Als „neue Qualität in der Verfolgung“ von kritischen Journalisten, von denen bereits 150 in der Türkei inhaftiert seien, sieht ver.di die gegen Deniz Yücel Ende Februar in Istanbul verhängte Untersuchungshaft. Für die sofortige Freilassung des Journalisten formiert sich nicht nur unter Medienschaffenden eine breite Protestbewegung.
In zehn deutschen Städten – von Tübingen bis Hamburg – fanden am Tag nach der Entscheidung des Haftrichters in Istanbul Demonstrationen und Autokorsi für die Freilassung von Deniz Yücel statt. In Berlin wurde am 28. Februar auch vor der türkischen Botschaft protestiert, in Bielefeld formierte sich eine Mahnwache. Die Deutsche Journalisten-Union in ver.di solidarisierte sich frühzeitig, ihre Mitglieder beteiligen sich an den bundesweiten Aktionen.
ver.di protestierte auch als Gesamtorganisation: Die Untersuchungshaft für Deniz Yücel sei absolut inakzeptabel und ein weiterer Angriff auf die Pressefreiheit unter Präsident Erdogan. „Die Bundesregierung ist dazu aufgefordert, sämtliche Möglichkeiten zu ergreifen, um Druck auf die türkische Regierung auszuüben. Dazu kann auch gehören, türkische Regierungsvertreter nur noch im Ausnahmefall einreisen zu lassen“, forderte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende Frank Werneke.
Die Europäische Journalistenföderation EJF berichtete ebenfalls über die Inhaftierung. Amnesty International sieht sie als „inakzeptabel“. Auch in Wien und Graz gingen Menschen aus Solidarität auf die Straße. Reporter ohne Grenzen fordert ebenfalls eine sofortige Freilassung Yücels. In der ROG-Rangliste der Pressefreiheit wird die Türkei auf Platz 151 von 180 verzeichnet; bei den im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Inhaftierten nimmt das Land sogar den Spitzenplatz ein.
Für die Freiheit von Information, Meinung, Wort und Kunst „gemeinsam mit Deniz Yücel und allen zur Zeit in der Türkei inhaftierten Kolleginnen und Kollegen“ setzten sich hierzulande mehr als 300 Kolleg_innen und Prominente aus Kultur und Medien mit einer Anzeigenaktion ein. Auf dem Dach des Springer-Hochhauses in Berlin-Kreuzberg bezeugt man mit einer weithin sichtbaren #FREEDENIZ-Losung Solidarität mit dem Kollegen Deniz Yücel, der als Reporter für Die Welt arbeitet. Reagiert hat auch die Politik: Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die am 27. Februar verhängte Untersuchungshaft als „bitter und enttäuschend“, Außenminister Sigmar Gabriel sieht die „unangemessene Entscheidung“ als Belastung für die deutsch-türkischen Beziehungen. Bundesjustizminister Heiko Maaß nannte den Umgang mit Yücel „völlig unverhältnismäßig“.
Grünen-Politiker wie Cem Özdemir oder Özcan Mutlu beteiligten sich gestern an einer Protestaktion vor der türkischen Botschaft in Berlin-Tiergarten. Mutlu, der bereits erfolglos in die Türkei reiste, um dem Journalisten zu helfen, hält den Vorwurf, Yücel gehöre einer Terrororganisation an, nur weil er bei seinen Recherchen auch mit Kurden gesprochen habe, für absurd. Darauf hatte bereits Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der dju in ver.di, hingewiesen. „Das ist kein Verbrechen, sondern seine Arbeit“, machte sie klar. Dem deutschen Journalisten Yücel, der auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, werden laut Medienberichten Propaganda für eine terroristische Vereinigung sowie Aufwiegelung der Bevölkerung vorgeworfen. Er hatte sich der türkischen Justiz freiwillig gestellt und blieb 13 Tage im Ungewissen in Polizeigewahrsam. Die nun angeordnete Untersuchungshaft kann sich nach türkischem Recht auf bis zu fünf Jahre erstrecken.