Südafrikas Journalisten protestieren gegen FIFA-Regularien
Dass die FIFA die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft an weitreichende Zusagen der Austragungsnationen knüpft, ist ein bekanntes Übel. In Südafrika bekommen das gerade die Unternehmer zu spüren, die ihre Geschäfte im Umkreis der Stadien während der Spiele ruhen lassen müssen. Die traditionell unbeugsame Presse des Landes jedoch hat gegen die restriktiven Regularien der Fußball-Weltmacht angekämpft – und erste wichtige Erfolge erzielt.
Oben links auf der Titelseite des Herald, der ältesten noch erscheinenden Tageszeitung Südafrikas, findet sich auf einem kargen roten Banner ein Gewinnspielaufruf. Fußballfans können eine Million Rand (100.000 Euro) gewinnen, wenn sie Anfeuerungs-SMS für das Nationalteam Bafana Bafana an die Redaktion schicken. Die Aufmachung war bunter geplant, ursprünglich hatte die Zeitung dort das WM-Maskottchen Zakumi und den WM-Pokal abgebildet. „Wir mussten das zurückziehen“, sagt der leitende Redakteur Keith Bell, der genervt ist über die Vorgaben des Fußballweltverbands. „Die FIFA verschiebt die Torpfosten permanent.“
Doch mit der Rolle des zahmen Kaninchens geben sich Südafrikas Journalisten nicht zufrieden. Um die Geschäftsbedingungen für die Akkreditierungen zu den WM-Spielen im Juni und Juli beispielsweise gab es lange Streit. Die FIFA behielt sich darin das Recht vor, einseitig Akkreditierungen – im schlimmsten Fall sogar für gesamte Redaktionen – zurückzuziehen, wenn Reporter „Aktivitäten unternehmen, die den Ruf der FIFA-WM schädigen könnten“. Für Raymond Louw, langjähriger Reporter der Rand Daily Mail und heute Mitglied im Pressefreiheitkomitee der Journalisten-Vereinigung SANEF (South African Editor’s Forum), war das eine „Einschränkung der Pressefreiheit“. Er nahm daher vor über zwei Jahren den Kampf mit der FIFA auf. Getan hat sich lange nichts, bis die drei größten Medienkonzerne Südafrikas, Avusa, Media 24 und Independent News and Media, ein Anwaltsbüro einschalteten, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Geändert hat die FIFA ihre Bedingungen trotzdem nicht, aber immerhin ihre Anwälte ein Schreiben aufsetzen lassen. Darin garantiert der Weltfußballverband die journalistische Unabhängigkeit der Berichterstattung über die WM. „Die Absicht der Medien-Akkreditierungs-Bedingungen ist, das Verhalten der Menschen zu regulieren, die die Austragungsorte der FIFA-WM 2010 betreten, zuallererst, um die Sicherheit aller zu gewährleisten“, heißt es da. „Die Absicht ist nicht, und war niemals, die Pressefreiheit einzuschränken.“
„Nicht befriedigend, aber ausreichend“ nennt Louw diese Versicherung. Man habe sich damit abgefunden, weil der beauftragte Rechtsanwalt das Schreiben für ausreichend hält, um Journalisten zu schützen. Auch Peter Atkinson, der die WM-Berichterstattung für die Publikationen des Avusa-Konzerns leitet, schlägt in diese Kerbe. „Wir hätten es lieber gesehen, wenn die FIFA ihre Bedingungen komplett geändert hätte, aber wir mussten realisieren, dass das ein verlorener Kampf war. Die schriftliche Versicherung ist ein guter zweiter Platz und ein Sieg für die Pressefreiheit.“
Eine Beeinflussung der Reporter durch die Akkreditierungsbedingungen hätte Debbie Derry, die heutige Pressesprecherin der Nelson-Mandela-Metropol-Universität in Port Elizabeth und während der Apartheid selbst Journalistin, sowieso nicht befürchtet: „Zu Apartheid-Zeiten, als Journalisten untersagt war, über bestimmte Themen zu schreiben, haben es viele trotzdem getan und ich glaube dieses Bekenntnis zur Pressefreiheit existiert noch heute. Der Aufschrei gegen die FIFA-Regularien ist nur ein Ausdruck dessen.“ Reporter-Veteran Louw fügt hinzu: „Wegen der Erfahrungen, die wir gemacht haben, sind wir sehr vorsichtig und äußerst misstrauisch gegen Autoritäten.“ Und auch Atkinson erklärt, dass die Regularien seine Reporter „nicht im Geringsten“ einschüchtern könnten, es ginge nur um Rechtssicherheit und die habe man jetzt.
Streit um mobile Verbreitung
Ganz vorbei ist die Auseinandersetzung damit aber nicht. Die Verlage und SANEF fordern von der FIFA, das sogenannte „Pushen“ von Bildern über Handys zuzulassen. Die Regularien für die WM- Berichterstattung erlauben es den Verlagshäusern zwar, eigene Fotos aus den Stadien im Print- und Online-Teil zu veröffentlichen, nicht jedoch über die dritte Distributionssäule, das Geschäft mit den Mobiltelefon-Diensten. „In einem Land wie Südafrika, wo nur ein Bruchteil der Bevölkerung Zugang zum Internet hat, Zeitungsleser in der Minderheit sind und selbst das Fernsehen nicht die gesamte Bevölkerung erreicht, spielen mobile Geräte wie Handys eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung und dem Empfang von Informationen“, heißt es in einem neuerlichen Schreiben. In Südafrika gibt es tatsächlich mehr aktive SIM-Karten als Einwohner. Da die Wahl des Veröffentlichungsmediums unter die Meinungsfreiheit fällt, sei die Einschränkung ein klarer Verfassungsbruch.
Nicht ganz ohne ironischen Unterton heißt es in dem Mitte Januar versandten Brief daher auch: „Da die FIFA die WM nach Afrika bringt und die jüngste und stolzeste Demokratie des Kontinents zelebriert, fordern wir die FIFA auf, besonders darauf zu achten, die demokratischen Praktiken und Institutionen Südafrikas, insbesondere seine Verfassung, durch ihre Regularien zu stärken.“ Eine Antwort hat Louw bis Ende April nicht erhalten. Avusa-WM-Chef Atkinson bleibt aber zuversichtlich: „Das bleibt ein umstrittenes Gebiet und das Feilschen geht weiter, aber wir leben in Hoffnung.“