Grund zum Feiern

Schweizer Mediengewerkschaft Comedia wird 150 Jahre alt

„150 – 125 – 10“ verkündet die Jubiläumsausgabe der Zeitschrift „m“ der Schweizer Mediengewerkschaft Comedia stolz. Vor 150 Jahren entstand der Schweizerische Typographenbund, vor 125 Jahren der „Schweizerische Bundhandlungs-Gehülfen Verein“, vor zehn Jahren beschlossen fünf Gewerkschaftsorganisationen zur neuen Mediengewerkschaft „zusammenzuspannen“. Der Sektor „Presse und elektronische Medien“ in der Comedia kann keine runde Zahl aufweisen: Die Schweizerische Journalistinnen- und Journalisten-Union SJU entstand vor 38 Jahren.

Der Sektor „Presse und elektronische Medien“ hat rund 2.500 Mitglieder. Das mag nicht viel klingen, aber die Schweiz hat mit 7,6 Millionen Einwohnern weniger als zehn Prozent der Bevölkerungszahl Deutschlands. Die SJU hatte sich 1970 aus politischen Motiven aus der Standesorganisation VSJ (heute Impressum) abgespalten, berichtet Comedia-Kommunikationschef Beat Jost, und als autonomer Sektor an den Verband des Personals öffentlicher Dienste VPOD angeschlossen. Zwei Drittel der Mitglieder sind im Printbereich aktiv, davon etwa 55 Prozent Festangestellte.

Neben der direkten Konkurrenz Impressum (nach Eigenangaben 5.500 Mitglieder), mit der derzeit keine Tarifgemeinschaft ausgeübt wird, gibt es noch das Schweizer Syndikat Medienschaffender SSM, das rund 3.500 Beschäftigte des staatlichen Fernsehens organisiert. Alle drei sind Vollmitglieder der Europäischen und Internationalen Journalisten-Föderation. Die vor kurzem gegründete Online-Gewerkschaft //syndikat bezeichnet Jost nicht als Konkurrenz für Comedia, sie habe überwiegend Informatiker in ihren Reihen.
Am 18. Oktober feiert Comedia in Zürich seine Jubiläen, die Kopräsidenten Danièle Lenzin und Roland Kreuzer haben Bundesrätin Micheline Calmy-Rey als Festrednerin eingeladen: Vor ihrer politischen Karriere war sie im Buchhandel tätig. „150 Jahre Comedia“ ist auch der Titel des Plakatwettbewerbs, dessen Resultate bei der Feier zu sehen sind.
1858 treffen in Olten 73 Delegierte der verschiedenen Druckervereine zusammen und heben die älteste nationale Gewerkschaft aus der Taufe, den Schweizerischen Typographenbund. Die ersten Vorsitzenden des Typographenbunds sind zwei Prinzipale (Druckereibesitzer). 1883 entsteht die zweite Vorläufergewerkschaft der Comedia, der Buchhandlungsgehilfen-Verein, ab 1960 der Angestelltenverein des Schweizer Buchhandels ASB. 1888 folgt der Schweizerische Lithographenbund SLB. Überlegungen für eine Branchengewerkschaft gab es schon ab 1894, „Verpasste Chancen und Standesdünkel“ überschreibt die Jubiläumsausgabe der „m“ dieses Kapitel.
Auch andere Chancen werden verpasst: 1899 bittet die erste Frau vergeblich um Aufnahme in den Buchhändlergehilfen-Verein. Bei den Typographen meldet sich 1956 erstmals eine Frau in einer Versammlung. Frauen werden 1960 zwar zum Setzerberuf zugelassen, aber nur als Töchter eines Druckereibesitzers oder eines organisierten Druckers.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts steigert die wachsende Zahl der Setzmaschinen die Arbeitslosigkeit in der Branche. Bei den Typographen haben durch die Weltwirtschaftskrise 1932 fast 20 Prozent der aktiven Mitglieder keine Arbeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Branche Konjunktur, doch ab den 1960er Jahren gibt es zunehmend politische Auseinandersetzungen innerhalb der Gewerkschaften, auch bei den Journalisten. Es kommt zu Spaltungen: 1970 entsteht die SJU.
Die umfangreichen Materialbestände der SJU, die 2006 ins Schweizerische Sozialarchiv gebracht wurden, lassen laut Archivbeschreibung „eine Analyse der Entwicklung dieser einflussreichen Mediengewerkschaft zu“. In den Unterlagen spiegeln sich „die Entwicklungstendenzen des Mediensystems“, die Pressekonzentration sowie die Diversifizierung der elektronischen Medien, nachdem das Monopol des staatlichen Rundfunks ausgehöhlt ist.
1979 beschließen die Typographen die Fusion mit den Buchbindern und dem Kartonager-Verband (gegründet 1889) zur Gewerkschaft Druck und Papier. Krach gibt es mit den Kolleginnen in der GDP. Sie versammeln sich 1982 zum ersten Frauenkongress und verklagen die eigene Gewerkschaft wegen Verstoßes gegen die Gleichstellung.
In den 1990er Jahren wird die Idee einer Branchengewerkschaft erneut diskutiert, die SJU hat maßgeblichen Anteil daran. 1998 stimmen die Einzelgewerkschaften zu, die Journalisten verabschieden sich von der VPOD zugunsten der neuen Mediengewerkschaft. 1999 ist Comedia auf der Bühne.


 

Das Fusionskarusell dreht sich weiter

Comedia hat heute 14.000 Mitglieder. Aber die Fusionspläne gehen weiter: Beim Delegiertentreffen 2007 wurde ein Zusammenschluss mit der Gewerkschaft Unia oder der GeKo diskutiert. Unia entstand im Jahr 2000 aus fünf Gewerkschaften in den Bereichen Bau, Industrie (darunter auch Papier, Karton, Zellstoff) und Dienstleistungen. Mit 200.000 Mitgliedern ist Unia die größte Gewerkschaft der Schweiz.
Zur Zeit gibt es Gespräche über eine Fusion mit GeKo und VPOD. GeKo heißt Gewerkschaft Kommunikation und hat rund 36.000 Mitglieder von Post, Telecom, Logistik und Transport bis zur Flugsicherung. Die VPOD ist der Verband des Personals der öffentlichen Dienste und zählt etwa 34.000 Mitglieder. Für Comedia, GeKo und VPOD gibt es bereits einen ehrgeizigen Zeitplan: Bis Ende 2008 soll ein Grundlagenpapier vorliegen, bereits 2009 soll es zur Entscheidung über einen Zusammenschluss kommen, 2010 der Fusionskongress stattfinden und 2011 die Ära dieser neuen Gewerkschaft beginnen.
Doch Comedias Kopräsident Roland Kreuzer sagt zu den Unia-Plänen: „Wir verfolgen beide Projekte gleichwertig weiter. Wir arbeiten auch mit Unia an einem Szenario. Es hat einen anderen Charakter als das Projekt mit GeKo und VPOD. Mit Unia reden wir darüber, wo unser Platz wäre und wie unsere Branchen in der großen Unia positioniert und gestärkt werden könnten. 2009 wird der Kongress entscheiden, was für Comedia die beste Lösung ist.“

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