Grenzen der Pressefreiheit

Costa Rica: Keine Medienpräsenz für Andersdenkende

Am 7. Oktober ist das costaricanische Wahlvolk aufgefordert, im ersten Volksentscheid des Landes abzustimmen über die Ratifizierung des Freihandelsabkommens Central America Free Trade Agreement (CAFTA) zwischen den USA, Mittelamerika und der Dominikanischen Republik. Die politische Elite des Landes und ihre Geschäftsfreunde in den Chefetagen der Medienkonzerne wollen CAFTA unbedingt; das Abkommen werde Arbeitsplätze und Direktinvestitionen bringen, lautet das Versprechen. Eine breite soziale Bewegung dagegen sieht das anders: Das Bündnis aus Gewerkschaften, Unweltschutzverbänden, Studierenden- und Schülervertretungen, Kleinbauern, religiösen Gruppen, Linken und vielen anderen befürchtet durch CAFTA den Ausverkauf des Sozialstaates und eine Verschlechterung der Standards bei Umwelt- und Arbeitsrecht wie in Mexiko seit dem NAFTA-Beitritt 1994.

Gegen die Schere im Kopf

Nach dem Prinzip David-gegen-Goliath mobilisiert diese Bewegung seit zwei Jahren gegen das von der Regierung Bush forcierte Abkommen und dessen politische Begleitagenda, welche die Privatisierung der staatlichen Telekom, des Energiesektors und der Sozialversicherung vorsieht. Der Druck der Straße wurde so groß, dass Präsident, Friedensnobelpreisträger und CAFTA-Befürworter Oscar Arias von der rechts-sozialdemokratischen „Partei der nationalen Befreiung“ (PLN) die Flucht nach vorne antrat und das Referendum anberaumte. Einen offenen Dialog zwischen Befürwortern und Gegnern, also den Parteigängern des „Si“ und „No“, sucht man indes vergebens in den Massenmedien. Im Gegenteil: Leitmedien wie die Tageszeitung „La Nación“ und die reichweitenstärksten TV- und Radiosender ergreifen offen Partei für CAFTA; die Gegner kommen kaum und wenn dann oft verzerrt zu Wort. Einige der wenigen kritischen Programmplätze in Privat- und Staatsfunk wurden geschlossen. Besorgt äußerte sich auch das kürzlich gegründete „Observatorium der Meinungsfreiheit“ und das daran beteiligte Journalistenkolleg COLPER.
„Medienmacht wird missbraucht zur Meinungsmache“. Ein Schatten von Wut huscht über das Gesicht von Alejandro Vargas Johannson. Der Mittdreißiger ist Journalist und Dozent für Kommunikationswissenschaft an der öffentlichen Universität von Costa Rica (UCR). „Die costaricanische Demokratie und die Medien gelten als Muster für Lateinamerika und es funktioniert hier auch besser als sonst in Mittelamerika. Aber die Diskussion um CAFTA zeigt die Grenzen der Pressefreiheit“. Wenn es um die wirtschaftlichen Interessen der Medienbarone des Landes geht, dann spiegelt sich das in eisenharten Vorgaben für die Berichterstattung wieder.
Das Meinungsmonopol aufzubrechen angeschickt haben sich indes alternative Medienmacher im ganzen Land, welche das Internet nutzen, um ihre Radioprogramme, Videos und Blogs unter die Leute zu bringen. Journalist Alejandro Vargas hat sich mit kritischen Kollegen zusammen getan und die Initiative „Journalisten sagen Nein zu CAFTA“ ins Leben gerufen. „Wir zeigen unser Gesicht, damit zweifelnde Kollegen in den Redaktionen sich endlich der Schere im Kopf entledigen“, sagt er.
Negative berufliche Konsequenzen könnte das Engagement für Vargas bedeuten, schließlich arbeitet er auch für Magazine der „Nación“-Gruppe. In den letzten Wochen vor dem Referendum wurde der Umgangston sehr rauh. Eugenio Trejos, Sprecher des „NO“ und Direktor des Technischen Instituts, entschuldigte sich für seine Äußerung, CAFTA käme nur „über meine Leiche“ zu Stande. CAFTA-Befürworter schalten indes Anzeigen, in denen sie vermuten, dass hinter den CAFTA-Gegnern ein Destabilisierungsversuch von Fidel Castro & Co stecke und Präsident Arias warnt vor den „Lügen“ der Gegner.

 

Weitere aktuelle Beiträge

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

dju: Mehr Schutz für Journalist*innen

Anlässlich des Internationalen Tages der Pressefreiheit am 3. Mai fordert die Deutsche Journalistinnen und Journalisten Union (dju) in ver.di von Arbeitgeber*innen und Auftraggeber*innen in Rundfunk und Verlagen, den Schutz angestellter und freier Medienschaffender zu verbessern.
mehr »

ROG: Rangliste der Pressefreiheit 2025

Es ist ein Historischer Tiefstand. Die neue Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF) zeigt: Nur in sieben Ländern ist die Lage "gut", alle liegen in Europa. Deutschland rutscht auf Platz 11 ab. Neben einer fragilen Sicherheitslage und zunehmendem Autoritarismus macht vor allem der ökonomische Druck den Medien weltweit zu schaffen.
mehr »