Jagd auf Mandela

Medien belagern das hochbetagte frühere Staatsoberhaupt Südafrikas

Südafrikas Freiheits-Ikone Nelson Mandela steht besonders bei gesundheitlichen Problemen im Fokus der Medien, ein Task Team soll die teils chaotische Berichterstattung nun koordinieren.

Als Nelson Mandela Ende Mai die Jahrhundertflamme seines African National Congress in seinem Haus in Empfang nahm, bekam Südafrika seinen Freiheitshelden erstmals seit Oktober 2011 wieder für kurze Zeit zu sehen. Das staatliche Fernsehen zeigte Mandela in einem Sessel, als er sagte, er sei froh, die Flamme zu sehen. Ihr Jubiläum feierte die jetzige Regierungspartei bereits im Januar, der kurze Auftritt des Friedensnobelpreisträgers sorgte dennoch weltweit für Schlagzeilen. Die Auftritte des bald 94-Jährigen sind selten, das globale Interesse an dem seit Jahren gebrechlich wirkenden Mann ist aber weiter riesig – bisweilen sogar zu groß für die Südafrikaner.
„Mandela ausspioniert“ titelte die Sunday Times, Südafrikas größte Sonntagszeitung, im Dezember vergangenen Jahres. Ein Aufschrei der Empörung ging durch das Land, als bekannt wurde, dass die Nachrichtenagenturen Associated Press (AP) und Reuters Kameras auf dem Grundstück einer Nachbarin installiert hatten. Spionage war das freilich nicht, sondern Teil der Vorbereitung auf das unausweichliche Medienereignis Südafrikas – Mandelas Beerdigung. Um die teils chaotische Berichterstattung um die gesundheitlichen Belange des einstigen Staatsoberhaupts zu koordinieren, hat die Regierung inzwischen ein Task Team aus „Offiziellen“ und Medienvertretern einberufen.

Foto: Peter Andrews/Reuters
Foto: Peter Andrews/Reuters

Alle Beteiligten wüssten, dass „Madiba“, wie Mandela in Südafrika liebevoll nach seinem Clan-Namen genannt wird, „in der Tat eine Person von nationalem Interesse und eine globale Ikone“ sei, so Regierungssprecher Jimmy Manyi in der offiziellen Erklärung nach der konstituierenden Sitzung des Task Teams. Gleichzeitig hätten alle Parteien die „Bedenken in Hinblick auf Madiba’s Privatsphäre und Sensibilität beim Kommunizieren seines Gesundheitszustands“ anerkannt. Die Notwendigkeit solcher Absprachen war bei zwei Krankenhausaufenthalten Mandelas offensichtlich geworden. Bereits im Januar 2011 kursierten während einer mehrtägigen stationären Lungenbehandlung Nachrichten seines Todes auf Twitter. Im Februar dieses Jahres belagerten Journalisten erneut zwei Krankenhäuser in Johannesburg und der Hauptstadt Pretoria, in denen der für seinen Kampf gegen die Apartheid einst 27 Jahre inhaftierte ehemalige ANC-Führer vermutet wurde. Noteinfahrten waren versperrt. Die Polizei verhaftete schließlich kurzzeitig einen Fotografen und vertrieb die Pressevertreter. „Wir können keine Situation zulassen, in der ein Mann, der solch einen großen Teil seines Lebens als Gefangener verbracht hat, nun noch einmal Gefangener der Gesellschaft ist“, echauffierte sich Verteidigungsministerin Lindiwe Sisulu.
Doch die Regierung scheint auch erkannt zu haben, dass sie nicht nur schweigen kann, will sie ins Kraut schießende Spekulationen und würdeloses Chaos verhindern. Das Task Team soll da Abhilfe schaffen und nach der offiziellen Ankündigung „zukünftige Krankenhausaufenthalte“ Mandelas und die Berichterstattung darüber koordinieren. Die genauen Absprachen, selbst die Regelmäßigkeit der Sitzungen sind jedoch streng vertraulich, weder Regierungs- noch Medienvertreter äußern sich zu Details. Das Thema ist hochsensibel, denn es ist ein offenes Geheimnis, dass es in den Gesprächen auch um die Planungen der Berichterstattung von Mandelas Beerdigung gehen soll, um praktische Details wie die Bereitstellung von Bildmaterial und Zugangsberechtigungen für Medienvertreter.
Denn die großen Medienorganisationen haben längst geplant, sich Unterkünfte und Stringer-Dienste in Mandelas Heimatort Qunu für den Tag X gesichert. Selbst sämtliche Hubschrauber in der Region sollen Presseberichten zufolge bereits gebucht sein. AP, dessen Sprecher Paul Colford klarstellte, dass die Kameras der Agentur ausgeschaltet gewesen seien und nur im Falle „einer großen Nachrichten-Geschichte um den ehemaligen Präsidenten“ benutzt worden wären, hat in dem Dorf nach Angaben der Sunday Times ein eigenes TV-Studio eingerichtet. Und die staatliche SABC geriet bereits vor drei Jahren in die Schlagzeilen, weil sie von einem Mandela-Enkel die Übertragungsrechte der Beerdigung gekauft haben soll – beide Seiten bestritten das allerdings. Das Thema ist nicht neu und das Vorgehen bei Persönlichkeiten von der Bedeutung Mandelas auch weltweit nicht unnormal. Verwunderlich ist lediglich die öffentliche Ankündigung der Task-Team-Schaffung durch den Regierungssprecher.
„Ich nehme an, das war nach dem Fiasko um Mandelas letzten Krankenhausbesuch der Versuch, zu demonstrieren, dass sie die Situation im Griff haben“, sagt der Johannesburger Journalistik-Professor Anton Harber, der die südafrikanische Regierung in der Pflicht sieht. „Ich kann die Diskretion und Geheimhaltung verstehen, aber wenn es nur ruhig ist, weil sie nichts vorbereiten, dann sind sie ernsthaft fahrlässig“. Die Probleme bei der Planung führt der Medienwissenschaftler auch auf das angespannte Verhältnis zwischen ANC-Regierung und Medien zurück, auf eine Mischung aus „mangelnder Professionalität“ und „Missvertrauen, sogar Geringschätzung“. Die Einberufung des Task Teams sei daher ein Schritt in die richtige Richtung. „Ich hoffe, die Regierung handelt nicht nur defensiv, sondern sieht die Angelegenheit als wichtigen Moment, um die Nation zusammenzubringen. Wenn nicht, könnte es zu einem nationalen Trauma werden.“

 Christian Selz, Kapstadt


Nelson Rolihlahla Mandela

Mandela wurde am 18. Juli 1918 im Dorf Qunu in der Nähe von Umtata, Transkei geboren. Er studierte Jura an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg. Als Rechtsanwalt ließ er sich mit seinem Partner Oliver Tambo, dem späteren ANC-Vorsitzenden, in der ersten schwarzen Anwaltskanzlei nieder. Für seinen Kampf gegen die Apartheid verbrachte er 27 Jahre als politischer Gefangener in Haft. 1991 wurde Mandela zum Präsidenten des ANC gewählt. Von 1994 bis 1999 war er der erste schwarze Präsident Südafrikas. 1993 erhielt er den Friedensnobelpreis.

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