Hoffnungsschimmer in Tansania

Christian Selz lebt und arbeitet in Kapstadt (Südafrika) Foto: privat

Bei seinem Amtsantritt 2015 galt John Pombe Magufuli als Hoffnungsträger. Tansanias Präsident sagte der Korruption den Kampf an, inspizierte höchstselbst marode Krankenhäuser und entließ medienwirksam Leitungspersonal. Doch bald schon schoss sich der Mann mit dem Spitznamen „Bulldozer“ auf die Presse ein und ließ Medienhäuser schließen. Nach seinem Tod Ende März kündigte Nachfolgerin Samia Suluhu Hassan nun Lockerungen an. Noch aber ist die Hoffnung ein zartes Pflänzchen.

Die Spur der Zerstörung, die der „Bulldozer“ in Tansania hinterlassen hat, ist beträchtlich. Magufuli ließ vier Zeitungen und einen Online-Fernsehsender schließen. Bloggern erlegte seine Regierung eine staatliche Registrierung auf. Um im Ausland produzierte Beiträge weiterzuverbreiten, benötigen tansanische Medien zudem eine staatliche Erlaubnis. Zuletzt stellte Magufulis Regierung überdies die Veröffentlichung von nicht-staatlichen Informationen über die Corona-Pandemie unter Strafe. Kurzum: Eine freie Presse gibt es in dem ostafrikanischen Land nicht mehr.

Die Auswirkungen dieser Repressionen wurden dann auch rund um den überraschenden Tod des Präsidenten offensichtlich. Zwei Wochen lang war Magufuli weder zu hören noch zu sehen. Die Gerüchteküche brodelte, befeuert durch einen Bericht in der kenianischen Tageszeitung „The Nation“, wonach ein namentlich nicht genannter „afrikanischer Staatenlenker“, der Masken ablehne, in einem Krankenhaus in Nairobi aufgrund einer Covid-19-Erkrankung beatmet worden sei. Namentlich genannt wurde Magufuli nicht. Außer dem tansanischen Präsidenten, der behauptet hatte, das Virus in seinem Land durch dreitägige Gebete ausgerottet zu haben, fehlte aber nirgendwo in Afrika ein Staatschef. Der im Exil in Belgien lebende Oppositionspolitiker Tundu Lissu schrieb auf Twitter, Magufuli sei zunächst im Nachbarland Kenia wegen einer Covid-19-Erkrankung behandelt und dann gar nach Indien verlegt worden. Nach dem Tod des Präsidenten bekräftigte Lissu erneut, er habe Informationen, wonach Magufuli am Corona-Virus gestorben sei. Die offizielle Version lautete schließlich, der 61-Jährige sei in einem Krankenhaus in Daressalam einem Herzleiden erlegen.

Gemäß der tansanischen Verfassung übernahm Vizepräsidentin Suluhu automatisch den Posten der Staatschefin. Bis zu den nächsten Wahlen 2025 fungiert sie nun als Regierungschefin – und steht vor einer Mammutaufgabe. Da sich ihre Macht auf die Regierungspartei Chama Cha Mapinduzi (CCM) stützt und Neuwahlen nicht vorgesehen sind, muss sie vorerst weitgehend mit der alten Regierungsmannschaft weitermachen. Die 61-Jährige hat dabei den Spagat zu meistern, das Gesicht der Partei zu wahren, während sie ihr Land zugleich aus der medien- und gesundheitspolitischen Sackgasse führt, in die ihr Vorgänger Tansania geführt hatte.

Vorsichtig optimistisch

Die ersten Zeichen sind positiv. Tansania könne sich nicht „wie eine Insel abkapseln“, sondern solle sich damit auseinandersetzen, wie andere Länder mit der Pandemie umgegangen sei, erklärte Hassan Anfang April bei einer Rede im State House in Daressalam. Ein Expertengremium soll sich nun mit der Pandemiebekämpfung befassen. Im Vergleich zu Magufuli, der Impfungen als „gefährlich“ brandmarkte und von einer Verschwörung des Westens schwadronierte, ist das ein klarer Schritt nach vorn. Auch die Zeiten, in denen Gesundheitsministerin Dorothy Gwajima – wie Anfang Februar geschehen – in einer bizarren Koch-Show vor laufenden Kameras eine Tinktur aus Knoblauch, Ingwer und Limetten zusammenmixte, die sie anschließend mit verzerrtem Gesichtsausdruck zur angeblichen Covid-19-Prävention herunterwürgte, dürften nun der Vergangenheit angehören.

