Google & Co müssen für Inhalte zahlen

Montage Petra Dreßler mit Abb. von 123rf/sherss und aleksa1, google und facebook

Australisches Gesetz sichert Beteiligung lokaler Medien an Werbeinnahmen

Am Anfang habe sich der Facebook-Konzern „Meta“ kaum bewegen wollen – so beschreiben Vertreter der Presseverlage die ersten Verhandlungsrunden mit dem Tech-Giganten aus den USA zum neuen Mediengesetz in Australien. Seit Anfang 2021 reguliert Australien Online-Plattformen und erzielt damit weltweit wachsende medienpolitische Beachtung.

In „Down Under“ wollte Meta zunächst nur unter einer Bedingung Verträge schließen – wenn es diese jederzeit kündigen könne. Doch nach der anfänglichen Verweigerung folgte eine Phase mit überraschend vielen Vertragsabschlüssen. Inzwischen haben sich die großen Internet-Plattformen in Australien dazu verpflichtet, jährlich rund 140 Millionen Euro an klassische Medien zu bezahlen, um deren Nachrichten und Artikel digital weiterzuverbreiten.

Der australische „News Media Bargaining Code“ verpflichtet die Tech-Giganten, lokale Medien an ihren Werbeeinnahmen zu beteiligen. Das Gesetz sei „eine Art Lösegeld“ für die Plattformen, meinte ein Kommentator. Ein anderer sieht darin „eine Strategie, um dem klassischen Journalismus in einer um sich greifenden Finanzmisere zu helfen“. Aus Sicht der Presseverlage ist es ein Webfehler der Branche, dass sie allein die Produktion journalistischer Inhalte finanzieren, während Online-Plattformen für die Weiterverbreitung einen jedes Jahr wachsendem Teil der Werbeeinnahmen kassieren würden.

Empfindliche Strafzahlungen möglich

Scheitern die Tech-Giganten in „Down Under“ an der Vorgabe, mit allen lokalen Verlagen Lizenzverträge abzuschließen, hat der australische Wirtschafts- und Finanzminister Jim Chalmers die Möglichkeit, ein Schiedsgericht einzusetzen. Das kann bei einem solchen Verstoß gegen das Verbraucherschutzgesetz empfindliche Strafzahlungen verhängen – mit bis zu 30 Prozent des Umsatzes des belangten Unternehmens.

Rod Sims, früherer Leiter der australischen Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde, hat an dem neuen Mediengesetz maßgeblich mitgewirkt. Zwar verabschiedete sich Sims Anfang des Jahres in den Ruhestand, doch bei diesem Thema gibt er keine Ruhe: Klassischer Journalismus liege im öffentlichen Interesse, sagt Sims, und sei essentiell für das Funktionieren von Gesellschaften. Er sei sowohl ein „Forum der Ideen“ als auch ein Korrektiv, „das von den Mächtigen Rechenschaft verlange“. Facebook & Co. wiederum nutzten journalistische Inhalte, so Sims, um die Relevanz der Plattformen für ihre Nutzer zu steigern und auf diese Weise höhere Werbeeinnahmen zu erzielen.

Während die Tech-Giganten in Australien also mit Nachdruck zur Kasse gebeten werden, ist die Debatte um das deutsche Leistungsschutzrecht, das im Urheberrecht der Europäischen Union verankert ist, in eine Sackgasse geraten. Mit den ambitionierten australischen Zielen hat das deutsche Recht derzeit wenig zu tun, weil es sie klar verfehlt. Zwar sollen Facebook und Google auch in der EU idealerweise Verträge abschließen und Abgaben entrichten, weil der größte Teil der Werbemillionen bei diesen Plattformen landet. Doch zahlt Facebook in Deutschland bislang gar nicht und Google nur wenig.

In Deutschland behauptet Facebook weiterhin, man verbreite ausschließlich Inhalte der eigenen Nutzer. Als Suchmaschinen-Betreiber ist Google schon eher bereit zuzugeben, dass diese Inhalte auch von Presseverlagen stammen könnten. Doch welche Abgabe ist angemessen? Auf derzeit neun Milliarden Euro wird der Gesamtumsatz des Google-Betreibers „Alphabet“ im deutschen Markt geschätzt. Bisher konnten sich Google und die deutsche Verwertungsgesellschaft Corint Media, die mehrere deutsche Presseverlage vertritt, nicht über die Vergütungshöhe für die Nutzung von Presseinhalten im Netz einigen. Deshalb riefen sie im Juli dieses Jahres im Streit um das Presseleistungsschutzrecht die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in München an. Google bietet für Presselizenzen 3,2 Millionen Euro, Corint Media will 420 Millionen. Darüber hinaus verhandeln in Deutschland viele Verlage mit Online-Riesen auf eigene Faust.

Auch in Australien haben sich Presseverlage und Rundfunkanbieter zu verschiedenen Verwertungsgesellschaften zusammengeschlossen. Zudem ist der gesetzgeberische Druck auf Facebook & Co. konstant hoch. Rod Sims erhöhte den Druck noch weiter, indem er das Gesetz präzisierte und sagte, die Branchen-Riesen seien verpflichtet, traditionelle Medien „entsprechend ihrer Größe und Mitarbeiterzahl zu entlohnen“. Er erwarte, dass diese „auf alle Marktteilnehmer in Australien“ zugingen und Verträge „auch mit kleinsten Medienanbietern“ abschlössen.

