Moldau: Unabhängige Medien unter Druck

Der moldawische Premierminister Pavel Filip bei einem Pressebriefing während einer Konferenz der Vierländer-Organisation für Demokratie und Wirtschaftszusammenarbeit (GUAM) in Kiew 2017.
Foto: Reuters/ Valentyn Ogirenko

Das Mediensystem und die Rolle der Journalisten in der Republik Moldau

In der Republik Moldau hat der unabhängige Journalismus gegenwärtig einen schweren Stand. Es gibt zwar eine Medienvielfalt, doch die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Eliten setzen die Presse- und Meinungsfreiheit unter Druck. Mutige Journalistinnen und Journalisten wehren sich dagegen. Die Medienlandschaft umfasst 463 Print-, Rundfunk- und Onlineangebote sowie sieben Presseagenturen. In den letzten Jahren lässt sich die Tendenz beobachten, dass Print und Rundfunk zunehmend in ihre Internetauftritte investieren.

Davon abgesehen gibt es im Land nicht sonderlich viele Medien, die ausschließlich im Internet präsent sind. Eine der wichtigsten Fragen ist die nach dem Bezahlmodell der digitalen Medien. Bereits vor längerer Zeit hatten einige Medienunternehmen vorgeschlagen, Inhalte nur noch kostenpflichtig herauszugeben oder nur einen kleinen Teil von Beiträgen frei zur Verfügung zu stellen. Dieses Modell funktioniert jedoch in den meisten Fällen nicht. Die Webportale verdienen mit der Arbeit ihrer Journalisten kein Geld und überleben nur dank der Förderprogramme der Europäischen Union und aus den USA.

Über 76 Prozent aller Medienprodukte haben im Zentrum des Landes, in der Hauptstadt Chișinău, ihren Sitz. Das führt – zusammen mit anderen Faktoren – dazu, dass Nachrichten und Berichte über (politische) Ereignisse in der Hauptstadt den Diskurs im gesamten Land dominieren. Die großen nationalen TV-Sender wie auch einige Internetportale verfügen noch über eigene Mitarbeiter in den Regionen. Die überwiegende Mehrheit der Medien in der Republik Moldau erscheint auf Rumänisch (77 Prozent). Unter den Sprachen der nationalen Minderheiten hat Russisch noch einen hohen Stellenwert für Nachrichtenagenturen, Zeitungen und Webportale. Bulgarisch und Gagausisch, die Sprache des kleinen autonomen Gebietes im Süden des Landes, sind kaum noch präsent.

Was die wirtschaftliche Situation betrifft, sind Studien zufolge weniger als ein Drittel (26 Prozent) der Medien profitabel. 38 Prozent arbeiten kostenneutral, 36 Prozent gelingt dies nicht. Die Erhöhung der Gehälter, Investitionen in neue Technik, Fortbildung für Journalist_innen und die Schaffung neuer Stellen erscheinen angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Lage unrealistisch. Fehlende finanziellen Mittel sind laut einer Umfrage des Zentrums für unabhängigen Journalismus (Centrul pentru Jurnalism Independent, CJI) in Chișinău für 46 Prozent der Medienschaffenden eines der Hauptprobleme, gefolgt von wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeiten und der geringen Decke an qualifiziertem Personal.

Pressefreiheit unter starkem Gegenwind

Seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 hat das Informationsmonopol der regierenden Partei nach und nach abgenommen, einige Medienprodukte aus der alten Zeit sind gänzlich verschwunden. Aber der freie und glaubwürdige Journalismus sieht sich nach wie vor starken Widerständen ausgesetzt. Die politische Klasse schafft sich eigene, loyale Medien, die ihre Interessen vehement vertreten und auch nicht vor Informationskriegen zurückschrecken. Vladimir Plahotniuc, der Vorsitzende der Regierungspartei PDM (Demokratische Partei Moldova) besitzt eine Medienholding (General Media Group Corp. und Radio Media Group Inc.), die bestimmte Ereignisse auf die Agenda setzt oder aber verschweigt, was journalistische Standards wie Objektivität und Neutralität eindeutig untergräbt.

Das Land liegt in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen im Jahr 2018 auf dem 81. Platz (von 180 Ländern) und damit zwischen Armenien und Côte d’Ivoire. Damit setzt sich seit Jahren ein kontinuierlicher Abstieg fort. 2012 lag die Republik Moldau noch auf dem 53. Platz, die beste Platzierung seit der Unabhängigkeit.

