Neuer Sender für Lateinamerikaner

Gegengewicht zur Medienmacht USA und CNN

Mit einem neuen TV-Nachrichtensender wollen vier lateinamerikanische Regierungen ein Gegengewicht zur Medienmacht USA bilden. Doch schon bevor Telesur am 24. Juli auf Sendung ging, löste das Projekt internationale Debatten aus. Politische Einseitigkeit wurde dem Programmdirektorium nicht nur von oppositionellen Privatmedien im eigenen Land vorgeworfen.

Auch das Nachbarland Kolumbien griff das Telesur-Direktorium an: In einem Trailer war neben Persönlichkeiten für einen Moment auch der Gründer der kolumbianischen Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte (FARC) zu sehen – für Bogotá ein Skandal. Zur Eskalation aber kam es erst wenige Tage vor Sendebeginn. Aus den USA wurden Pläne bekannt, Gegenprogramme nach Venezuela zu senden. Präsident Hugo Chávez warnte bereits vor einem „elektronischen Krieg“. „Nueva Televisión del Sur“, das Neue Fernsehen des Südens, wie der Sender mit vollem Namen heißt, ist ein gemeinsames Projekt von Venezuela (51 Prozent), Argentinien (20 Prozent), Kuba (19 Prozent) und Uruguay (zehn Prozent). Mit Brasilien besteht ein Kooperationsvertrag. Mit einer Anschubfinanzierung von umgerechnet 2,5 Millionen US-Dollar soll der Sender nach einigen Wochen Testbetrieb 24-Stunden in Betrieb sein. Neben zwei Nachrichtenblöcken wird das Programm dann aus Reportagen, Interviews und Diskussionssendungen bestehen. Aus der Region – für die Region Wichtig ist den Machern der lateinamerikanische Blick. „Information ist eine Frage des Fokus“, sagte der kolumbianische Dokumentarfilmer Jorge Botero, der dem Telesur-Direktorium angehört. Bei Berichten über Lateinamerika aus den USA, würde das Bild verzerrt, so Botero in einem BBC-Gespräch. Mit Telesur ein Gegengewicht zu den dominierenden US-Nachrichtensendern schaffen, dieses Ziel stand schon zu Beginn des Projektes vor vier Jahren im Vordergrund. Der Vergleich zu dem arabischen Sender Al Dschasira liegt nahe: „Auch wir senden aus der Region für die Region“, bestätigte der uruguayische Direktor Aram Aharonian in der Tageszeitung junge Welt. CNN oder Al Dschasira seien kommerzielle Sender, Telesur hingegen ein multistaatliches Projekt. Neben lateinamerikanischen Journalisten gehören dem Programmdirektorium der britisch-pakistanische Schriftsteller Tariq Ali und der US-Schauspieler Danny Glover an. Während Vertreter der privaten Oppositionmedien die „linke Herkunft“ der Direktoriumsmitglieder beklagen, wurden in den USA schon vor Sendebeginn Schritte gegen Telesur unternommen. Auf Initiative des Kongressabgeordneten Connie Mack verabschiedete das Repräsentantenhaus ein Gesetz, nach dem „Gegenprogramme“ nach Venezuela gesendet werden können. Mack zeigt sich zuversichtlich: Nach der Ratifizierung des Textes durch den Senat könnten „dem venezolanischen Volk die Ideale von Freiheit, Sicherheit und Wohlstand“ vermittelt, und der „antiamerikanischen und antifreiheitlichen Rhetorik nach dem Vorbild von Al Dschasira Einhalt geboten“ werden. Dabei geht es nicht um Venezuela allein. In den USA leben schätzungsweise 45 Millionen Lateinamerikaner. Auch sie gehören zur Zielgruppe von Telesur

Internet: www.telesurtv.net

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Italien: Neun Jahre Haft für Recherche?

Drei Reporter*innen der italienischen Tageszeitung Domani müssen mit bis zu neun Jahren Gefängnis rechnen. Die Staatsanwaltschaft Perugia ermittelt gegen sie, weil sie vertrauliche Dokumente von einem Beamten angefordert und erhalten und das Geheimhaltungsprinzip der Ermittlungen verletzt haben sollen. Die dju-Bundesvorsitzende Tina Groll kritisierte, dass „hier investigative Berichterstattung über Mitglieder der italienischen Regierung unterdrückt werden soll."
mehr »

RSF: Vertrauen Sie der freien Presse!

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung wählt in diesem Jahr ein neues Staatsoberhaupt oder eine neue Regierung, Regional- oder Kommunalpolitiker. Gleichzeitig begeht die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen (RSF) ihr 30-jähriges Bestehen. Grund genug für die Kampagne „Erste Worte“. Unterschiedliche Menschen hören Auszüge aus den Antrittsreden ihrer Präsidenten: Wladimir Putin aus dem Jahr 2000, Nicolás Maduro aus dem Jahr 2013 und Recep Tayyip Erdogan 2014.
mehr »

Italien plant harte Strafen für Journalisten

Italien plant eine Reform seines Verleumdungsgesetzes. Das Vorhaben wird derzeit vom Justizausschuss des italienischen Senats geprüft und sieht neben höheren Geldstrafen auch ein gefährliches Verbot journalistischer Berufsausübung vor. Verurteilte Reporter*innen könnten ein Arbeitsverbot von bis zu sechs Monaten erhalten. Auch Haftstrafen für Medienschaffende, die eigentlich nicht im Gesetz auftauchen sollten, werden in einem jüngsten Änderungsantrag wieder hinzugefügt.
mehr »

Top Tarifergebnis im Kino

In den Tarifverhandlungen mit der Kino-Kette UCI (United Cinemas International GmbH) wurde am 19. Februar 2024 ein Tarifergebnis erzielt, das an vielen Stellen die ver.di-Forderungen erreicht, so auch den Einstiegslohn von 14 Euro. In der anschließenden Befragung der Mitglieder bis zum 4. März gab es keinerlei Ablehnung. Somit beschloss auch die ver.di-Tarifkommission einstimmig die Annahme des Tarifergebnisses.
mehr »