Kritiker des australischen Codes wiesen zu Beginn der Debatte darauf hin, dass dieser Gewinner und Verlierer generieren werde. Dass Rupert Murdochs in Australien marktbeherrschende „News Corporation“ inzwischen zu den Gewinnern zählt, dürfte kaum überraschen. Die Prognose aber, die Kleinen würden am Ende verlieren, gilt in Australien nach heutigem Stand als widerlegt. Mit insgesamt rund 200 Verlagen und Medienhäusern habe man schon verhandelt, verlautbarte der Meta-Konzern für die von ihm betriebene Plattform Facebook. Selbst für rund 60, teils winzig kleine, unabhängige Medien und Online-Redaktionen habe man einen eigenen Fonds geschaffen. Gleiches gelte für rund 90 Regionalmedien rund um den Kontinent, teils auch im spärlich bevölkerten Outback.

Auswirkungen auf Beschäftigung

Zu den Gewinnern des Gesetzes zählt nicht zuletzt der Ableger der britischen Tageszeitung „The Guardian“, der in Australien nur online erscheint. Am Beispiel des „Guardian Australia“ werden positive Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen und Beschäftigung bei traditionellen Medien deutlich: Denn in Australien werden Journalist*innen inzwischen wieder eingestellt statt gekündigt. Während die „Süddeutsche Zeitung“ zum wiederholten Mal Dutzende Redakteursstellen strich, erhöhte sich die Zahl der Redakteur*innen des „Guardian Australia“ binnen Jahresfrist um rund 50 Prozent.

 

Rod Sims sieht anlässlich kommender Verhandlungsrunden in Australien jedoch weiterhin „einen erheblichen, intolerablen Rückstand“ von Facebook auf Google. Während Alphabets Google inzwischen mit fast allen lokalen Medien handelseinig sei, habe Facebook Betriebe, die landesweit fast 20 Prozent der Journalist*innen beschäftigten, bislang nicht berücksichtigt. Mit Australiens großem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender ABC konnte sich der Meta-Konzern zwar vertraglich einigen, doch mit dem zweiten TV-Netzwerk SBS auffälligerweise nicht. Der Grund für diese Verweigerung liegt auf der Hand: SBS ist ein Programm, das sich speziell an Millionen von Einwanderern in Australien richtet, und zwar großteils in deren Landessprachen. Öffentlich-rechtliche und staatliche Sender weltweit, darunter die Deutsche Welle, füllen das SBS-Programmschema täglich mit Nachrichtensendungen. Ein Deal mit SBS könnte für Facebook unüberschaubare finanzielle Verpflichtungen rund um den Globus nach sich ziehen. In Ländern zum Beispiel, die den australischen Code ohnehin bereits nachahmen – darunter die USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Indien, Indonesien, Südafrika und Neuseeland.

Drohgebärden von Facebook

Der kanadische „Online News Act“ brächte traditionellen Medien umgerechnet 245 Millionen Euro ein. Das entspricht etwa einem Drittel der Redaktionsbudgets, wie die kanadische Regierung errechnet hat. Facebook droht dem Land nun unverhohlen, das Weiterleiten von journalistischen Inhalten blockieren zu wollen.

In Großbritannien könnten Medien laut Schätzungen jährlich rund 290 Millionen Euro erhalten. Die konservative Regierung in London befürchtet jedoch, dass die Suchfunktion „Google News“ – wie zuvor schon in Spanien – deaktiviert werden könnte. Eine Gesetzgebung durch das Parlament ist in Großbritannien derzeit jedoch noch nicht absehbar.

Auch in Indien, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde, sollen Lizenzgebühren der Online-Riesen traditionellen Medien zugutekommen. Man geht davon aus, dass diese dann mehr Journalistinnen und Journalisten beschäftigen und zudem die Stammbelegschaft besser bezahlen werden. Das wiederum könnte die Qualität der Zeitungen erhöhen und die Leserschaft wäre eher bereit, für journalistische Inhalte zu bezahlen, während die Abhängigkeit vom Anzeigengeschäft sinkt.

In Indonesien, mit 270 Millionen Menschen fast so bevölkerungsreich wie die USA, übt die Regierung besonders großen Druck auf die Tech-Giganten aus: Während Facebook 2021 in Australien seine Dienste tagelang stoppte und Google damit drohte, seine Suchfunktion zu deaktivieren, dreht die Regierung in Jakarta den Spieß um und droht ihrerseits, Online-Portale abzuschalten, sollten sie sich der geplanten Regulierung widersetzen. Kritiker sehen in diesem Fall jedoch gravierende Eingriffe in die Meinungsfreiheit.

In den USA, dem Stammland der großen Online-Plattformen, soll der „Journalism Competition und Preservation Act“ „faire Verhandlungen“ mit den Presseverlagen herbeiführen. Demnach müssen neben Facebook und Google auch YouTube, Instagram, Whats-App, Twitter und Amazon künftig Lizenzabgaben entrichten.


Mehr lesen: Ecosia zahlt für Leistungsschutzrecht

Bröckelnde Front gegen Google & Co.?

 

 

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