Knebel angelegt

Medien in Weißrussland zunehmend unterdrückt

Es gibt viele Möglichkeiten, kritische Medien mundtot zu machen. Weißrusslands Machthaber wissen das. Deshalb lenken sie das staatliche Fernsehen und Radio, so dass Opposition gar nicht erst vorkommt. Sie drangsalieren unabhängige Journalisten und inhaftieren solche, die sich nicht einschüchtern lassen.

Zum Jahresbeginn ließ sich die Führung in Minsk einen neuen Coup einfallen. Sie wies die staatliche weißrussische Post an, den Vertrieb unabhängiger Zeitungen einzustellen. Wegen deren Monopol ist es in ganz Weißrussland nicht mehr möglich, eine nicht staatlich gelenkte Zeitung zu abonnieren. „Das ist Teil einer zynischen und ruchlosen Kampagne, um unabhängige Stimmen vor der Präsidentschaftswahl verstummen zu lassen“, kritisiert Aidan White, Generalsekretär der „Internationalen Journalistenvereinigung“ (IFJ). Bei der Wahl am 19. März (das Ergebnis lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor) wollte sich der seit 1994 regierende Lukaschenko im höchsten Staatsamt bestätigen lassen.
Seit Monaten verschlechtert sich die ohnehin angespannte Lage der Medien in Weißrussland. Im Herbst 2005 traf es beispielsweise die letzte verbliebene unabhängige Tageszeitung „Narodna Wolja“. Die Druckerei kündigte dem Verlag den Vertrag, gleichzeitig wurde das Blatt, das zuvor fünfmal pro Woche rund 30.000 Exemplare verkaufte, auf Anordnung von oben von den Kiosken verbannt. Zwar konnten die Macher die Produktion nach Russland verlagern. Doch der Verkauf in Weißrussland findet nur noch auf der Straße statt – vorausgesetzt, es wird nicht wieder einmal die gesamte Auflage an der Grenze beschlagnahmt.
„Lukaschenko knebelt die noch verbliebenen Zeitungen massiv“ sagt Elke Schäfter von „Reporter ohne Grenzen“ (rog). Die Organisation warnt seit langem vor den Einschränkungen der Pressefreiheit in dem osteuropäischen Land. Und obwohl Minsk von Berlin aus nicht weiter entfernt ist als Paris, fließen Informationen über Weißrussland nur spärlich nach Deutschland. Dabei gäbe es genug zu berichten, wie rog beklagen: „Oppositionelle Zeitungen werden mit Verleumdungsklagen überzogen; mit den daraus resultierenden Schadenersatzzahlungen wird ­versucht, sie in den Ruin zu treiben. Wer dennoch kritisch und damit unliebsam berichtet, wird juristisch verfolgt, inhaftiert, verbannt oder zu Zwangsarbeit verpflichtet.“

Keine unabhängige Justiz

Wassili Grodnikow erging es noch schlimmer: Der 66-jährige Mitarbeiter der Zeitung „Narodna Wolja“ wurde am 18. Oktober vergangenen Jahres mit eingeschlagenem Kopf tot in seiner Wohnung in Minsk aufgefunden. Sein Bruder beschuldigt die Regierung, ihn ermordet zu haben. Behördliche Ermittlungen verliefen ergebnislos. Auch das hat System: Das „Komitee zum Schutz von Journa­listen“ verweist etwa auf die Schicksale von Veronika Tscherkasowa, die im Ok­tober 2004 ermordet wurde sowie von ­Dimitri Sawatzki, der im Juli 2000 „verschwunden“ ist. In beiden Fällen, so das CPJ, gebe es Hinweise auf die Beteiligung staatlicher Stellen an den Verbrechen. Die Ermittlungen wurden allerdings eingestellt, unabhängige Untersuchungen verhindert.
Im Dezember hat das Parlament die rechtlichen Grundlagen für die Bericht­erstattung sogar noch verschärft: Bis zu drei Jahren Haft drohen denjenigen, die im In- oder Ausland den weißrussischen Staat oder dessen Regierung diskreditieren oder ausländischen Stellen „Falschinformationen“ über die politische, wirtschaftliche oder militärische Situation zur Verfügung stellen – ein Gummiparagraf, mit dessen Hilfe bei Bedarf jeder unabhängige Journalist hinter Gitter befördert werden kann. Das passt ins Gesamtbild, denn Weißrussland verfügt über keine unabhängige Justiz, und das Land vollstreckt als letztes auf dem Kontinent noch immer die Todesstrafe.
Als nächstes nimmt die Regierung wohl auch das Internet schärfer als bisher ins Visier. Davon ist jedenfalls Schanna Litwina überzeugt. Die Vorsitzende des weißrussischen Journalistenverbandes ­beklagt, dass die staatliche Telefongesellschaft Beltelekom in ihrem Land der einzige Internet-Anbieter sei. Diese sperre ­regelmäßig regierungskritische Seiten. „Dieser Trend wird zunehmen“ ist Litwina überzeugt. Andere Oppositionelle verweisen darauf, dass die Machthaber mit den chinesischen Behörden Kontakt aufgenommen haben, um in Peking die nötige Technik zu kaufen, mit deren Hilfe man systematisch Internet-Seiten blockieren kann.
Eine Studie des Journalistenverbandes vom Februar dieses Jahres hat die Ungleichheit in der Berichterstattung dokumentiert: Untersucht wurden die Nachrichten des staatlichen Fernsehsenders ONT. Fazit: Die Opposition wurde pro ­Woche maximal zehn bis 15 Sekunden ­erwähnt; Präsident Lukaschenko hingegen 30 Minuten – Kritik an dem allgegenwär­tigen Herrscher kam dabei überhaupt nicht vor.
Dieses Missverhältnis will die Deutsche Welle zumindest ein bisschen ausgleichen. Seit Anfang Oktober hat sie mit Unterstützung der Europäischen Union für täglich 15 Minuten ein Fenster nach Weißrussland geöffnet. Schwerpunkt des Magazins in russischer Sprache sind Ereignisse und Entwicklungen im Land. Man wolle der Zivilgesellschaft eine Stimme geben, sagte Intendant Erik Bettermann zum Start der Programminitiative. Doch Cornelia Rabitz weiß, dass die Mitarbeit für einheimische Journalisten nicht leicht ist: „Die Kollegen müssen sehr vorsichtig sein und arbeiten häufig nur unter Pseudonym“, hebt die Programmverantwortliche hervor.

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