Unser Autor Vyacheslav Dolgov, Dozent am Lehrstuhl für Slawistik an der Staatlichen Alecu-Russo-Universität in Balti (Republik Moldau), arbeitet als Journalist für Presse und Rundfunk.
Foto: Yulia Drahan

In der Republik Moldau sind Anzeigen und Werbung Haupteinnahmequellen der unabhängigen Medien. Da aber die Interessen der politischen und wirtschaftlichen Eliten oftmals eng miteinander verbunden sind, kann eine negative Berichterstattung dazu führen, dass Unternehmen nicht mehr inserieren oder ihre Werbung stark einschränken. Darüber hinaus kann es Medien, die sich gegen die herrschenden Eliten positionieren, erschwert werden, an Informationen über Strukturen und Einrichtungen zu gelangen, die unter Kontrolle staatlicher Behörden stehen. Letztendlich muss sich ein Medium entscheiden, entweder frei und glaubwürdig zu bleiben oder aber Journalismus zu produzieren, der den Ansprüchen der Mäzene gerecht wird, um als Gegenleistung eine relativ gesicherte Existenzgrundlage zu erhalten. Wer hier nicht mitspielt, gerät in Schwierigkeiten, wie das Beispiel der moldauischen nichtstaatlichen TV-Sender Jurnal TV und TV 8 zeigt. Sie sind für ihre Kritik am regierungsfreundlichen Lager bekannt und waren im vergangenen Sommer aufgrund finanzieller Engpässe gezwungen, ihre Tätigkeit vorübergehend einzustellen.

Medienvielfalt versus Manipulationen: Was Journalisten tun können

Die Medienlandschaft in der Republik Moldau garantiert dem Konsumenten zwar eine ausreichende Möglichkeit, sich Informationen zu beschaffen. Jedoch beeinflussen Propaganda und Manipulationen die öffentliche Meinung sehr stark. Vor allem in Wahlkampfzeiten nehmen Manipulationen in den Medien deutlich zu. Darüber hinaus – und dies hängt auch mit der historischen Entwicklung und der geografischen Lage der Republik Moldau zusammen – befeuern die der Macht gegenüber loyalen Medien häufig einen West-Ost-Konflikt und verharren in einem Freund-Feind-Schema. Bewusst werden Nachrichten lanciert, um von den wirklichen Problemen des Landes wie Amtsmissbrauch und undurchsichtigen Machtstrukturen abzulenken.

Im Februar 2018 trat das sogenannte Anti-Propaganda-Gesetz in Kraft, das den Begriff der „Informationssicherheit“ einführte und den Schutz von „Informationsressourcen, Einzelpersonen, Gesellschaft und Staat“ insbesondere durch Falschinformationen und Manipulationen gewährleisten sowie „Provokationen“ der Medien gegen den Staat verfolgen soll. Der Kodex beinhaltet auch einen Zusatzartikel, der es Rundfunkprogrammen und Produzenten gestattet, (politische) Informationssendungen von Fernseh- und Radiostationen aus der EU, den USA, Kanada und aus Ländern, die das „Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen“ ratifiziert haben, zu übernehmen und zu verbreiten. Die Russische Föderation hat diesem Übereinkommen nicht zugestimmt.

Das neue Gesetz wurde von moldauischen Experten stark kritisiert, da es keinen Einfluss auf die Propaganda habe. Auch verbreiten einige Medien auf ihren Kanälen nach wie vor Fake News, um die öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Häufig sehen Journalisten gar keinen Sinn darin, Fakten zu überprüfen, solange sie einer Sensationsnachricht dienen. Ein anschauliches Beispiel einer Desinformationskampagne in der Republik Moldau zeigte sich jüngst im Zusammenhang mit der Ausweisung von sechs türkischen Lehrern. Sie wurden ohne Dokumente mit einem Charterflug in die Türkei ausgeflogen und dort vermutlich inhaftiert. Die moldauischen Behörden trugen zunächst nicht zur Aufklärung dieses Falles bei, während unabhängige Medien die Ausweisung als illegal bezeichneten und viele Fragen stellten. Kurz darauf berichteten regierungsnahe Medien, dass die Ausweisung aufgrund angekündigter „Aktionen türkischer Bürger gegen die Botschaft der Republik Moldau in Berlin und das Generalkonsulat in Frankfurt/Main“ erfolgt sei und „Sondermaßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit“ ergriffen werden müssten. Am 14. September 2018 gaben jedoch die deutschen Sicherheitsbehörden bekannt, dass ihnen über eine Bedrohungs- oder Gefährdungslage rund um die moldauischen Vertretungen keine Erkenntnisse vorlägen.

Wie auch in anderen Ländern dienen Troll-Armeen in der Republik Moldau den Interessen einiger Politiker. Unpassende und unbequeme Berichte werden aggressiv kommentiert und bekämpft. Eine Journalistin des Senders TV8, die sich gegenüber den staatlichen Behörden häufig kritisch äußerte, berichtete kürzlich in den sozialen Netzwerken, dass sie kontrolliert werde. Sie veröffentlichte Screenshots der Troll-Kommentare inklusive gefälschter Aufzeichnungen von Politikern und Personen des öffentlichen Lebens. Um Falschinformationen zu entlarven, hat die Vereinigung der Unabhängigen Presse (Asociaţia Presei Independente, API) 2015 die Plattform Stopfals.md (auf Rumänisch und Russisch) gegründet. Die Vereinigung setzt sich seitdem für die Bekämpfung von Fake News, Manipulationen und Propaganda in den moldauischen Medien ein. Doch auch die Gegner haben reagiert und kürzlich eine Art Klonseite dazu erstellt, die die Idee, Desinformationen zu bekämpfen, diskreditiert.


Der Beitrag wurde zuerst im gerade erschienenen Band Media Beyond Frontiers veröffentlicht, der am 14. Dezember um 19.30 Uhr in der Bundeszentrale für Politische Bildung präsentiert wird.

 

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