohungen und Einschüchterungen abnehmen, tragen dazu bei, dass die Pressefreiheit ein Stück weit verwirklicht wird.
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