In der Medienpolitik hat Suluhu ebenfalls bereits erste Lockerungen angekündigt. „Wir sollten Medien nicht mit Gewalt schließen. Lasst sie uns wieder zulassen und sicherstellen, dass sie sich an die Regeln halten. Wir sollten niemandem den Raum geben zu sagen, wir würden die Pressefreiheit einschränken“, erklärte die neue Präsidentin am 6. April. Das Ministerium für Information, Kultur, Kunst und Sport wies sie ausdrücklich an, entzogene Lizenzen von Medienhäusern neu zu erteilen.

Der Schritt ist ein Anfang, doch der Weg zur Wiederherstellung der Pressefreiheit in Tansania ist noch weit. Wie weit, das ließ sich bereits am Folgetag der Rede Suluhus erahnen, als der neue Regierungssprecher Gerson Msigwa erklärte, die Aufhebung der Verbote gelte ausschließlich für Online-Fernsehsender, nicht aber für andere Medien. Informationsminister Innocent Bashungwa kündigte lediglich an, die Regierung wolle sich mit den Verantwortlichen geschlossener Medienhäuser treffen, um einen Weg zur Wiederöffnung zu diskutieren. Derweil bleiben sämtliche weiteren Restriktionen der Berichterstattung, die Magufuli eingeführt hatte, vorerst weiter in Kraft.

Suluhu, das darf nicht vergessen werden, ist keine Revolutionärin, die Tansania soeben befreit hätte. Im Gegenteil: Sie trug als Magufulis Stellvertreterin über fünf Jahre lang dessen Kurs mit. Auf einen raschen, vollständigen Kurswechsel zu vollkommener Pressefreiheit zu hoffen, wäre daher naiv. Nichtsdestotrotz deuten ihre ersten Ankündigungen auf eine langsame Wiederöffnung der Medienlandschaft des Landes hin. Es gibt Grund zur Hoffnung, nur allzu überschwänglich sollte sie nicht sein.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsame Standards für Medienfreiheit

In Brüssel wird der European Media Freedom Act (EMFA) bereits als "Beginn einer neuen Ära" zelebriert. Ziel der Verordnung ist es, die Unabhängigkeit und Vielfalt journalistischer Medien in der EU in vielfacher Hinsicht zu stärken. Doch wie er von den Mitgliedsstaaten  - vor allem dort, wo etwa die Pressefreiheit gefährdet ist wie Ungarn und der Slowakei - umgesetzt wird, zeigt sich erst im kommenden Sommer.
mehr »

Die unangemessene Provokation

Sie haben es wieder getan. Zum zweiten Mal nach 2020 verweigern die Ministerpräsidenten den öffentlich-rechtlichen Anstalten die von der KEF empfohlene Anpassung des Rundfunkbeitrags. Gegen diesen abermaligen Verfassungsbruch ziehen ARD und ZDF erneut vor das Bundesverfassungsgericht. Gut so! Denn nach Lage der Dinge dürfte auch dieses Verfahren mit einer Klatsche für die Medienpolitik enden.
mehr »

Eine Stimme für afghanische Mädchen

Die iranische Filmemacherin Sarvnaz Alambeigi begleitet in ihrem Dokumentarfilm „Maydegol“ über viele Jahre eine junge Muay-Thai-Boxerin aus Afghanistan, die im Iran unter schwierigen Umständen für ein selbstbestimmtes Leben kämpft. Im Interview erzählt Alambeigi, welche Rolle das Kopftuch für den Film spielt, was sie von der jungen Generation gelernt hat und warum der Film endet, bevor Maydegol endlich gelingt, was sie sich wünscht.
mehr »

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »