Guatemala: Gewaltakte gegen Journalisten bleiben ungeahndet
Guatemala gehört zu den gefährlichsten Ländern für Journalisten in Mittelamerika. Im Frühjahr eröffneten Auftragskiller in der Provinzstadt Mazatenango das Feuer auf drei Lokalreporter. Ziel war es, die Stimmen gegen die Korruption zum Schweigen zu bringen – kein Einzelfall.
Marvin Túnchez lenkt den unauffälligen Kleinwagen auf den Parkplatz der Shopping-Mall am Ortseingang von Mazatenango. Aufmerksam blickt der Reporter vom Kabelkanal 23 sich um, bevor er aus dem Auto steigt und in das Schnellrestaurant tritt. „Weder zuhause noch im Zentrum der Stadt, wo alles passiert ist, will ich über den Mord an Danilo López sprechen”, sagt er bestimmt. Marvin Túnchez war dabei und eine der Kugeln, die dem Korrespondenten der Tageszeitung Prensa Libre galt, zertrümmerte ihm den Knochen des rechten Oberarms. Zwei bis drei Monate wird es noch dauern bis er wieder vollkommen hergestellt ist. Drei Operationen hat er bereits hinter sich. Seit dem blutigen Attentat vom 10. März 2015 macht er einen Bogen um den zentralen Platz von Mazatenango.
Ein Gedenkstein wurde dort errichtet für Danilo López und seinen Kollegen Federico Salazar, der für den Radiosender Radio Nuevo Mundo berichtete. Über der Bank, auf der die beiden Journalisten saßen, als die Killer mit dem Motorrad vorfuhren, weht ein Transparent. Studenten haben es mit dem Konterfei der Reporter versehen und rufen dazu auf, die Pressefreiheit sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung zu verteidigen. Zudem fordern sie von den staatlichen Institutionen ein Ende der Straflosigkeit.
Botschaft an Berichterstatter
Kaum eines der Delikte gegen Journalisten sei bisher in Guatemala geahndet worden, kritisiert die Direktorin der Menschenrechtsorganisation Udefegua, Claudia Samayoa. „Journalisten sind in Guatemala vor allem in den ländlichen Regionen extrem gefährdet. In Suchitepéquez ist die Situation so gravierend, dass wir dort immer wieder Journalisten begleiten”. Suchitepéquez heißt der Verwaltungsdistrikt, dessen Hauptstadt Mazatenango ist. Dort hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Angriffe auf Journalisten und mehrere Morde gegeben. Drei allein in diesem Jahr, denn mit Guido Giovanni Villatoro wurde noch ein weiterer Fernsehjournalist im März erschossen – von einem Motorrad aus auf offener Straße. Für Claudia Samayoa sind die Morde eine Botschaft an die kritischen Berichterstatter: „Wir kriegen Euch, wenn wir wollen”, so die 48-jährige Psychologin. Deren Organisation hat Journalisten wie Danilo beraten, wie sie sich besser schützen können. Ihnen empfohlen verschiedene Wege nach Hause zu nehmen, auch mal die Wohnung zu wechseln. Gebracht hat es nichts. Aber auch Staatsanwalt Orlando López, zuständig für die Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen in Guatemala-Stadt empfiehlt investigativ arbeitenden Journalisten nichts anderes. Nur wenn konkrete Indizien vorliegen, kann er Personenschutz anordnen. Den hat es bei Danilo López, der hin und wieder auch für CNN arbeitete, durchaus gegeben. „Er war immer wieder an brisanten Geschichten dran, hat nach Beweisen gegen korrupte Bürgermeister recherchiert und sich auch mit dem Drogenschmuggel in der Region beschäftigt”, sagt Marvin Túnchez.
Im Gegensatz zu López studiert Túnchez neben seiner journalistischen Arbeit. „Ich will Anwalt werden und habe nur noch ein Semester bis zum Examen. Danach ist Schluss mit der Arbeit im Sender”, erklärt er. Das hat er sich gut überlegt, denn nach elf Berufsjahren hat er die Nase voll: „Obwohl die Verfassung es anders vorschreibt, ist es der Staat, der die Pressefreiheit immer wieder verletzt”.
Kultur des Schweigens
Beamte, Bürgermeister, Polizisten sind es, die Journalisten in Guatemala immer wieder unter Druck setzen und Schutz dagegen gibt es nicht. Das bestätigen auch Analysen der guatemaltekischen Medienorganisation Cerigua, die im ersten Halbjahr 2015 nicht weniger als 59 Angriffe auf Journalisten registriert hat. Sieben tote Journalisten wurden seit 2013 in Guatemala gezählt und das Gros der Opfer stammt aus Suchitepéquez. So wie Carlos Alberto Orellana Cháve, der am 19. August 2013, erschossen wurde. Wenige Tage zuvor überlebte sein Kollege Fredy Rodas schwerverletzt einen Anschlag. 2014 hatte Nery Morales Glück, dass er einem Attentat unverletzt entkommen konnte – ebenfalls in Suchitepéquez.
„Es herrscht in Guatemala immer noch eine Kultur des Schweigens, die uns die Arbeit erschwert. Das ist ein Grund für die niedrige Aufklärungsquote”, so Staatsanwalt Orlando López. Dessen Dienststelle könnte mehr Personal vertragen. Doch dazu müsste die Politik die Rahmenbedingungen verändern. Bisher hat die Regierung noch nicht mal das lange angekündigte Programm zum Schutz von Journalisten vorgestellt. Ein Indiz dafür, dass die Sicherheit der Medienvertreter keine Priorität genießt. Immerhin hat López im Oktober die Hintermänner der Morde an Danilo López und Federico Salazar präsentieren können. Darunter zwei Polizisten. Doch die eigentlichen Auftraggeber sind bis heute unbekannt.