Auszüge aus einer Stellungnahme der IG Medien zum „Grünbuch Konvergenz“
Das „Grünbuch zur Konvergenz der Branchen Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie“, von der EU-Kommission vorgelegt, beschreibt eine Vielzahl von interessanten Teilaspekten, die für die Entwicklung der genannten Branchen eine Rolle spielen. Es stellt den Versuch dar, mittels des Konvergenzbegriffs die teilweise kongruente, parallele oder sich überschneidende Entwicklung der Bereiche zu erfassen.
Auf der rein technischen Ebene ist dies durchaus bis zu einem gewissen Grad plausibel und nachvollziehbar. Sobald aber dieser im gesamten Grünbuch nicht konsistent verwandte Konvergenzbegriff auf Regulierungsprinzipien und inhaltlich unterschiedliche Bereiche ungeprüft übertragen wird, werden die Mängel und Schwächen offensichtlich. Verstärkt wird dies dadurch, daß von einem liberalistischen Marktmodell ausgegangen wird, dessen vorausgesetzte Flexibilität den tatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht. Daraus resultieren dann ideologiegeleitete Einschätzungen und Fragestellungen, die den tatsächlichen Gegebenheiten nicht Rechnung tragen und den gesellschaftlichen und ordnungspolitischen Anforderungen nicht gerecht werden können.
Arbeitsplätze
Realistischerweise sind die früheren euphorischen und überzogenen Erwartungen hinsichtlich der Schaffung neuer Arbeitsplätze in Millionenhöhe korrigiert worden. Alle bisher bekannten seriösen Untersuchungen gehen davon aus, daß der Zuwachs sich z.B. in der Medienbranche eher in Grenzen halten wird.
Wie die Autoren des Grünbuches zu der Auffassung kommen, daß „eine positive Auswirkung auf die Beschäftigungslage in den konvergierenden Branchen wahrscheinlich“ erscheint (siehe S. 12), bleibt ihr Geheimnis.
Zu beachten ist, daß
- auch in dieser Branche Arbeitsplätze durch die neuen Techniken (Stichwort: Digitalisierung und Kompression) verloren gehen und
- Beschäftigte in die neu entstehenden Bereiche wechseln, bzw. zusätzliche Aufgaben mit übernehmen (z.B. in Redaktionen).
Generell ist darauf hinzuweisen, daß gesamtwirtschaftlich bei weitem nicht soviel neue Arbeitsplätze in den „neuen Bereichen“ geschaffen werden, wie in den traditionellen Branchen verloren gehen. Dies belegt der kontinuierliche Anstieg der Arbeitslosigkeit.
Rundfunk und Demokratie
Wer wie die Verfasser des Grünbuchs primär nur auf die Konvergenz der technischen Entwicklung schaut und darüber die inhaltliche und gesellschaftliche Relevanz der unterschiedlichen Medien und Dienste in eins setzt, begeht einen folgenschweren Fehler.
Der Rundfunk und insbesondere die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Europa haben eine konstitutive Bedeutung für das demokratische Gesellschaftssystem. Insbesondere das Fernsehen besitzt eine entscheidende Bedeutung für die Information, Meinungs- und Entscheidungsbildung der Bürgerinnen und Bürger. Das Bundesverfassungsgericht (BVG) der Bundesrepublik Deutschland hat dies in einer Vielzahl von einschlägigen Urteilen immer wieder deutlich herausgestellt.
Die Tatsache, daß im Grünbuch zwar auf das Protokoll des Amsterdamer Vertrages hingewiesen und die damit verbundene Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten herausgestellt wird (S. 35), hindert die Autoren nicht, unter dem Verweis auf das Zauberwort Konvergenz deren Berechtigung gleich danach wieder in Frage zu stellen. Die unbewiesene Behauptung, daß allein durch normale Marktaktivitäten „eine weit größere Anzahl von audiovisuellen Informationsquellen“ geschaffen werden könne, zu der der Zuschauer Zugang hat, zeigt einmal mehr die ideologiegeleitete Sichtweise und Interpretation der Autoren.
