Gegenpol zu den Privaten

Lateinamerika: Neun Nachrichtenagenturen gründeten Verband

Anfang Juni wurde in der venezolanischen Hauptstadt Caracas mit der „Lateinamerikanischen Union von Nachrichtenagenturen“ (ULAN) ein neuer Regionalverband gegründet. Man wolle, so hieß es am Rande des Treffens, der „Informationsblockade transnationaler Medienkonzerne“ etwas entgegensetzen.


Mit diesem Anspruch stehen die neun Mitgliedsagenturen der ULAN in der Tradition junger regionaler Medienallianzen wie des lateinamerikanischen Fernsehsenders Telesur oder der Station Radio del Sur.
Zentrale Idee sei, Lateinamerika ein Instrument „mit eigener Vision, Identität und Stimme zu geben“, sagte der erste Präsident des Verbandes, Sergio Fernández. Dies gelte vor allem angesichts des politischen Wandels, den die lateinamerikanische Region erlebt. Für Fernández, Vizepräsident der argentinischen Agentur Télam, war die seit Monaten vorbereitete Gründung des Verbandes eine zwingende Notwendigkeit.
„Das gemeinsame Ziel der Mitgliedsagenturen ist die Demokratisierung des Medienwesens in Lateinamerika“, sagte er im Gespräch mit M – und führte ein politisches Argument an: Wer in Lateinamerika ökonomisches Wachstum mit sozialer Gerechtigkeit in Einklang zu bringen versuche, müsse mit der Gegenwehr „der Mächtigen in Wirtschaft und Privatmedien“ rechnen. Das zeige sich vor allem in der Berichterstattung der großen Pressekonzerne gegen die entsprechenden Regierungen. Der neue Verband versuche, dieser in Lateinamerika „starken Front privater Medienunternehmen und Wirtschaftsinteressen“ entgegenzutreten.
Die derzeitige Dominanz staatlicher Agenturen in dem Verband bereitet Fernández kein Kopfzerbrechen. „Wir müssen uns von der Vorstellung trennen, dass in Lateinamerika die privaten Presseorgane für objektive Berichterstattung stehen und die öffentlichen Medien Sprachrohre der Regierungen sind“, sagte er. Und: „In unseren Ländern wird dieser Mythos von den Mediennutzern selbst immer stärker in Frage gestellt.“
Fernández führt als Beispiel für eine interessengesteuerte Berichterstattung die massive Kritik privater Medien an einer Agrarreform in Argentinien an. Dabei habe sich gezeigt, „dass die Interessen von wirtschaftlichen Gruppen und Pressekonzernen inzwischen weitgehend deckungsgleich sind“. In Argentinien schränke ein neues Mediengesetz den Anteil privater Konzerne an der Presselandschaft daher inzwischen ein. Und in Ecuador versuche die Regierung, die Verquickung von Medienkonzernen und anderen Bereichen der Wirtschaft zu unterbinden.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Immerhin gibt es Presse

Der Iran gehört zu den repressivsten Ländern weltweit für Journalist*innen. Hunderte wurden strafverfolgt, inhaftiert oder hingerichtet. Medien unterliegen systematischer staatlicher Kontrolle, das Internet wird umfassend zensiert und überwacht. Dennoch wird viel über den Iran berichtet und viele Iraner*innen nutzen soziale Medien. Es gibt einen öffentlichen politischen Diskurs. Ein Gespräch mit dem Historiker Arash Azizi.
mehr »

Bundesregierung ohne Exit-Strategie

Vor drei Jahren übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan. Während viele Menschen im Land heute angeben, die Situation sei sicherer, leben Journalisten fast nirgends gefährlicher. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF) rutschte das Land mittlerweile auf Platz 178 von 180 Staaten. Ein Hoffnungsschimmer sollte das Bundesaufnahmeprogramm (BAP) für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen sein. Doch nur sechs Journalist*innen konnten darüber gerettet werden. Und das BAP stehe vor dem Aus, beklagt RSF. 
mehr »

Türfent: Rettender öffentlicher Druck

Der internationale Tag der Pressefreiheit ging in Deutschland in diesem Jahr mal wieder zwischen Feier- und Brückentagen unter. Dabei gerät die Pressefreiheit weltweit immer weiter unter Druck. So plante die Türkei ein „Agentengesetz“ nach Vorbild Russlands und Georgiens, mit dem kritische Journalist*innen kriminalisiert werden. Wie wichtig öffentlicher Druck für inhaftierte Journalist*innen ist, verdeutlichte der türkische Kollege Nedim Türfent. Er ist sich sicher: Ihm hat dieser Druck das Leben gerettet.
mehr »

Wieder Journalist in Mexiko getötet

In Mexiko ist der Journalist Alejandro Alfredo Martínez Noguez trotz Polizeischutz erschossen worden. Martínez Noguez wurde am 4. August in Celaya im Bundesstaat Guanajuato angegriffen, obwohl er von Sicherheitskräften in einem Polizeiauto eskortiert wurde. Er wurde zunächst schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht, wo er starb. Der Gründer des Lokalmediums El Hijo del Llanero Solititito stand seit 2023 unter Polizeischutz, nachdem er im November 2022 bereits einen Mordversuch überlebt hatte.
mehr »