Frühgeburt im Gefängnis

Äthiopische Journalistin Serkalem Fasil unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert

Ein besonders furchtbares Schick­sal hat die äthiopische Journalistin Serkalem Fasil erlitten: Sie wurde im November 2005 schwanger festgenommen und musste im Gefängnis unter erbärmlichen Haftbedingungen ihr Kind zur Welt bringen. Ihr Kind ist jetzt zehn Monate alt, doch Serkalem Fasil ist noch immer inhaftiert.


Die Parlamentswahlen in Äthiopien im Mai 2005 standen von Beginn an unter keinem guten Stern. Schon im Vorfeld waren mehrere Kandidaten und Anhänger der Opposition eingeschüchtert und festgenommen worden. Die unabhängigen Medien, darunter die von Serkalem Fasil mitherausgegebenen Blätter Asqual, Menilik und Satenaw kritisierten das Vorgehen der Regierung und ließen trotz des Risikos Oppositionelle zu Wort kommen.
Nach der Abstimmung am 15. Mai berichteten offizielle Wahlbeobachter von Unregelmäßigkeiten. Die Opposition sprach von Betrug. Obwohl das Votum in 31 Wahlkreisen wegen Unregelmäßigkeiten wiederholt werden sollte, verkündeten die regierungseigenen Medien bereits umgehend den Wahlsieg der „Revolutionären Demokratischen Front des Äthiopischen Volkes“ (EPRDF). Im September wurde das endgültige Ergebnis bekannt gegeben. Die regierende EPRDF hatte demnach zwei Drittel der Mandate gewonnen.
Die Opposition verweigerte die Mitarbeit im Parlament und rief im November zu Demonstrationen auf. Wie schon zuvor im Juni wurden in der Hauptstadt Addis Abeba Kundgebungsteilnehmer erschossen. 42 waren es jetzt, im Sommer waren bereits 36 Menschen getötet worden. Im ganzen Land wurden mehr als 10.000 festgenommen, darunter gewählte Abgeordnete, Menschenrechtler und mindestens 15 Journalisten.
Auch Serkalem Fasil und ihr Lebensgefährte Eskinder Negga, der ebenfalls als Journalist arbeitet, wurden inhaftiert. Serkalem Fasil war zum Zeitpunkt ihrer Festnahme schwanger. Im Juni 2006 brachte sie im Polizeikrankenhaus einen Sohn zur Welt. Da es sich um eine Frühgeburt handelte, rieten die Ärzte dazu, den untergewichtigen Jungen im Brutkasten einer Intensivstation in einem Krankenhaus versorgen zu lassen. Dies wäre aber nur möglich gewesen, wenn Serkalem Fasil oder ihr Lebensgefährte das Kind hätten begleiten dürfen. Das wurde von den Behörden nicht gestattet. Serkalem Fasil musste somit unter unmenschlichen Bedingungen im Kaliti-Gefängnis von Addis Abeba für ihren Sohn sorgen. Selbst gesundheitlich angeschlagen, verbrachte sie Monate mit ihrem Sohn in einer mit Ratten, Kakerlaken und Flöhen verseuchten Zelle. Serkalem Fasils Sohn lebt jetzt bei ihren Eltern. Sie selbst muss im Gefängnis ausharren und sieht ihn nur selten. Inzwischen wurde eine – offenbar konstruierte – Anklage gegen sie eingeleitet wegen „Verrats“ sowie wegen „Verstößen gegen die Verfassung“ und „Anstiftung zu einer bewaffneten Verschwörung“. Ein Urteil wurde noch nicht gefällt.

Amnesty International hat eine Onlinepetition für die Freilassung von Serkalem Fasil gestartet.
Im Internet unter: www.amnesty-einsatz.de
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

US-Wahlkampf: Absurd, aber sehr real

Der US-Wahlkampf kommt in die heiße Phase. Journalistin und Historikerin Annika Brockschmidt beobachtet seit mehr als einem Jahrzehnt das politische System der USA. In ihren neuen Buch beschreibt sie, wie historische Entwicklungen und Machtkämpfe die republikanische Partei geprägt und radikalisiert haben. Mit M spricht Brockschmidt über die Kommunikationsstrategien der extremen Rechten in den USA und die Wahlberichterstattung.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »

Nachrichten gegen Desinformation

Über 800 Medien wie Reuters, die Washington Post, Zeit Online und AFP unterstützten den diesjährigen World News Day, der zeitgleich mit dem UN-Tag für den universellen Zugang zu Information, am 28. September gefeiert wird.  „Journalismus ist das Sicherheitsnetz unserer Gesellschaft, sagte David Walmsley, Gründer des Weltnachrichtentages und Chefredakteur der kanadischen Zeitung Globe and Mail. Dieses Sicherheitsnetz hat Risse und hängt fast überall in der Welt am seidenen Faden - und mit ihm alle freien Gesellschaften.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »