Humayra Bakhtiyar, Journalistin aus Tadschikistan, musste die Hauptstadt Duschanbe 2016 verlassen, weil sie über die Realität in dem Land berichtete. Die 32jährige hatte die „rote Linie“ überschritten, Interviews mit Oppositionellen gemacht und über die Strukturen hinter der Macht von Präsident Emomalij Rahmon berichtet. Heute lebt sie in Hamburg – erst mit einem Stipendium der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte, nun als anerkannte Verfolgte.
M | Frau Bakhtiyar, am 11. Februar sitzen Sie im Hamburger Körber-Forum auf dem Podium und sprechen über Ihre persönliche Geschichte und die Pressefreiheit in Tadschikistan. Warum mussten Sie Ihr Land verlassen?
Humayra Bakhtiyar | Ich konnte mein Land dank eines Stipendiums der Hamburger Stiftung für politisch Verfolge verlassen, denn in Tadschikistan konnte ich meine Arbeit nicht mehr machen. Jeder Artikel muss von der Geheimpolizei vor der Veröffentlichung genehmigt werden.
Tadschikistan rangiert auf dem 149. Platz von 181 in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen. Wie greift der Staat in die Berichterstattung ein?
Dafür ist die Geheimpolizei verantwortlich. Erst hat sie die Redaktionen unter Druck gesetzt, auch Journalisten wie mich. Seit zwei Jahren verlangt die Geheimpolizei zudem, dass von ihr bereitgestellte Artikel gegen unliebsame Personen publiziert werden.
Sie haben 2007 beim unabhängigen Sender Radio Imruz angefangen zu arbeiten. Wie stand es damals um die Pressefreiheit? Und wie hat sich der Umgang mit den Medien verändert?
Vor 2014 war die Situation für Journalisten besser als heute. Wir konnten über die Verhältnisse im Land schreiben. Zwar gab es auch damals eine rote Linie – so war es ein Tabu über die Familie von Staatschef Emomanij Rahmon und deren Lebensstil zu berichten – aber die Eingriffe in die Medien waren nicht so gravierend wie heute. Das bestätigt auch das Ranking von Reporter ohne Grenzen. Tadschikistan ist in den letzten Jahren mehr als dreißig Plätze nach hinten gerutscht.
Es gab also einen Wandel im Umgang mit den Medien, der 2014 einsetzte?
Ja und nein, denn aus meiner Perspektive begannen der Druck auf die Medien und die Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit bereits 2011. Damals wurde ein Geheimdokument der Regierung mit der Nummer 32-20 von unabhängigen Medien publiziert, in dem die Schließung von Institutionen, Massenmedien und ziviler Organisationen skizziert wurde. Seit 2015 ist eine unabhängige Berichterstattung in Tadschikistan nicht mehr möglich. Ich bin weiterhin mit Kollegen in Kontakt. Viele sind ohne Arbeit, weil die unabhängigen Medien nicht mehr existieren.
Sie haben Tadschikistan erstmals im Sommer 2015 verlassen, um bei der Deutschen Welle in Bonn zu arbeiten. Was war für Sie der Grund ins Ausland zu gehen?
Ab 2013 hat die Geheimpolizei die Redaktionen direkt aufgesucht, mit Journalisten gesprochen und Druck ausgeübt. Sie haben uns aufgefordert Kritik zu unterlassen. Sie kamen in die Redaktion des „Ozodagon“ und sagten mir, dass es nicht wahr sei, was ich schreiben würde. Ich sei jung und würde nicht verstehen, wie die Politik funktioniert, was Meinungsfreiheit sei. Warum würde ich so ein Risiko eingehen, nicht an meine Familie denken? Sie haben mich damals aufgefordert, ihnen Informationen zu liefern aus der Redaktion – ich habe sie daraufhin aufgefordert, mir das schriftlich zu bestätigen. Das haben sie verweigert.
Sie sollten als Informantin aus der Redaktion auf deren Lohnzettel arbeiten?
Ja, das wollten sie. Ich habe es abgelehnt, meine Kollegen auszuspionieren.
Was passierte dann?
Sie haben meinen Facebook-Account gehackt, Fotos von mir auf ihrer Seite publiziert, mich als Prostituierte diffamiert, Falschinformationen über mich und meine Familie veröffentlicht. Ich wurde observiert, mein Telefon abgehört.
Sie sind daraufhin nach Deutschland gereist und haben bei der Deutschen Welle gearbeitet?
Ja, ein Kollege hatte mir geraten, für ein paar Monate zu gehen, um aus ihrem Visier zu verschwinden. Er hat mir die Kontakte geknüpft, denn ich war total erschöpft. Mein Herausgeber hat mich schon Ende 2014 aufgefordert, weniger über die politische Realität im Land zu schreiben. Ein paar Wochen habe ich mich zurückgehalten, dann ging es nicht mehr, denn die Leute haben ein Recht auf Information.
Was für Erfahrungen haben Sie in Bonn bei der Deutschen Welle gemacht?
Ich habe da viel gelernt, war drei Monate da und habe auch ein paar Artikel geschrieben. Das hat Folgen gehabt. Der Korrespondent der Deutsche Welle in Duschanbe (der Hauptstadt) wurde vorgeladen. Sie haben sich beschwert, haben gedroht, dass sie eine offizielle Regierungsnote schreiben würden, wenn man die Kooperation mit mir nicht einstellen würde.
Trotzdem sind Sie Ende August zurückgekehrt nach Duschanbe…
Ja, ich wollte zurück, dort wurde ich gebraucht. Davon war ich überzeugt. Aber die Situation war brisant und ich wurde wenige Tage nach meiner Rückkehr vom Herausgeber von Asia Plus entlassen. Ich habe dann freiberuflich weitergearbeitet, unter anderem für „Ozodagon“, aber es war überaus schwierig. Dann kam das Stipendium der Hamburger Stiftung und ich bin über Bulgarien nach Hamburg gekommen.
Wie ist die Situation Ihrer Familie derzeit?
Sie stehen unter Druck, weil ich hier Kontakte zur Opposition und zu Kollegen im Exil aufgebaut habe. Das hat die Regierung in Duschanbe mitbekommen. Für mich ist das eine schwierige Situation und so schreibe ich derzeit nicht.
Wie sehen Sie Ihre Zukunft?
Ich lerne Deutsch, will hier als Journalistin arbeiten. Am 12. Februar habe ich meine nächste Prüfung.