Meşale Tolu sitzt auch zum 33. im Gefängnis

Freitagsaktion in Ulm am 1. Dezember. Die wöchentlichen Solidaritätskundgebungen finden seit dem Frühjahr statt.
Foto: Freundeskreis

Meşale Tolu muss ihren 33. Geburtstag morgen hinter Gefängnismauern begehen. Die Journalistin und Übersetzerin mit deutschem Pass, der von der türkischen Justiz „Terrorpropaganda“ vorgeworfen wird, ist seit 222 Tagen inhaftiert. Bei der freitäglichen Solidaritätskundgebung auf dem Münsterplatz ihrer Geburtsstadt Ulm gibt es heute um 18 Uhr eine kleine Geburtstagsfeier mit Lichterkette.

Der Prozess gegen Meşale Tolu, die die bisherige Haftzeit meist zusammen mit ihrem dreijährigen Sohn absaß, wird am 18. Dezember im Istanbuler Justizpalast fortgesetzt. Beim ersten Gerichtstermin am 11. Oktober hatte Tolu in einer persönlichen Verteidigungsrede alle Anschuldigungen zurückgewiesen und Freispruch gefordert.

Der Freundeskreis „Freiheit für Meşale Tolu“ ruft erneut Journalist_innen, Politiker_innen und die gesamte demokratische Öffentlichkeit auf, Partei zu ergreifen, sich nach Möglichkeit der Prozessbeobachterdelegation anzuschließen oder Briefe zu schreiben. Der Solidaritätskreis kümmert sich um Organisation und Kommunikation vor Ort. Auch die deutschen Anwälte Tolus reisen zur Verhandlung. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sich noch energischer für die Freilassung von Mesale Tolu und Deniz Yücel einzusetzen.

Meşale Tolus Ehemann Suat Corlu, der im April kurz vor ihr verhaftet worden war, kam am 28. November gegen Auflagen frei. Er konnte seine Frau inzwischen im Gefängnis Bakırköy besuchen. Er bedankte sich ausdrücklich bei allen, die sich für seine und Meşales Freiheit eingesetzt haben und noch einsetzen. So unterzeichneten bereits mehrere Tausend Menschen Petitionen zur Freilassung von Meşale Tolu und anderen in der Türkei inhaftierten Journalisti_innen.

Welt-Reporter Deniz Yücel sitzt seit fast 300 Tagen noch immer ohne Anklage in Einzelhaft im Gefängnis Silivri. Zumindest wurden in der vergangenen Woche seine einer Isolationshaft gleichkommenden Haftbedingungen etwas erleichtert und Yücel kann tagsüber mit einem anderen inhaftierten Journalisten sprechen.

Die Solidaritätsplattform mit den in der Türkei inhaftierten Journalist_innen veröffentlichte am 3. Dezember eine neue Liste von Gefangenen und den Haftanstalten, in denen sie einsitzen. Demnach ist die Zahl auf 212 gestiegen.


Geburtstagspost an:

Meşale Tolu-Çorlu
Bakirköy Kapali Kadin Hapishanesi
Bakirköy-İstanbul
Türkei

Weitere aktuelle Beiträge

Türkei: Kurdische Journalisten in Gefahr

Nach Angaben der in Istanbul ansässigen Media and Law Studies Association (MLSA) standen zwischen dem 4. und 7. März mindestens 21 Journalisten vor türkischen Gerichten. Diese Zahl mag für deutsche Leser*innen schockierend sein, in der Türkei sind diese Ausmaße juristischer Verfolgung von Journalist*innen leider alltäglich. Unter dem Ein-Mann-Regime von Präsident Recep Tayyip Erdoğan sieht es mit der Meinungs- und Pressefreiheit im Land immer düsterer aus. Auch die jüngsten Daten der Journalistenvereinigung Dicle Fırat (DFG) zeigen deutlich, dass der Druck auf Journalisten wächst.
mehr »

RBB will Fehler analysieren

Der RBB räumte bereits schwerwiegende Fehler bei der Berichterstattung über den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar ein. In einer internen Sondersitzung soll nun ein weiteres Vorgehen geklärt werden. Um den Aufklärungsprozess „konstruktiv zu begleiten“, habe der rbb-Programmausschuss für kommenden Montag eine Sondersitzung einberufen, so der Sender. Darin soll es offenbar um die Ergebnisse des Untersuchungsberichts der Beratungsfirma Deloitte gehen.
mehr »

Filmtipp: Dietrich Bonhoeffer

Das unter anderem mit August Diehl und Moritz Bleibtreu sehr gut besetzte Drama setzt einerseits ein Denkmal für den Widerstandskämpfer. Andererseits ist es umstritten, weil Dietrich Bonhoeffer im Zusammenhang mit dem Film durch rechtsnationale amerikanische Evangelikale instrumentalisiert wird. Zum US-Start waren die Nachfahren des im KZ hingerichteten deutschen Theologen entsetzt, wie sein Vermächtnis „von rechtsextremen Antidemokraten" und „religiösen Hetzern verfälscht und missbraucht" werde. Inhaltlich ist die Aufregung unbegründet. Trotzdem ist der Film nur mit Abstrichen sehenswert.
mehr »

Beschwerde gegen BND-Gesetz

Reporter ohne Grenzen (RSF) und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reichen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde gegen das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BND-Gesetz) ein. Damit reagieren die Organisationen auf ungenügende Reformen des Gesetzes, das den Schutz von Medienschaffenden nicht ausreichend berücksichtigt. RSF und GFF erwarten sich von der Entscheidung ein Grundsatzurteil, das nicht nur Auswirkungen auf die Rechtslage in Deutschland haben wird, sondern auch Strahlkraft in die anderen Mitgliedstaaten des Europarates.
mehr »