Es bleibt festzuhalten, daß allein die technische Annäherung bei der Produktionsform und Übertragung sowie partiell bei Präsentation von audiovisuellen Produkten unterschiedliche Regulierungsnotwendigkeiten hinsichtlich der Inhalte und dem gesellschaftlichen Stellenwert der Medien und Dienste nicht überflüssig macht.
Unterschiedliche Definitions- und Abgrenzungsversuche bei neuen Diensten in Abgrenzung zum Telekommunikationsbereich einerseits und dem klassischen Medienbereich andererseits haben gezeigt, daß dies nicht immer eindeutig möglich ist. Dies ist bedingt sowohl durch partielle Kongruenz als auch die Dynamik der Entwicklung. So wird man wohl eine gewisse Zeit mit Übergangsregelungen und nicht immer eindeutigen Definitionen arbeiten müssen.
Grundsätzlich muß noch einmal herausgestellt werden, daß der Rundfunk Medium und Faktor der öffentlichen Information und Meinungsbildung ist. Der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten besteht darin, mit seinem Gesamtprogramm die Grundversorgung der Bevölkerung hinsichtlich Information, Bildung, Unterhaltung und Kultur umfassend sicherzustellen. Dies bedeutet Vielfalt ebenso wie auch Programme für Minderheiten.
Nicht zuletzt die Entwicklung hin zu einem drohenden Pay-TV-Monopol und die Diskussion um Sportrechte sowie eine TV-Schutzliste haben gezeigt, wie unverzichtbar der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinem Programmauftrag und -angebot als „Rundfunk für alle“ ist. Um diesen auch in Zukunft gewährleisten zu können, sind Bestand und Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Europa zu sichern; wozu auch die umfassende Partizipation an den neuen Technologien gehört.
Medien- und Kommunikationsrat
Die Ausführungen zu den vorhergehenden Fragen haben gezeigt, daß es aufgrund der Besonderheit des Rundfunks und seiner Bedeutung für die demokratischen, sozialen und kulturellen Anforderungen der Gesellschaft unerläßlich ist, ein besonderes Regulierungssystem aufrecht zu erhalten. Ein neues Regulierungsmodell wird nicht als notwendig erachtet.
Trotz technischer Konvergenz kann und darf von den inhaltlichen Unterschieden und Anforderungen des Bereichs Telekommunikation einerseits und des Bereichs der Medien, insbesondere des Rundfunks andererseits nicht abgesehen werden. Regulierungserfordernissen für Anwendungen oder Dienste, die zwischen diesen beiden Bereichen liegen, kann durch ein sinnvoll abgestuftes Regelungssystem bezogen auf die jeweiligen Dienste begegnet werden.
Als institutionelle Lösungsvariante für Entscheidungen, die aufgrund von Definitions- und Zurechnungsproblemen einerseits und der dynamischen Entwicklung andererseits zu treffen sind, haben die IG Medien und die Deutsche Postgewerkschaft einen sogenannten „Medien- und Kommunikationsrat“ vorgeschlagen. Es geht dabei nicht um eine neue, übergeordnete dritte Regulierungsinstanz sondern um ein paritätisch besetztes Gremium mit Entscheidungsbefugnissen, das über Zwischenformen und Randgebiete hinsichtlich der beiden Kernbereiche zeitlich begrenzt zu entscheiden hätte.
Wegen der gesellschaftspolitischen Bedeutung dieser Entwicklungen und Diskussionsprozessen auf dem Weg zu einer wirklich demokratischen Informationsgesellschaft, sollten in dem drittelparitätisch besetzten „Medien- und Kommunikationsrat“ neben Vertretern der beiden Kernbereiche (Telekommunikation und Medien) als dritte Kraft Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen als gleichberechtigte Partner mit Stimmrecht vertreten sein.